Hautkrebs ist immer weiter auf dem Vormarsch – auch bei jungen Patientinnen und Patienten. Auf welche Merkmale man selbst achten kann, welche neuen Screening-Möglichkeiten es gibt und was die personalisierte mRNA-Impfung gegen maligne Melanome verspricht, erklärt Hautärztin Dr. Marie-Theres Kasimir im Interview.
Hautkrebsarten und Risikofaktoren
Welche Hautkrebsarten sind seit den letzten Jahren besonders auf dem Vormarsch? Unterschieden wird grundsätzlich zwischen weißem und schwarzem Hautkrebs.
Zum „hellen Hautkrebs“ (auch „weißer Hautkrebs“ genannt) werden das Plattenepithelkarzinom und das Basalzellkarzinom gezählt. Die beiden Unterarten sind die häufigsten Formen von Hautkrebs. Die gute Nachricht: Im Gegensatz zum schwarzen Hautkrebs können beide Unterarten sehr gute Heilungsaussichten vorweisen.
Weißer Hautkrebs tritt dominant an Körperstellen auf die oft sonnenexponiert sind und ist somit die Folge von kumulativer UV-Belastung.
Die bösartigste Form des Hautkrebses ist das maligne Melanom, auch „schwarzer Hautkrebs” genannt. Das Melanom ist ein Tumor, der von den pigmentbildenden Zellen der Haut, den Melanozyten, ausgeht. Es neigt dazu, früh Metastasen über Lymph- und Blutbahnen zu streuen, und ist die am häufigsten tödlich verlaufende Hautkrankheit, mit weltweit stark steigender Anzahl an Neuerkrankungen.
Durch das höhere Alter, das wir mittlerweile erreichen, gesteigerte Awareness und die sich stets verbesserten Methoden zur Erkennung von Hautkrebs werden alle Formen früher erkannt und verbessern die Heilungsaussichten.
Welche Hauptursachen sehen Sie für den Anstieg von Hautkrebsfällen, insbesondere in Bezug auf UV-Exposition und Lebensstilfaktoren?
Zum Anstieg von Hautkrebsfällen trägt unter anderem folgendes bei: Verändertes Urlaubs- und Freizeitverhalten (gesteigertes Interesse an Outdoor-Sport wie etwa Joggen, Wandern, Mountainbiken, Wassersport), Veränderungen in der Alltagsgestaltung (durch flexiblere Arbeitszeiten oder auch Modelle wie „remote work“ bzw. Home-Office wird mehr Zeit im Freien und somit auch in der Sonne verbracht). Auch spielt das sogenannte „Sun-Seeking-Behaviour“ eine Rolle: die Menschen sehnen sich nach der Sonne und setzen sich dieser bewusst, gerne und wann immer möglich aus – zum Beispiel in Schanigärten, bei Spaziergängen, in der Mittagspause. Durch den demografischen Wandel werden die Menschen außerdem immer älter, die zunehmend alternde Bevölkerung lässt die Fallzahlen automatisch steigen.
Die bösartigste Form des Hautkrebses ist das maligne Melanom, auch „schwarzer Hautkrebs” genannt.
Neue Screening-Methoden und TVEC und mRNA-Impfung
Wie effektiv sind derzeitige Screening-Methoden zur Früherkennung von Hautkrebs, und welche neuen Techniken oder Technologien werden derzeit entwickelt oder erprobt?
Heute genutzte Screeningmethoden (z.B. die Auflichtmikroskopie mit der Möglichkeit der digitalen Bildspeicherung und direktem Vergleich einer Pigmentläsion bei regelmäßiger Kontrolle) sind effektiv. Entwickelt und erprobt wird im Bereich des Hautscreenings auch Künstliche Intelligenz. Diese arbeitet hier sehr zuverlässig.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der MedUni Wien berichtet über den Einsatz von Talimogene Laherparepvec (TVEC) zur Behandlung von Basaliomen, die zu einer signifikanten Tumorverkleinerung führte. Wie bewerten Sie diese Therapieoption im Vergleich zu traditionellen Behandlungsmethoden?
TVEC bietet eine innovative neoadjuvante Therapieoption für komplexe Patient:innen mit Basaliomen, bei denen eine herkömmliche Operation mit hohen funktionellen oder kosmetischen Risiken verbunden wäre. Die Therapie kann die Tumorgröße vor dem Eingriff reduzieren und somit die Notwendigkeit umfangreicher chirurgischer Maßnahmen verringern. Weitere Studien mit größeren Patient:innengruppen sind jedoch noch erforderlich, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit dieser Methode zu bestätigen. Die Behandlung mit TVEC ist derzeit in der klinischen Phase 2 (also noch nicht für Patient:innen außerhalb der Studien zugelassen).
Es gibt vielversprechende Ansätze zur personalisierten mRNA-Impfung gegen maligne Melanome, die auf individuelle Tumormerkmale abzielen. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in der Implementierung solcher personalisierten Therapien?
In den letzten Studien scheinen personalisierte mRNA-Impfstoffe bei Hochrisikomelanomen einen signifikanten Überlebensvorteil zu erzielen – in Kombination mit anderen notwendigen Behandlungen (OP und Immuntherapie). Diese Kombination kann das Leben Betroffener verlängern, jedoch ist es keine vorbeugende Impfung gegen maligne Melanome bzw. Hautkrebs. Es ist bis jetzt noch nichts am Markt, das bei einem metastasierenden Melanom das Überleben sichert.
