Nach acht Jahren setzt Dan Brown seine Roman-Serie um den Symbolforscher Robert Langdon fort. „The Secrets of Secrets" ergründet das menschliche Bewusstsein und verschaffte dem Autor die Erkenntnis, dass mit dem Sterben nicht alles aus ist.
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Schön, wenn man gewisse Traditionen für sein Magazin aufrechterhalten kann. Eine davon ist es, Autoren zum Interview zu treffen, über die gerade die ganze Welt spricht. Aktuell steht der amerikanische Schriftsteller Dan Brown im Fokus. Nach acht Jahren veröffentlichte der 61-jährige Amerikaner wieder einen Thriller. „Secrets of Secrets“ lautet auch der Titel der deutschen Übersetzung, die im Lübbe Verlag zeitgleich mit dem Original erschienen ist.
Im Zentrum steht, wie in allen Romanen Dan Browns, der Symbolologe Robert Langdon. Er begleitet seine Gefährtin Katherine Solomon nach Prag, wo sie auf einer Konferenz erste Einblicke in ihr Buch gewähren will. Darin verspricht sie bahnbrechende Erkenntnisse über das menschliche Bewusstsein. Doch dann verschwindet sie, und Hacker drohen, das Manuskript zu vernichten.
News erreichte Dan Brown in Hamburg, wo er seinen Roman vorstellte. Kommuniziert wurde per Teams. Die letzte Begegnung mit dem Mann, der weltweit mehr 250 Millionen Bücher verkauft hat, liegt acht Jahre zurück. Trotz zeitlicher und räumlicher Distanz begrüßte man einander mit einem „Good to see you again“.
Herr Brown, Sie waren einer der ersten, die einen Roman über KI geschrieben haben. Was hat Sie jetzt dazu inspiriert, über das menschliche Bewusstsein zu schreiben?
Darüber wollte ich schon seit sehr langer Zeit schreiben. In meinem Roman „Das verlorene Symbol“ kommt Katherine Solomon, eine Noetikerin, vor. Ich begann mich sehr für Noetik* zu interessieren. Ich wusste, dass ich einen Roman schreiben wollte, der sich ausschließlich mit dem Bewusstsein befasst, ich wusste nur nicht, wie schwierig das werden würde.
Was ist Noetik?
Noetik ist die Lehre vom Denken, Wissen und Bewusstsein. Sie erforscht, wie wir Gedanken, Erkenntnisse und geistige Erfahrungen wahrnehmen und verstehen.
War es in gewisser Weise auch die Gefahr der Künstlichen Intelligenz, die Sie dazu gebracht hat, sich wieder der natürlichen Intelligenz zuzuwenden?
Absolut. Wissen Sie, Künstliche Intelligenz beeinflusst uns alle, aber bei Weitem nicht so sehr wie das menschliche Bewusstsein. Das ist die Linse, durch die wir alle die Realität sehen und durch die wir Künstliche Intelligenz interpretieren. Es ist also der übergeordnete Rahmen, der alles umfasst. Deshalb hat mich das sehr interessiert.
Katherine offenbart im Grunde genommen nichts anderes als die Lehren des Christentums, nämlich dass das menschliche Bewusstsein nach dem Tod weiterlebt. Sehe ich das richtig?
Das zeige ich in meinem Buch. Vielleicht ist das der Bereich, in dem Wissenschaft und Religion sich annähern.
Sie sind in einer religiösen Familie aufgewachsen …
Meine Mutter war Kirchenorganistin, und ja, wir waren eine religiöse Familie. Ich ging in die Kirche. Im Sommer war ich sogar in einem Kirchen-Camp. Ich bin also sehr religiös aufgewachsen und habe alle Geschichten geglaubt, die mir über Adam und Eva und die Genesis erzählt wurden. Als ich noch sehr jung war, besuchte ich das Boston Museum of Science und lernte etwas über die Evolution. Ich hatte nur von Adam und Eva gehört und erinnere mich, dass ich einen Priester fragte: „Welche Geschichte ist wahr?“ Der Priester antwortete: „Nette Jungs stellen solche Fragen nicht.“
Das war das Ende meiner religiösen Erziehung, und seitdem habe ich mir mein ganzes Leben lang diese Frage gestellt. Ich habe verstanden, dass die Herausforderung der Religion darin besteht, dass wir Metaphern als wörtliche Tatsachen lesen. Religion tut so viel Gutes in der Welt, und die heiligen Schriften sind voller Geschichten, aus denen wir im metaphorischen Sinne lernen können. Aber wir haben Probleme, wenn wir anfangen, sie wörtlich zu lesen.
