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Josef Zotters Plädoyer für die Liebe

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11 min

Josef Zotter

©Christoph Wünscher

Josef Zotter ist in erster Linie Pionier und Komponist – weniger klassischer Chocolatier. Bemerkenswert: Nach einer gescheiterten ersten Geschäftsidee, zu der er offen steht, gründete er dennoch eine erfolgreiche Schokoladenmanufaktur. Diese Geschichte erzählt er gerne gleich zu Beginn – sie ist der Schlüssel zu seinem Selbstverständnis als Querdenker, Allrounder und Mutmacher.

Herr Zotter, Sie sind bekannt für Ideen, Überraschungen, Innovationen

Innovationen funktionieren nur, wenn man etwas tut, was man noch nicht weiß oder noch nicht kann. Denken tun viele daran. Die sagen, mein Gott, ich habe eine tolle Idee. Dabei bleibt es dann häufig.

Lieben Sie es, Emotionen zu erzeugen?

Ja, genau, das ist bei der Schokolade so wie bei meinen Schuhen. (Josef Zotter trägt zwei verschiedene Schuhe, Anm.) Man stelle sich vor, ich war einmal ziemlich verschlafen und gehe so in die Firma. Schaut mich meine Dame an der Rezeption an und schaut wieder weg. Ich frage mich, was ist los? Und dann bemerke ich, dass ich zwei verschiedene Schuhe trage. Dadurch kam ich wieder auf die Frage: Warum sind wir so vorgefertigt, dass etwas zu sein hat, wie es alle glauben?

Was meinen Sie mit dem „Mut zum Scheitern“?

Ich hatte in den 90er-Jahren ein klassisches Unternehmerproblem. Ich war zu schnell erfolgreich. Ich hatte damals schräge Mehlspeisen, zum Beispiel Hanfmehlspeisen und Mehlspeisen mit Chili kreiert. So wurde ich relativ schnell bekannt. Eines Tages hat mir der Steuerberater gesagt, du, Josef, du bist krank. Darauf ich: Krank bin ich nicht, weil ich war erst beim Arzt. Er sagte, monetär krank, die Personalkosten seien viel zu hoch. Ja und dann hatte er mir ein paar so Dinge aufgezählt, woran ich sparen sollte. Und ich hatte gesagt, ich betrüge meine Kunden nicht. Ich habe Verantwortung, ich mache Lebensmittel. Er sagte, na ja, dann wirst du pleitegehen. Und ich sagte, dann gehe ich lieber pleite. Das war für mich eine moralische Frage. Dann hatten wir nur mehr vier Mitarbeiter, einschließlich meiner Frau. Die Schulden waren weg. Das Unternehmen war saniert.

Der Begriff der „handgeschöpften Schokolade“ kommt von Ihnen.

Irgendwann ist ein Wunder passiert. Ich hatte einen Auftrag bekommen, für eine Geburtstagsfeier 500 Tafeln Schokolade zu machen. Das war damals mein größter Auftrag ever, weil wir hatten vorher immer nur 20, 30 Stück Schokoladentafeln produziert. Da war mir eingeschossen, um Gottes willen, das ist ja ein unglaublicher Auftrag, das schaffe ich in den drei Tagen nicht, weil ich nur fünf, sechs Formen hatte. Dann habe ich im Möbelhaus Vorhangstangen gekauft. Ich habe mit Vorhangstangen zwei Leisten aufgelegt und ein paar Massen gerührt – das war etwas mit Kürbis und ein bisschen Marzipan und eine Zitronenmilchschokolade, und habe das übereinander geschichtet.

Damit war ich ziemlich schnell fertig. Ich habe das dann geschnitten, überzogen, eingepackt; mir war jedoch bewusst, dass das nicht das ist, was die Leute erwarten und bestellt hatten. Ich bin selbst hingefahren mit der Kiste, habe sie beim Hintereingang eingestellt und bin sofort wieder weggefahren, weil das ja nicht die Bestellung gewesen war. Und dann kam das Erstaunliche, das Wunder. Die Rückmeldung der Kundschaft: Die Leute waren so begeistert. Ich hatte mit diesem System Schokolade aufgeschichtet wie eine Papiermasse, handgeschöpftes Papier. Und somit war der Ausdruck „handgeschöpft“ entstanden.

Und das war der Moment, wo ich begriff, ich habe Tausende Möglichkeiten, um zu variieren, in Schichten. Ich wollte daraufhin im väterlichen Kuhstall eine Chocolaterie starten. Mein Vater war gar nicht gut auf mich zu sprechen; weil der Sohn Pleitier war, konnte er damals nicht mehr in die Kirche gehen. Dann haben wir aber doch im Kuhstall begonnen, total reduziert, mit einer Mitarbeiterin, die ist heute noch bei uns, inzwischen sind wir übrigens 240.

Ihre Kreationen werden nicht vorab verkostet?

