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Bregenzer Festspiele: Zum Henker mit den Henkern

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Ferdinand Schmalz

©Bild: Matt Observe

Österreich in undatierter Zukunft: Es ist eiskalt, ein Eingriffin die Belange von Mutter Erde ist missglückt. Und die autoritäre Kanzlerin will die Todesstrafe zurück. Ferdinand Schmalz’ „bumm tschak oder der letzte henker“ wird am 18. Juli in Bregenz uraufgeführt und kommt dann an die Burg/Akademietheater.

Der Termin lässt auch außerliterarisch keine Brisanz vermissen: Die Uraufführung von Ferdinand Schmalz’ dystopischer Kasperlgroteske „bumm tschak oder der letzte henker“ betrifft die vorerst einzige Kooperation zwischen Burg und Bregenzer Festspielen. Die beabsichtigte längerfristige Partnerschaft wird ausgesetzt, weil Kunstvizekanzler Babler den Alemannen ein Drittel des Bundeszuschusses gekappt hat.

Nicht zu reden vom Inhaltlichen, dessen Dringlichkeit sich aus jedem durchschnittlichen Zeitungsforum mit seinen Sehnsuchtsbekundungen nach US-amerikanischem bzw. saudi-arabischem Strafvollzug hochrechnen lässt. „wir haben eine satte mehrheit,/ der notstand ist seit langem ausgerufen,/ und sollt ein internationales bündnis/ schwierigkeiten machen, seis drum,/ dann kündigen wir es auf.“

Die Dame mit der pragmatischen Weltsicht ist die erste Kanzlerin Österreichs, in einer postapokalyptischen Zukunft nach dem unbenannten „großen Eingriff“. Der offenbar misslungen ist, denn die Welt ist verödet und eiskalt, und die Parameter der Zivilisation verschieben sich. Um diesbezüglich etwas weiterzubringen, will die Kanzlerin die Todesstrafe wieder einführen. Den Henker findet sie im Szeneklub Schafott, dessen Betreiber die körperlichen und seelischen Voraussetzungen übererfüllt.

„An der Katastrophe vorbeigegangen“

„Wir sind ja schon knapp daran vorbeigegangen“, sagt der eben 40 gewordene Steirer mit dem bürgerlichen Namen Matthias Schweiger.“ Tatsächlich ist es nicht originell, aber unerlässlich, von Kickl samt potenziellen Bündnispartnern zu reden. Die Erweiterung des Handlungsspielraums innerhalb der Verfassung, die semantische Relativierung der Menschenrechte befinden sich im Versuchsstadium. In den USA sind sie schon Realität.

Er habe während der Arbeit am Stück bei einem Verfassungsrechtler nachgefragt, wie einfach denn die Wiedereinführung der Todesstrafe durchzuführen wäre, schildert Schmalz. Nicht ganz einfach, lautete die Antwort. Aber der Weg führe über tatsächliche oder vermeintliche Ausnahmezustände.

Die Idee zum Stück kam Schmalz an einem für mehrere Beteiligte schicksalhaften Wendepunkt. 2017/18 war das. Schmalz wurde von der Burgtheaterdirektorin Karin Bergmann mit der Klassikerparaphrase „jedermann (stirbt)“ beauftragt. Als Regisseur war der in Wien endlos nicht mehr tätige Schweizer Stefan Bachmann verpflichtet worden. Das Resultat war derart markant, dass sich für Bachmann mittelfristig der Weg in die Burgtheaterdirektion öffnete. Klar, dass der Chef „bumm tschak“ jetzt persönlich besorgt. Schmalz wiederum, mit seinen sprachexperimentellen und doch höchst amüsanten Theatertexten damals nur Fachleuten bekannt, wird seither mit Aufträgen bedrängt.

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Stefanie Dvorak, Mehmet Ateşçi, Stefan Wieland, Sarah Viktoria Frick und Max Simonischek 

 © Tommy Hetzel / BURG

Während der Vorbereitungen auf den Schicksals-„jedermann“ strich Schmalz mit dem Dramaturgen Florian Hirsch durch den Simmeringer Friedhof und blieb vor der Gruft des k.u.k Scharfrichters Josef Lang hängen. Der Mann hatte ein Café in Simmering geerbt, und einer seiner Stammgäste suchte einen Nachfolger. So wurde Josef Lang 1900 der letzte Scharfrichter der Monarchie. Eine ikonische Fotografie zeigt ihn lachend hinter dem vom Würgegalgen baumelnden Revolutionär Cesare Battisti. Das delinquentenfreundliche Schnellgerät hatte Lang selbst erfunden, und seine Popularität war enorm: Als er 1925 starb, säumten 10.000 Wiener den letzten Weg.

Diese österreichische Erfolgsgeschichte hat Schmalz nun fortgeschrieben und parallel das „Grusical“ mit dem Titel „Sanatorium zur Gänsehaut“ verfasst, das im Herbst in Frankfurt uraufgeführt wird. Schon zuvor hatte sich die witzige Recken-Demontage „Hildensaga“ von den Nibelungenfestspielen in Worms auf den Weg durch beste deutschsprachige Bühnen gemacht.

Deutsch-Matura negativ

Elfriede Jelinek zum Kollegen: „Ein Autor, der mit Sprache kreativ und phantasievoll umgeht und sie auch ständig nach ihrem Ideologiecharakter, nach ihren falschen Wahrheiten befragt.“

So meldet sich Schmalz als selbstironische Kunstfigur mit Schnauz und Bauernhütel ständig als Zuversichtsbringer in verdunkelnden Zeiten. Während des eben finalisierten Bachmann-Rituals erinnerten viele an den Preisträger des Jahres 2017. Schmalz brachte es als bisher letzter Laureat zu anhaltender Gefragtheit. Nicht nur wegen des folgenden „jedermann“-Triumphs, sondern auch als Begünstigter eines Missverständnisses: Da das Feuilleton Dramatiker in der zweiten Kategorie verortet und Schmalz schon einschlägige Trophäen vorzuweisen hatte, erwartete man von seinem Beitrag nicht viel. Umso überrumpelnder war die Qualität des Auszugs aus dem später hoch dekorierten Roman „Mein Lieblingstier heißt Winter“.

Sogar an gescheiterte Maturanten hat Schmalz eine jahreszeitenkonforme Botschaft der Hoffnung: Die Schriftliche im Fach Deutsch erwies sich 2004 infolge orthografischen Versagens als nicht genügend. Aber die Mündliche, die radikalen Volksstücke Peter Turrinis und Wolfgang Bauers betreffend, drehte das Resultat noch zum glatten Gut.

Wer weiß, ist die Gewalt des Wortes sogar gegen Henker praktikabel.

Bregenzer Festspiele

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28+29/25 erschienen.

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