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Spitzentöne: Festwochen-Chef Milo Rau und das Manifest der Spaltung

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Heinz Sichrovsky

©Bild: Matt Observe

Das war zu befürchten, seit die Wiener Festwochen im Grenzbereich zwischen Aktionismus und Antisemitismus zu agieren begannen: Ein Manifest des Intendanten wurde in ungewöhnlicher Deutlichkeit von Spitzen des Kulturlebens zurückgewiesen.

Sollten Sie der Meinung sein, dass jetzt alles vorbei ist, muss ich Sie enttäuschen. In Berlin haben am Samstag unter dem Titel „United4Gaza“ 16.000 gegen Israel demonstriert. Angemeldet waren nur 5.000, es kam zu „keinen größeren Zwischenfällen“, sieht man von „Flaschenwürfen, Beleidigungen und dem Rufen verbotener Parolen“ ab. Wer von den „Hunderten“ Gesinnungsfreunden, die zur nämlichen Zeit in Wien den Ring lahmlegten, was gerufen hat, will ich gar nicht wissen, kann es mir aber vorstellen.

Dass es hingegen am Samstag in Bern zu „keinen größeren Zwischenfällen“ gekommen wäre, würden selbst die Veranstalter der ungenehmigten Palästina-Demo zurückweisen. In deren Verlauf haben 5.000 „Aktivisten“ u. a. Barrikaden in Brand gesteckt und Auslagenscheiben zertrümmert.

Am Samstag, um das überflüssigerweise in Erinnerung zu rufen, war die erste Stufe des Gaza-Abkommens schon in Umsetzung begriffen. Aber in der neutralen Schweiz lamentierte tags darauf das „fünfköpfige Beobachtungsteam der demokratischen Juristinnen und Juristen Bern“ gegen „unverhältnismäßigen Einsatz der Exekutive“, die u. a. Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt hat.

Milo Rau will Aufmerksamkeit und Quoten – und zwar auf Kosten des jüdischen Lebens in Österreich

Da möchten einem aber auch ohne chemisches Zutun die Tränen kommen, und man würde die Wasserwerfer gern prall aus river und sea befüllen. Um Frieden geht es den Herrschaften offenbar nicht, im Gegenteil. Es geht darum, in Kumpanei mit einer Mörderbande das einzige demokratische Land in der Region auszulöschen.

Über die grundverdächtige Gestalt Netanjahu und die Motive Trumps müssen wir uns hier nicht einigen. Aber das Agieren einer das Wort und seinen Inhalt schändenden Linken hat schon zur Folge, dass der Berner Sicherheitsdirektor das Verbot der Antifa fordert. Wenn damit dem weltweit aufflammenden Judenhass regional Einhalt geboten werden kann (was ich bezweifle), würde ich eine solche, gegen Rechtsradikale schon vielfach verhängte Maßnahme befürworten. Ich dachte nicht, dass ich einmal so etwas schreiben könnte.

Die Festwochen schlagen Krawall

Was das schon wieder auf diesem meinem Kolumnenplatz zu suchen hat? Viel, und sogar in geografischer Nähe zum Schauplatz Schweiz. Der dort geborene Regisseur Milo Rau, seit dem Vorjahr Intendant der Wiener Festwochen, hat nämlich ein Manifest veröffentlicht, in dem die deutschsprachige Kulturbranche beschuldigt wird, sich nicht deutlich genug gegen den „Völkermord“ in Gaza zu verwenden. Dass das Dokument zunächst nicht auf Deutsch verfügbar war, hielt ich für eine Maßnahme, um die Festwochen vor Beschädigung zu schützen. Es gibt nämlich – muss ich dran erinnern? – in Österreich und Deutschland einen Grundkonsens, der damit zu tun hat, dass wir in weiteren 1.000 Jahren nicht vergessen machen können, was hierzulande verübt wurde (das damalige Agieren der Schweizer Behörden wäre noch zu thematisieren).

20 gegen 2.000

Ich habe falsch gemutmaßt: Im Intendantenauftrag haben die Festwochen das Dokument jetzt offensiv an die Öffentlichkeit befördert. Es gefällt mir gar nicht, obwohl es beteuert, sich gegen einseitige Schuldzuweisungen zu richten: Keiner demokratisch gewählten Regierung ist zuzumuten, mit einer Terrororganisation Augenhöhe herzustellen. Und gern wüsste ich Näheres über die Gründe der Festsetzung der 2.000 Palästinenser, die jetzt von Israel im Austausch freigelassen wurden. Was ich aber weiß: Den 20 ausgemergelten Gestalten, die das Grauen in den Tunneln überlebt haben, sind nicht einmal unscharfe Sympathiebekundungen für kriminelle Aktivitäten vorgeworfen worden.

Weshalb ich mir anmaße, hier quasi ex cathedra zu argumentieren? Tu ich gar nicht. Ich weiß mich nämlich eines Sinnes mit den Unterzeichnern der folgenden Gegenerklärung: „Milo Rau spekuliert mit dem Skandal. Läge ihm irgendetwas an dem Ende des Krieges, würde er für den Deal eintreten, der nun auf Geiselbefreiung, auf einen Waffenstillstand, auf Entmachtung der Hamas und eine bessere Zukunft für Gaza hoffen lässt. Aber ihm geht es nicht um die Menschen in Gaza und Israel. Er will Aufmerksamkeit und Quoten – und zwar auf Kosten des jüdischen Lebens in Österreich.“

Elfriede Jelineks Urteil

Von wem das ist? Von Sobotka? Der Kultusgemeinde? Nein, von 14 Kulturschaffenden, deren Sympathie sich Rau im Prinzip gewiss sein müsste. Unter ihnen: Karl Markus Gauß, Monika Helfer, Michael Köhlmeier, Gerhard Ruiss, Doron Rabinovici, Robert Schindel und Elfriede Jelinek.

Sie haben richtig gelesen: Die Nobelpreisträgerin zieht ihre schützende Hand zurück. Ich habe das schon länger kommen sehen, weil ich nicht der Einzige bin, der Raus beharrliches Zündeln im Grenzstreifen zwischen politischer Argumentation und antisemitischer Aktion missbilligt. Als er zum Amtsantritt den Tingel-Antisemiten Varoufakis eingeladen hat, war die Situation noch halbwegs unter Kontrolle. Heute werden in Österreich Juden aus Lokalen geworfen und israelische Orchester bepöbelt.

In anhaltender Sympathie für den Intendanten, der viel (wenn auch nicht nur Gutes) auf den Weg befördert hat, fordere ich das Ende solcher Aktivitäten im Kontext eines maßgeblichen, die Stadt repräsentierenden Festivals.<

Ansonsten sehe ich das Schicksal der Grünen-Staatssekretärin Lunacek heraufdämmern, die von ihrer eigenen, ihr ideologisch nahestehenden Klientel aus dem Amt befördert wurde.

PS.: Frei werdende Ressourcen nach Auflösung des Krawalldepartements wären in je einen hochkulturkundigen Spartendirektor aus den Bereichen Oper und Theater zu investieren.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 42/2025 erschienen.

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