In den letzten Studien scheinen personalisierte mRNA-Impfstoffe bei Hochrisikomelanomen einen signifikanten Überlebensvorteil zu erzielen – in Kombination mit anderen notwendigen Behandlungen (OP und Immuntherapie). Diese Kombination kann das Leben Betroffener verlängern
Präventionsmaßnahmen und Selbstuntersuchung
Welche präventiven Maßnahmen halten Sie für am effektivsten, um das Risiko für Hautkrebs in der Bevölkerung zu senken?
Awareness schaffen! Wer über Hautkrebs Bescheid weiß, schützt sich.
Konsequenter UV-Schutz: zum Hauttyp passende Sonnenschutzcremes mit adäquatem LSF, schützende Kleidung, Schatten aufsuchen … Kinder gilt es besonders zu schützen: ihre Haut ist empfindlicher als die von Erwachsenen und anfälliger für Schäden durch UV-Strahlung. Die Haut „merkt“ sich UV-Schäden. Häufige Sonnenbrände in der Kindheit können das Risiko, als Erwachsener an Hautkrebs zu erkranken, deutlich erhöhen.
Keinesfalls Sonnenbrände provozieren
Keine regelmäßigen Solarium-Besuche
Regelmäßige Selbstkontrolle und mindestens 1x pro Jahr zum dermatologischen Check-Up gehen (im Zweifel, bei Unsicherheiten oder plötzlich auftretenden Veränderungen auch öfter)
Wie wichtig ist die Rolle der Patient:innenaufklärung und Selbstuntersuchung bei der frühzeitigen Erkennung von Hautkrebs?
Sehr wichtig. Selbstverantwortung rettet Leben. Sensibilisierung für Hautkrebs, Selbstbeobachtung und regelmäßige ärztliche Kontrolle sind der Schlüssel zur effektiven Hautkrebsfrüherkennung.
Wie untersucht man sich selbst: Können Sie den Ablauf kurz beschreiben? Auf welche Muttermale muss man besonders achten und wann sollte man direkt eine:n Ärzt:in aufsuchen?
Bewusst alle Körperstellen (auch auf Hände/Handflächen, Füße/Fußsohlen und den Intimbereich nicht vergessen) begutachten, gegebenenfalls jemanden bitten sich den Rücken anzuschauen. Fällt ein Muttermal direkt auf, da es anders aussieht als die anderen – quasi das „hässliche Entlein“ ist – ist professionelle Abklärung ratsam. Generell gilt: lieber einmal zu oft als zu selten in der dermatologischen Praxis vorbeischauen – bei plötzlich auftretenden oder rasch wachsenden Veränderungen am Hautbild sollte man zum/zur Dermatolog:in gehen. Gut zu wissen ist außerdem: Schwarzer Hautkrebs entsteht nicht unbedingt nur an sonnenexponierten Hautstellen, weißer Hautkrebs jedoch vor allem an diesen.
Schwarzer Hautkrebs entsteht nicht unbedingt nur an sonnenexponierten Hautstellen, weißer Hautkrebs jedoch vor allem an diesen.
LSF und Sonnenschutz
Was muss man in puncto Sonnenschutz besonders beachten: Welchen LSF empfehlen Sie?
Der LSF gibt an, wie gut ein Sonnenschutzmittel schützt. LSF ist die Abkürzung für Lichtschutzfaktor (manchmal auch Sonnenschutzfaktor genannt). Er gibt an, wie lange ein Sonnenschutzmittel die Haut vor schädlicher UV-Strahlung schützen kann. Die Bedeutung der Zahl hinter dem LSF: Wenn du normalerweise 10 Minuten im Sonnenlicht verbringen kannst, ohne dich zu verbrennen, multipliziert eine Lotion mit LSF 10 diese „Selbstschutzzeit“ mit 10. Das entspricht also etwa 100 Minuten Sonnenschutz. Bei LSF 50 gilt die gleiche Rechnung, allerdings mit dem Multiplikator 50.
Um diesen Schutz zu erreichen muss allerdings ausreichend Sonnencreme aufgetragen werden. Für den ganzen Körper benötigen Erwachsene mindestens 30 ml Sonnencreme.
Die empfohlene Menge für Sonnenschutzmittel ist entscheidend, um den angegebenen Schutz wirklich zu erreichen. Durch Schwitzen, Schwimmen und Abrieb reduziert sich der Schutz zusätzlich. Deshalb empfiehlt es sich immer einen LSF von mindestens 30, besser 50 zu verwenden. Regelmäßiges Nachcremen ist außerdem wichtig.
Kinder gilt es besonders zu schützen: Für diese immer LSF 50+ verwenden oder auch UV-Schutzkleidung um Sonnenbrände jedenfalls zu vermeiden. Häufige Sonnenbrände in der Kindheit sind ein Risikofaktor für das maligne Melanom.


© Marion Wagner / Die Ida
Über die Expertin
Dr. Marie-Theres Kasimir
Fachärztin für Dermatologie, Fachärztin für Herzchirurgie, Wahlärztin in Wien Döbling, dr-kasimir.com