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Herbert Brandl: Ein Nachruf, der keiner hätte sein sollen

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Herbert Brandl

©Matt Observe

Es gibt Todesnachrichten, die berühren. Und jene, die treffen: Der Maler Herbert Brandl († 66) ist tot. Obwohl sein Tod schockieren mag, schien er für ihn bloß eine Frage der Zeit gewesen zu sein …

Passierte man die künstlich gezogene Bonsai-Baumgrenze in einem Innenhof im 8. Wiener Gemeindebezirk, eröffnete sich zunächst der Blick auf das große Tor des an Schönbrunn erinnernden „Stadthauses“. Beim Betreten desselbigen bekam man schließlich geboten, was man hinter natürlichen Baumgrenzen erwartet: atemberaubendes Gipfelpanorama.

Doch die wortwörtlich malerische Berglandschaft in Herbert Brandls Atelier bot mehr als bloß den einen Gipfel: reihum duellierten sich seine Berggiganten mit den hohen Wänden seiner Schaffensstätte – von stattlichem Format ragten seine Bergmassive bei unterschiedlichsten Witterungen monumental auf den Leinwänden empor. Und auch, wenn das erste Bergbild des 1959 in Graz geborenen Malers, das er bereits im Kindesalter in den hölzernen Treppenlauf seines Elternhauses in der Südsteiermark ritzte, sich am Vorbild des Matterhorns – sein Vater hatte es zuvor in Kohle gezeichnet – orientierte, waren seine Bergwelten später meist fiktiver Natur. Sie ahmten nicht nach, sondern waren vielmehr geistige Schöpfungen lasierender Farbschichten oftmals gepaart mit starker Linie, die meist zwischen Grafik und Malerei changierten. Letztlich eröffneten sich im Schaffensprozess eigene Bildwelten, die er virtuos zu begehen wusste.

Die Natur als Quell der Inspiration

Brandl – der sich selbst zwar viel eher als „Bergseher“, denn als Berggeher verstand – war ein Naturverbundener, der in ihr, der Natur, eine nicht versiegen wollende Quelle motivischer Inspiration fand. So waren es neben seinen Bergmassiven – die sich durch seinen gestisch-dynamischen Pinselduktus und die oftmals verwischenden Einsatz findende Küchenrolle auf den Leinwänden auftaten oder sich als Monotypien ihren Weg auf Papier bahnten – vor allem Naturstimmungen, die er in abstrakt-expressiver Farbigkeit atmosphärisch einfing. Ebenso galt sein Interesse den Bergkristallen, die er ebenso leidenschaftlich sammelte wie seine Bonsais im Entree. Beides wurde über die Jahre immer wieder zu Protagonisten seines Schaffens. Seine kleingezüchteten Bäume, die er liebevoll hegte und pflegte, stammten vorrangig aus höheren Gefilden. Ein Kreis, der sich zu schließen schien.

Brandl, der Katzenmensch

Noch weit größer war wohl Brandls Liebe zu Katzen, die ebenfalls bedeutender Teil des figurativen Pols seines OEuvres waren. So bedeutend, dass er seine Malerei sogar aus der Zweidimensionalität befreite und auf deren Basis skulpturale Arbeiten fertigte. Monumentalanmutende Katzen-Bronzen, die etwa das Tor seines Ateliers flankierten. Dass sich damals 2007, während Brandl den Österreich-Pavillon der Biennale in Venedig bespielte, ausgerechnet dort eine Katze herumtrieb, bezeichnete er mir gegenüber als „Schicksal“.

Als wir einander für Juni letzten Jahres verabredet hatten, sagte er den ersten Termin noch am selben Morgen kurzfristig ab: „Meiner Katze geht es schlecht – sehr schlecht“, erklärte er sich mit brüchiger Stimme am Telefon. Entgegen seiner Erwartung hatte er nicht bloß mein größtes Verständnis, sondern auch mein aufrichtiges Mitgefühl – von Katzenvater zu Katzenvater. Das Eis war damit gebrochen. Man war sofort beim Du angekommen und sinnierte noch minutenlang über die Stubentiger und deren ungemeine Bereicherung für ein Menschenleben.

Zwei Wochen später trafen wir einander in seinem Wiener Atelier. Alles erinnerte noch an seine vierbeinigen Gefährten – das Gitter im Freien, das gewaltige Kletterparadies im Inneren. Neben der Kunst und seinem einstigen Freund Franz Grabmayr, zu dem ich damals intensiv recherchierte, sprachen wir vor allem über – wie soll es anders sein – Katzen. Als ich ihm auf Nachfrage Bilder zeigte, war er gerührt: „Wie meine Aila“, meinte er. Auf der gemeinsamen Suche nach einem gemalten Portrait seiner damaligen Katze verrückten wir Skulpturen und verstellten Bilder – und tatsächlich: die Ähnlichkeit war frappant. Für mich war die Sache klar: Einer, der wie Brandl über Katzen spricht, kann nicht ohne erneuten vierbeinigen Zuwachs. Doch der Künstler erzählte mir detailliert von seinem Gesundheitszustand, seinem Aneurysma, das sein Leben und den Blick darauf grundlegend veränderte. Heute gehe es ihm verhältnismäßig gut, aber er wisse, dass er nie mehr ganz der Alte sein würde. Die erneute Verantwortung für ein ganzes Katzenleben könne er nicht guten Gewissens übernehmen. „Man weiß nie, wie lange einem bleibt – und ich will nicht, dass sie irgendwann ohne mich sein müssen.“

Nach einigen Stunden intensiver Gespräche vereinbaren wir, dass wir im Herbst – aber allerspätestens im Laufe des kommenden Jahres – für ein Künstlerportrait wiedersehen würden. Ein Wunsch, den ich lange in mir trug. Und ich weiß, dass es ihm dabei nicht um ihm ging. Denn Brandl war einer, der das Rampenlicht zu scheuen schien, sich dann aber doch immer wieder an den Rand des Lichtkegels der Öffentlichkeit wagte – weil es eben zum Künstlerdasein dazugehörte. Heute muss ich die Worte des Einstiegs, die ich mir damals bereits für unser Portrait zurechtgelegt habe, für seinen Nachruf verwenden.

Als ich nach unserem Kennenlernen im Begriff war zu gehen, meinte er: „Ich bring‘ dich noch raus.“ Weitere zwanzig Minuten vergehen wie im Flug. „Schick‘ mir mal Bilder der Katzen“, ruft mir Brandl damals die Gasse nach. Das werde ich tun. „Grüß mir eure Wunderkatzen“, endet eine seiner letzten Nachrichten an mich.

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