Ist die Öffnung einer sich zunächst in Treue gründenden Beziehung der neue Liebestrend? Durchaus unterschiedliche Motive liegen dahinter: Eine zunächst monogame Beziehung zu bereichern, sie aus einer Krise zu retten oder sie gleichsam durch die Hintertür zu beenden
Die Öffnung einer monogamen Beziehung kann bereichernd, hilfreich, aber auch folgenschwer sein. Sehen wir uns unterschiedliche Ausgangssituationen an, um Vorteile, Risiken und Nebenwirkungen zu erkennen.
Fall 1: Gemeinsames Liebesexperiment
Matthias willigt ein, die Partnerschaft zu öffnen. Für Sophie und ihn ist das nach 13 Jahren Beziehung frisch, neu, verlockend. Das gemeinsame Projekt ist, dass beide einvernehmlich mit anderen Sexpartnerinnen und Sexpartnern Spaß haben dürfen. Es werden klare Regeln und Grenzen besprochen; keine Freundinnen und Freunde und nie mehr als ein Sex-Date. Denn polyamor sein wollen die beiden keinesfalls. Das würde dann ja bedeuten, mehrere Personen zu lieben.
Die Liebe wird in diesem Fall klar von sexuellen Wünschen getrennt und soll nur dem Paar vorbehalten bleiben. Ob das gelingt, liegt an der Bereitschaft, sich an das Commitment zu halten.
Fall 2: Rettungsversuch
Nach einer anderthalbjährigen Paartherapie mit Schwerpunkt Sexualtherapie haben Conny und Max nicht zur alten Leidenschaft zurückgefunden. Da sie sich dennoch als Dreamteam betrachten, wollen sie die Beziehung nicht einfach hinschmeißen. Und kommen überein, vorübergehend ihre Ehe zu öffnen. Anders als bei Matthias und Sophie gibt es für ein halbes Jahr keine Regeln, kein Tabu. Ups, das ist gefährlich!
Wenn jede Person für sich allein ihr (Sex-)Ding macht, geht die Perspektive auf ein Comeback des Liebeslebens häufig verloren. Im besten Fall finden sie nach den erotischen Ausflügen mit anderen zur früheren Liebe zurück, weil ja „nichts Besseres“ nachkommt. Häufiger führt das zur Trennung.
Fall 3: Verschleiertes Beziehungsende
Heinz will Marie längst verlassen und bleibt nur wegen der Kinder. Er ist heimlich in eine Arbeitskollegin verliebt und ersucht seine Frau, die Beziehung zu öffnen. In Wahrheit bringt er den Trennungswunsch nicht über die Lippen. Ein schleichender Abschied ist die bittere Folge. Marie kämpft monatelang mit neuen Dessous und sexy Stiefeln darum, jenen Menschen zurückzugewinnen, der längst auf einem anderen Liebesplaneten gelandet ist und das nur selbst noch nicht ganz wahrhaben möchte.
Fazit: Zwischen Fluch und Segen
Eine offene Beziehung kann Fluch und Segen sein. Wichtigste Voraussetzung zur Öffnung einer ursprünglich auf Treue aufgebauten Partnerschaft sind Freiwilligkeit, gegenseitiger Respekt vor Grenzen, ein laufender Dialog und klare Regeln, die von beiden beschlossen werden. Im Fall des Liebesexperiments, wenn Paare aus Neugierde und Erfahrungshunger handeln, sollten engmaschig Gespräche geführt und Fragen diskutiert werden wie: Fühlt es sich an wie erwartet, wenn ich mit jemand anderem Sex habe als mit dir? Wie fühle ich mich, wenn ich zu dir zurückkomme? Tut es unserer Beziehung gut? Könnte es zur Sucht werden? Was ist mein Motiv, mit anderen zu schlafen – hat es sich seit der Öffnung unserer Beziehung geändert?
Die zentrale Frage aber bleibt: Können – und wollen – wir als Paar Sex und Liebe trennen? Weil sonst schiffen Sie schon in Richtung Polyamorie und lieben mehrere. Und das wäre dann eine ganz andere Liebesgeschichte, die anderer Voraussetzungen bedarf. Doch eines gilt immer: offen darüber reden. Vielleicht reicht das dann auch schon in der Vision als Liebesbooster, und Sie brauchen Ihre Fantasien und Wünsche erst gar nicht in die Tat umzusetzen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 30+31/25 erschienen.