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Roxane Duran: „Für mich gibt es keine kleinen Rollen“

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Roxane Duran

©Matt Observe

Die Pariserin Roxane Duran ist Philipp Hochmairs neue Buhlschaft. Ein Gespräch über die Wirkung ihrer Rolle, ihren Lehrmeister Michael Haneke und Freiheit im Theater.

Diesen Beginn eines Schauspielerlebens muss man sich einmal vergegenwärtigen, auf den die designierte Buhlschaft Roxane Duran zurückblicken kann. Denn was die heute 32-jährige Pariserin außer mehr als 30 Rollen in internationalen Filmen und Serien vorweisen kann, hat es in sich. Da glaubt man ihr aufs Wort, wenn sie im News-Gespräch im Sacher versichert, die Buhlschaft versetze sie nicht in Angst.

Wie alles begann

Das ahnte man bereits, als die Salzburger Festspiele sie zuvor der Öffentlichkeit präsentierten und sie mit Philipp Hochmair, dem kommenden Lebensabschnittspartner vom Domplatz, beherzt scherzte.

Fast genau 16 Jahre und sechs Monate ist es her, dass Roxane Duran die außerkünstlerische Wucht ihres Berufs zum ersten Mal kennenlernte. In Cannes war das, im Mai 2009, als Michael Haneke sein Historiendrama „Das weiße Band“ präsentierte. Der österreichische Regisseur erzählt da von Verbrechen in einem deutschen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Eine der zentralen Gestalten ist Anna, die Tochter des Dorfarztes. Nach dem Tod der Mutter muss sie dem Vater nicht nur den Haushalt führen und sich um die Geschwister kümmern, sondern auch als Frau zur Verfügung stehen. Die Gräuel, die ihr der Unhold angedeihen lässt, verschweigt sie vor den Brüdern. Denn vor allem der Kleinste soll von alldem nichts mitbekommen.

Mit 15 im Fokus der Filmbranche

Als Haneke seine jungen Darsteller zum Festival-üblichen Fototermin mitnimmt, stellt sich die 16-jährige Duran mit ernstem Blick den Blitzlichtern. Immer wieder rückt sie ihr dichtes rotes Haar zurecht. Das französische Fernsehen berichtet live. Als sie spürt, wie sich die Kamera auf sie richtet, ringt sie sich ein Lächeln ab. Der Reporter kommentiert das Geschehen an der Croisette wie den Einmarsch von Gladiatoren: „Michael Haneke arrive, à sa gauche Vous voyez Roxane /Düron/ …“

„Duran“, stellt sie im Gespräch mit News richtig. Dabei rollt sie das „R“ ein wenig. Ihren Namen spreche man spanisch aus, ihr Vater sei zwar Franzose, aber in Spanien geboren worden. Die Pariserin parliert zudem mit herz­erwärmendem österreichischen Idiom. Das habe sie von ihrer Mutter, einer Linzerin. Bis zum vierten Lebensjahr habe sie mit der Mutter ausschließlich Deutsch gesprochen, mit dem Vater indes nur Französisch.

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Die Jedermanns. Philipp Hochmair mit seiner Bühnenmutter Daniela Ziegler

 © Bild: Matt Observe

Lehre bei Meister Haneke

Mit 14 Jahren folgt sie einer Schulfreundin an die renommierte Schauspielschule Cours Florent in Paris. Jeden Mittwoch bekommen die Teenager vier Stunden Unterricht. Das Gymnasium besucht sie weiter. Nach einigen Monaten erreicht die Mutter der Anruf einer Casting-Agentur. Ob sie der Tochter gestatte, ein Casting für einen österreichischen Regisseur namens Michael Haneke zu absolvieren? Die Mutter zögert. Soll sie tatsächlich dem Regisseur der radikalen Kunstwerke „Funny Games“ und „Die Klavierspielerin“ ihre Tochter anvertrauen? Eine Lösung wird gefunden: Die Mutter ist auf dem Set dabei. Und bleibt es bis zum 18. Geburtstag der Tochter. Die blickt heute dankbar auf den mütterlichen Beistand zurück. So stellten sich Fragen nach möglichen Verwerfungen auf Filmsets, von denen man heute immer öfter hört, gar nicht.

Dafür gibt es anderes zu berichten, von Haneke, ihrem bedeutendsten Lehrer. „Diese Erfahrung war außergewöhnlich, ich werde das nie vergessen“, schwärmt sie. Alles habe sie von ihm gelernt, den Umgang mit Emotionen, Konzentration, Respekt gegenüber dem Drehbuch. Und, so fügt sie mit Nachdruck hinzu, „die Fähigkeit, präsent zu sein und zu empfinden. Hat man einmal mit ihm gedreht, wird es selten etwas geben, das noch aufregender ist. Es ist ein großes Privileg, mit so einem Menschen arbeiten zu dürfen.“

Wenn man selbst an die Öffentlichkeit tritt, fühlt man sich ein bisschen entblößt, aber es ist mir bewusst, dass man da einfach durch muss.

Roxane Duran

Der Einstieg

Erste Erfahrungen am Theater machte sie als Titelheldin in Éric-Emmanuel Schmitts Stück „Anne Frank“. Eine ihrer nächsten Rollen in einer Komödie von Pierre de Marivaux brachte ihr schon den Schauspielerpreis Molière in der Kategorie bester Nachwuchs. Damals war sie 19.