Das ist das Problem beim Josef Zotter: Ganz dicht ist er nicht (schmunzelt). Mein Unternehmen gibt es seit 38 Jahren, ich liebe das Risiko, das Experiment: Die Rezeptur der Schokoladekompositionen kommt nur noch vom Papier. Wenn du die Rezeptur aufs Papier bringst und sie vorher nie probiert hast, den Katalog machst – und wenn die Verpackung und die Herbstkollektion dann rausgehen, dann wird das zum ersten Mal produziert. Da kannst du nichts mehr verändern.

Sie sind ein Schokoladenkomponist?

Das ist wieder ein neues Wort, Schokoladenkomponist. Wenn du jetzt eine geniale Komposition machst oder Rezeptur und wenn du die vorher probierst, dann passiert immer das Gleiche. Da wird zuerst auf Sicherheit geschaut und dann kommen ausgebildete Genuss-Sensorik-Architekten, und es ist absehbar, was dann passiert. Wenn du es vorher nicht weißt, ist das anders. Zum Beispiel die Mehlwürmer-Schokolade mit Orangen. Die Leute lieben das, solange sie nicht wissen, was es wirklich ist. Wenn die Person dann sieht, dass da Würmer drin sind, dann kann sie aber nicht mehr sagen, das ist grauslich, sondern sagt: Ich habe es gegessen – Das hätte ich mir gar nicht gedacht, wahnsinnig geil, und das möchte ich wieder probieren.

Monika Wogrolly traf Josef Zotter aus der Oststeiermark zum News Talk „On Top auf höchstem Niveau und mit Tiefgang“ am Dach des Grazer Hotels Daniel im LoftCube.

Wie in der Philosophie die phänomenologische Herangehensweise: Schauen, ohne zu bewerten.

So ist das auch bei karamellisierten Fischköpfen in Schokoladeform. Das war am Anfang eine der schwierigsten Schokolade-Kompositionen. Wir machten es mit Himbeeren und Kokos. Fisch und Kokos kennt man aus der asiatischen Küche. Und dann noch die Farbpsychologie: Rosa ist auch etwas, worauf die Menschen vertrauen und was sie gern essen. Viele glauben, das sei ein Gag. Ist es aber nicht. Wir haben die Elemente eines Schnitzels zerlegt und in einer Praline wieder zusammengebaut.

Ein ganz klein wenig Süßes kann Bitteres verschwinden machen – ein Zitat von Petrarca.

Ja und das ist ja das, was wir wollen. Wir haben jetzt gerade etwas ganz Ungewöhnliches in die Hand genommen. Einen Hanfjoint in Graspapier. Wie ein Joint gedreht. Aber in dem Fall ist es ja Hanfnougat. Die Hanfsamen haben kaum ein THC. Und daraus kannst du, wie mit Walnüssen oder Haselnüssen, Nougat machen.

Ich war 15 Jahre alt, ich habe in meinem Leben, glaube ich, fünf Zigaretten geraucht, davon waren zwei Joints. Das war damals halt als Schüler. Vom Rauchen ist mir schlecht geworden. Seitdem habe ich keine Zigarette und nichts mehr angegriffen in meinem Leben. Der Hanf ist bei uns ein ganz normales Genussmittel. Aber alles geschieht immer in Anspielung auf vertraute Reize, neu aufgetan. Den Kunden irgendwie mit Emotion abholen. Das ist ja wie mit der Rolex. Du brauchst es nur zu sagen, zu 99,99 Prozent wissen die Leute, was gemeint ist.

Herr Zotter, wer sind Sie als Mensch?

Ich bin ein Familienmensch. Ich liebe es, wenn meine Kinder am Tisch sitzen und gern gut essen und ich koche. Aber sonst habe ich schon oft gedacht, ich würde vielleicht auch gerne Handtücher produzieren.

Das ist ja schon wieder Business.

Mit Schokolade ist es leichter. Da zauberst du sehr oft ein Lächeln ins Gesicht. Das siehst du dann relativ schnell. Aber bei Handtüchern habe ich mir gedacht, das wäre vielleicht super. Kratzende Handtücher. Es gibt nur pudelweiche Handtücher. Ja, zum Beispiel. Man sagt so, wenn das Betttuch vielleicht ein bisschen kratzen würde, vielleicht wäre dann der Sex besser.

Was wäre Ihr Tipp für eine Liebesbeziehung, damit sie nicht bitter wird?

Da geht um ein Grundverständnis. Also bei mir war es schon auch so, die schlechten Zeiten haben uns richtig zum Liebespaar gemacht. Und zwar deswegen, weil wir natürlich Schwierigkeiten gehabt haben, und wir haben Kinder gehabt, wir haben echt kämpfen müssen, ja, aber wir haben uns echt geliebt, weil wir gesagt haben, gemeinsam schaffen wir das. Wir kriegen das hin und haben es auch hingekriegt. Und nicht bei jeder kleinsten Kleinigkeit in der Partnerschaft herumwörteln, „ich habe es dir eh gesagt und jetzt ist das so und jetzt bist du böse oder was“. Liebe ist Beständigkeit und man muss daran gerne gemeinsam arbeiten.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 23/25 erschienen.

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