Wie sehen Sie es aber, dass rechtskonservative Parteien die christliche Religion missbrauchen? Ist das nicht besonders in den USA der Fall?
Dass Religion instrumentalisiert wird, ist nichts Neues. Denken Sie doch an die Kreuzzüge. Und wenn das heute geschieht, überrascht mich das nicht. Aber ich lebe in meiner fiktionalen Welt und habe für Politik keine Zeit.
Was war für Sie das Aufschlussreichste, als Sie für Ihr Buch recherchiert haben?
Ich habe dieses Buch mit großer Skepsis begonnen. Wenn Sie mich gefragt hätten, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, hätte ich mit Nein geantwortet. Und acht Jahre später, insbesondere nachdem ich mit so vielen Menschen gesprochen habe und wirklich viel über die Wissenschaft und die Physik gelernt habe, habe ich viel weniger Angst vor dem Tod und bin offen für die Idee, dass das Bewusstsein über den physischen Tod hinaus weiterlebt. Das ist sehr beruhigend. Aber man muss vorsichtig sein. Einfach nur daran zu glauben, weil es beruhigend ist, genügt nicht. Man muss tatsächlich das Gefühl haben, dass die Wissenschaft diesen Gedanken unterstützt.
Ich habe in einem Podcast gehört, dass Sie das Buch geschrieben haben, als Ihre Mutter im Sterben lag. Wie hat sich das auf Ihr Schreiben ausgewirkt?
Weil ich einen mir nahestehenden Menschen verloren hatte, begann das Buch auch die Frage zu behandeln, was nach dem Tod geschieht – Eine Frage, die wir uns alle stellen. Egal, welche Sprache wir sprechen, egal, welcher Religion wir angehören. Das ist die große Frage der Menschheit. Und ich wollte sie in das Buch aufnehmen, besonders nachdem meine Mutter verstorben war.
Ich kenne Musk nicht persönlich. Aber ich sehe, dass er gute und schlechte Seiten hat. Wir können Technologie nutzen, um Menschen zu helfen oder ihnen zu schaden
War das Schreiben des Buches für Sie eine Art Trost?
Ich weiß nicht, ob es Trost war, aber viele der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die ich sah, ließen mich glauben, dass meine Mutter sich meiner Arbeit bewusst war, was seltsam klingt, aber so empfand ich es.
Elon Musk versucht, mit Chips ins menschliche Bewusstsein einzugreifen. Wie sehen Sie diese Versuche? Stimmt es, dass Sie Musk persönlich kennen?
Nein, ich kenne Musk nicht persönlich. Aber ich sehe, dass er gute und schlechte Seiten hat. Wir können Technologie nutzen, um Menschen zu helfen oder ihnen zu schaden. Diese Entscheidung müssen die Menschen selber treffen. Sicher kann die Gehirnchip-Technologie, die Musk entwickelt, Menschen enorm helfen. Wir alle sind in gewisser Weise mit unserer Technologie verschmolzen. Niemand geht mehr irgendwohin ohne sein Smartphone. Sie fragen Siri alles, sie fragen ChatGPT alles. So kommunizieren wir. So ein Gehirnchip ist eigentlich nur etwas, das uns die Hände freihält, damit wir unsere Technologie immer mit uns führen können, ohne sie halten zu müssen. Das wird der erste Schritt zu einer Gehirnschnittstelle sein, die es uns ermöglicht, freihändig mit Computern zu interagieren.
Verwenden Sie KI für Ihre eigene Forschung, zum Schreiben oder in irgendeiner anderen Weise?
Nein, weil meine Erfahrung mit KI ist, dass sie mindestens in der Hälfte der Fälle, die sie lösen soll, falsch liegt, und ich dieses Risiko einfach nicht eingehen kann. Ich bin mir sicher, dass es besser werden wird, aber für dieses Buch habe ich keine KI verwendet.


Das Buch
Robert Langdon begleitet seine Gefährtin Katherine Solomon nach Prag. Auf einer Konferenz kündigt sie ihre bahnbrechenden Erkenntnisse über das menschliche Bewusstsein an. Doch dann verschwindet sie. „Secrets of Secrets“ – ein furioser Page-Turner des amerikanischen Meisters der Spannung, Dan Brown. Lübbe, € 32,80
Kann man das als eine Art Flucht vor der düsteren Realität sehen?