Interviews findet man von ihr dennoch höchstens auf YouTube, und auch das nur, wenn eine Filmfirma es verlangt. „Ich habe mich immer zurückgehalten, da ich das Gefühl habe, mich als Schauspielerin hinter einer Rolle verstecken zu können. Wenn man selbst an die Öffentlichkeit tritt, fühlt man sich ein bisschen entblößt, aber es ist mir bewusst, dass man da einfach durch muss.“ Dass es mit dem „Sich-hinter-einer-Rolle-Verstecken“ vorbei ist, sobald sie sich auf dem Domplatz Tausenden taxierenden Blicken ausliefert, wird ihr langsam bewusst.

„Die Presse kann auch kritisieren, dass ich rothaarig bin und keine hundertprozentige Österreicherin“, überlegt sie. Aber Robert Carsen habe sich für sie entschieden, deshalb sei sie hier. „Und ich werde mein Bestes geben und mich bemühen, die Buhlschaft authentisch und lebendig zu verkörpern. Ich kann jedoch nicht bestimmen, was die Leute denken werden.“ Wer kann das schon? Und was heißt 100-Prozent-Österreicherin? Abgesehen davon, mit welchen Idiomen man die Buhlschaft schon gehört hat – das ist ein Kapitel für sich. Muss ein Schauspieler nicht alles spielen dürfen?

„Genau das reizt mich so an meinem Beruf. Heute bin ich eine Revoluzzerin, morgen die Buhlschaft und übermorgen darf ich eine Anwältin sein. Ich finde es faszinierend, eine Figur zu verkörpern, die mir fremd ist, aber die mir durch ein Projekt nah kommt. Mich fasziniert es, herauszufinden was meine Rolle denkt, prägt, definiert und motiviert. Wer ist sie? Wie viele Facetten hat sie? Welche sehen wir, welche versteckt sie?“, schwärmt sie von ihrem Beruf.

Treu bis in den Tod?

Ganz unverständlich ist das Verhalten der Buhlschaft übrigens nicht, wenn sie sich vom sterbenden Liebhaber zurückzieht, statt ihm in den Tod zu folgen. Sieht Roxane Duran das nicht ähnlich? „Es gibt eine Person, für die ich sterben würde. Wenn sie nicht mehr da ist, weiß ich überhaupt nicht, was mit mir geschehen soll. Das ist eine tiefe Empfindung, die vielleicht morbide klingen kann. Aber ich kann dieses Gefühl nicht abschütteln.“

Und die Kürze der Rolle? Da stehen Wirkung und Text doch in keinem Verhältnis? „Für mich gibt es keine kleinen Rollen. Ich versuche immer, in eine Rolle einzutauchen, die Worte zum Leben zu erwecken. Es ist eine spannende Reise, bei der man lernt, mit seinen Bühnenpartner in Einklang zu kommen. Unabhängig von der Textmenge steht man dann auf der Bühne und muss glaubwürdig erscheinen, Spaß haben und Neues erfinden. Genau das macht das Theater für mich so faszinierend.“

Es gibt eine Person, für die ich sterben würde. Wenn sie nicht mehr da ist, weiß ich überhaupt nicht, was mit mir geschehen soll.

Roxane Duran

Die österreichische und die französische, Kultur seien in ihrer Familie immer wichtig gewesen. Ohne das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker könne sie ein neues Jahr nicht richtig beginnen, holt sie aus. Auch der „Jedermann“, überhaupt die Salzburger Festspiele, seien in ihrer Familie etwas wie ein „kulturelles Must“. Konnte man nicht an die Salzach reisen, blieben immer noch die Übertragungen. So habe sie fast jeden „Jedermann“ der vergangenen Jahre gesehen. Mit Ausnahme der aktuellen Inszenierung von Robert Carsen. Und das, 0bwohl sie mit Christoph Luser, Jedermanns gutem Gesell, der sich auch als Teufel zu erkennen gibt, schon gearbeitet hat. Zuletzt für „Vienna Games“, eine Serie über den Wiener Kongress, die demnächst auf Disney+ abzurufen ist.

Letztendlich sei sie froh, Carsens Inszenierung noch nicht zu kennen. „Ich bin ein visueller Typ. Wenn ich etwas sehe, prägt es mich. Und ich möchte meine eigene Buhlschaft, Hand in Hand mit Robert und Philipp, kreieren.“ Wird es Änderungen geben? „Aber ja, natürlich, das Kleid und der Tanz werden verändert. Ich habe mir auch vorgenommen, nach meinem Dreh mit Tanzkursen anzufangen.“ Dass die nun scheidende Vorgängerin Deleila Piasko. Bemerkenswertes geleistet hat, ist ihr klar. Die beiden kennen einander seit der Verfilmung von Melanie Raabes Thriller „Der Schatten“. So war Deleila Piasko auch unter den Ersten, die von Roxane Durans Glück informiert wurden.

Die Zeit drängt, die Buhlschaft muss den Zug erreichen, zuerst nach Linz, um sich mit dem Nötigsten für den folgenden Dreh in Buda­pest auszustatten. Dort wartet ein Team von BBC-MGM-Plus. Verfilmt wird Charles Dickens’ „A Tale of two Cities“, Roxane Duran gibt eine „kaltblütige Revoluzzerin“. Eines noch: „Als ich die Buhlschaft angenommen habe, ahnte ich überhaupt nicht, was auf mich zukommen würde. Nun wird es mir immer klarer. Und ich bin sehr stolz darauf, diese Freude mit meiner österreichischen Familie teilen zu dürfen.“ Und wir mit ihr.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 48/2025 erschienen.

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