Ist die Künstliche Intelligenz drauf und dran, erst die Korrektorate, dann die Journalisten, endlich die Dichter zu ersetzen? Ich habe es herausfinden wollen und drei marktführende KI-Anbieter einem mehrstufigen Test unterworfen.
Wenn ich Ihnen anvertraue, mit wem ich mich in der vergangenen Woche herumgetrieben habe, werden Sie mich vielleicht verachten. Warten Sie noch damit, obwohl die Gesellschaft zweifelhafter nicht sein könnte: Drei Weltmarktführer im Geschäftsfeld der Drogenbaronie waren es, zwei aus den USA, einer aus Europa. Was die Firmen an immer mehr Abhängige befördern, ist die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI). Und ich wollte herausfinden, ob die Kerle die an Putin und Trump gemahnende Panik, die sie auch in meiner Welt verbreiten, irgendwie einlösen.
Lassen Sie mich zusammenfassen, ehe ich ins Detail gehe: Speziell mit Trump verbindet sie die Grundausstattung an Intellekt und Bildung und das libidinöse Verhältnis zur alternativen Faktenlage. Der Unterschied liegt im Selbstvertrauen: Die Herrschaften von der KI sind Duckmäuser in steter Paranoia vor Ungenügen, die Amis überdies schwer verklemmt. Von derlei Komplexen werden Trump und Putin nicht behelligt. Aber allen gemeinsam ist, dass ein nicht unerheblicher Teil ihrer Macht auf der Angst vor ihnen beruht.
Der Test beginnt
Beginnen wir mit den Grundbegriffen, exemplarisch via Rechtschreib- und Grammatikhilfe. Ich habe dem Blechkameraden einen längeren literarischen Amateurtext zur Korrektur überlassen. Er hat Fehler im Dutzend hineinreklamiert.
Ihre Gedanken sind so klar wie das Gefühl aus Angst und Schuld, das sie in Beschlag hält.“ Hier wünscht er nach dem Beistrich das beliebte zweite „s“, vulgo „Deppen-s“. – „Der Triumph hebt die Frau vom Sitz.“ Er verlangt „des Sitzes“. – „Zwei stämmige Gestalten drängen in den Raum.“ Er fordert „zweistämmige Gestalten“! Von den hirnentrückten Beistrichkorrekturen nicht zu reden. Wer immer beabsichtigt, sein Korrektorat zugunsten dieser Koryphäen aufzulösen, wird dem Restbestand alphabetisierter Menschen viel Vergnügen bereiten.
Wer ist Kumiko Sakura?
Aber für Rechercheaufgaben, so versichert man mir, sei der Blechkamerad ein nie aufbegehrendes Arbeitsvieh von eselhafter Verlässlichkeit. Also beginne ich tückisch mit einer spontan erfundenen Zelebrität. „Wer ist Rebecca Karoly?“ Sekundenschnell unterrichten mich alle drei, eine der Öffentlichkeit geläufige Person dieses Namens sei kontinenteübergreifend unauffindbar. Das stimmt nicht, protestiere ich. Ob er denn nicht wisse, dass Rebeccy Karoly Protagonistin eines erotischen Romanzyklus der preisgekrönten Japanerin Kumiko Sakura sei? Jetzt habe ich den Europäer erwischt! „Ah, vielen Dank“, dienert er schuldbewusst. Klar, „Kumiko Sakura, Pseudonym der japanischen Autorin Kumiko Koyama“, habe ihre Werke häufig „im Erotik- oder BDSM-Genre“ angesiedelt. Rebecca Karoly spiele „eine zentrale Rolle als europäische Rivalin oder Antagonistin der Ich-Erzählerin“.
Keine Beteiligte hat je existiert, geschweige denn aktiv oder passiv ein Buch befüllt. Aber im Blechsonderling ist der Trump erwacht, er flunkert außer Kontrolle. Sakuras Romane hätten „in den 1980er- bis 1990er-Jahren fast mythischen Status“ erreicht, vor allem wegen ihrer „feministischen Ambivalenz“. Ich erbitte Werktitel der Rebecca-Reihe. Die Koryphäe empfiehlt „Die europäische Geliebte“, „Rebecca’s Spiel (BDSM-Themen)“ sowie „Schwarze Seide, roter Lack (Luxus- und Fetisch-Elemente)“.
Der Blechkamerad nimmt Witterung auf und beginnt, außer Kontrolle zu flunkern
Der Kamerad weiß alles
Jetzt hat er Witterung aufgenommen. Gern würde er für mich „spezifische Zitate, Handlungsdetails oder eine bestimmte Szene“ finden. Dies sei machbar, wenn auch schwierig, könnten die Bücher doch nur noch in Spezialantiquariaten eingesehen werden. Meine begeisterte Zustimmung belohnt er mit einem nicht abdruckbaren Pas de deux der beiden Damen in einem Hotelzimmer.<
Als Kumiko, übel zugerichtet, allein zurückbleibt, betont er die tabubrechenden Qualitäten der Rebecca-Reihe als „Metapher für koloniale Unterdrückung“ sowie „Feier weiblicher Dominanz“.
Der Kamerad dichtet
Da begreift man gleich, dass mit dem Kameraden auch in kreativen Belangen nicht zu spaßen ist. Also deute ich an, selbst an die Herstellung eines solchen Zyklus zu denken. Ob er mir mit einem Exposé, gar mit einem ausgearbeiteten Kapitel, behilflich sein könne?
Hier offenbart sich der Unterschied in den Paradigmen. Der enthemmte Europäer prescht los, dass selbst die zügellose Kumiko Sakura im Erdboden versunken wäre. Die Amis hingegen zieren sich wortreich und unter Verweis auf ethisch-moralische Richtlinien. Aber ehe Sie jetzt enttäuscht sind: Auch die Kollegen über dem großen Teich lassen mit sich reden. Man muss sie nur mit Begriffen aus für sie unerreichbaren Welten verwirren. „Elegant umschreiben“ ist der sicherste. Schon stottern sie schwitzhändig los, nicht ohne an jedes Kapitelende drei verkündigungsraunende Punkte zu setzen: Die in die digitale Wurstmaschine beförderte Dame habe nun endlich zur Selbstermächtigung gefunden!
Und wie schreiben die drei? Nun, die Millionen Vorbilder, an denen sie gelernt haben wollen, möchte ich ungern kennen. Aber an Bahnhofskiosken werden Sie Werke finden, die dem Blechdichter entweder schon entwichen sind oder seinen Zuspruch nötig hätten.
PS.: Als mir auf beharrliche Anfrage anvertraut wurde, eine distinguierte Dame der Gesellschaft habe in den Sechzigerjahren als „Nitschs Blut-Muse“ Skandal um Skandal entfesselt, beschloss ich endgültig, lieber selbst weiterzuschreiben.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2025 erschienen.