Es ist interessant, dass der menschliche Verstand so programmiert ist, dass wir uns evolutionär darauf entwickelt haben, uns auf das Schlechte und auf das Gefährliche zu konzentrieren, damit wir in Sicherheit sind. Wir konzentrieren uns auf die Dinge, die uns schaden können, und deshalb nehmen wir die Welt statistisch gesehen als düster wahr. Tatsächlich aber gibt es viel mehr Liebe als Hass in der Welt, viel mehr schöpferische als zerstörerische Kraft. Es gibt Menschen, die leiden, Mitgefühl und Hilfe brauchen. Statistisch gesehen läuft viel mehr richtig als falsch. Und dennoch konzentrieren wir uns nur auf das, was man als die dunkle Welt bezeichnen würde. Ich schreibe über sehr lange Zeiträume und neige dazu, das, was gerade passiert, als eine Art Bremsschwelle auf einem sehr langen Highway zu sehen Wir haben in der Vergangenheit sicherlich sehr schwierige Zeiten durchlebt. Denken Sie nur an den Zweiten Weltkrieg, der für alle eine schwere Zeit war. Und doch haben wir ihn überstanden.
Robert Langdon ist wie in allen Ihren Romanen der zentrale Held. Er trägt seit Jahrzehnten eine Mickey-Mouse-Uhr und altert nicht. Wie hat er sich für Sie verändert?
Langdon war schon immer skeptisch und gleichzeitig aufgeschlossen. Jetzt wäre er aber mittlerweile bereit zuzugeben: Ich glaube, ich habe mich geirrt. In diesem Sinne wird er also reifer. Und wenn Sie meine vorherigen Bücher gelesen haben, wissen Sie, dass er jedes Mal das große Glück hatte, eine gutaussehende, intelligente Frau zu finden, die ihm zur Seite steht. Aber in diesem Buch wollte ich, dass er sehr verliebt ist. Das ist neu für ihn. Er ist erwachsen geworden und endlich in einer Beziehung. Das zu schreiben hat mir viel Spaß gemacht.
Wird er seine Beziehung im nächsten Roman aufrechterhalten?
Ich würde sagen, ja.
Sie schildern im Roman, wie in Ihrem amerikanischem Verlag Manuskripte geschützt werden. Das ihrer Protagonistin im Roman verschwindet aber. Ist es für so etwas wie ein ständiger Albtraum, dass sich Hacker ihrer Manuskripte bemächtigen?
Wir treffen sehr strenge Vorsichtsmaßnahmen und haben keine Probleme. Es wäre sehr, sehr schwierig, meine Manuskripte verschwinden zu lassen, denn sie sind sehr gut geschützt.
Bewahren Sie besondere Manuskripte an sicheren Orten auf?
Ja, aber nicht bei mir zu Hause.
Vorahnung ist in „Secrets of Secrets“ eines der zentralen Themen. Wie kommt es, dass Sie in Ihren Romanen immer wieder über etwas schreiben, das gar nicht viel später tatsächlich eintritt?
Ich weiß nicht, ob es Vorahnung ist oder ob ich einfach nur die Landschaft betrachte und gut einschätzen kann, wie sie sich entwickeln wird. Ich halte das nicht für Vorahnung, das ist das Verstehen von Mustern. Denn ich glaube nicht, dass es etwas Neues auf der Welt gibt. Diese Muster wiederholen sich einfach immer wieder, mit einer neuen Technologie, einem neuen Politiker oder einer neuen Idee. Das Gleiche passiert immer wieder, nur in einem neuen Umfeld.
Wie sehen Sie, als Schöpfer des berühmten fiktiven Wissenschafters Robert Langdon die Situation an den Universitäten in den USA? Was wird aus Harvard und den anderen großen Unis, wenn Trump ihnen die Mittel streicht?
Ich bin Optimist. Ich glaube, dass das Pendel historisch gesehen hin und her schwingt, und nachdem es in eine Richtung ausgeschlagen ist, wird es auch in die andere Richtung ausschlagen. So funktioniert die Welt nun einmal.

Steckbrief
Dan Brown
Dan Brown wurde 1964 in Exeter, New Hampshire, USA, als Sohn eines Mathematikprofessors und einer Kirchenorganistin geboren. Brown unterrichtete Englisch und Spanisch, bis ihm „The Da Vinci Code“ 2003 weltweite Bekanntheit als Thriller-Autor verschaffte. Seine Romane sind in 54 Sprachen übersetzt. Mehr als 250 Millionen Exemplare wurden bisher verkauft. Drei Romane wurden mit Tom Hanks als Robert Langdon verfilmt
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 40/2025 erschienen.