Österreich ist kein Billigland. War es nie. Soll es auch nicht sein. Aber was, wenn die Preise steigen und das Gespür für den Gast schwindet? Wenn aus Selbstverständlichem eine kostenpflichtige Zusatzleistung wird? Es geht ums Geld. Um Erwartungen. Und um das Gefühl, dass sich etwas verschoben hat.
Der Vergleich macht sicher. Da gerät etwas ins Rutschen. Schönreden zwecklos. Die Rede ist von den mittlerweile astronomischen Preisen in der heimischen Gastronomie und Hotellerie. Es ist ein persönlicher Blick. Genährt von Erfahrungen. Keine belastbare Evidenz. Aber mehr als bloß ein Gefühl. Die Regel? Vielleicht. Gibt es Ausnahmen? Gewiss.
Aber wenn ein „großer“ Salatteller an einer Raststation mit 24 Euro zu Buche schlägt, darf man sich schon wundern. „Groß“ meint hier einen handelsüblichen Beilagenteller. „Groß“ ist nicht die Auswahl am Buffet. Es ist ein bisschen vor allem von jenen Dingen, die küchenfertig für die Gastronomie produziert werden. Wundern darf man sich erst recht, wenn ein vergleichbares Restaurant in der Schweiz – konkret: eine Filiale am Flughafen Zürich – für einen großen Salatteller „nur“ 19 Euro verlangt. Die Schweiz, einst Inbegriff des Hochpreislands, wird zum Schnäppchenparadies.
Auch der Mineralwasser-Vergleich zeigt: Eine große Flasche Pellegrino in einem besseren Lokal in Italien? Drei Euro. Ein Markenwasser in einem gehobenen Wiener Restaurant? 7,80 Euro. Der halbe Liter Rotwein in Italien? Fünf Euro. Das Achtel Weißwein am Donaukanal – serviert, im Plastikbecher einer bekannten Biermarke: knapp sechs Euro. Die Zitronenscheibe im Wasser einer spanischen Tapasbar? Versteht sich von selbst. Im Wiener Kaffeehaus dagegen wird sie separat geordert – und separat verrechnet: 90 Cent für ein Scheibchen. Was kommt als Nächstes? Ein Entgelt für die Toiletten-Benutzung?
Wert und Wahrheit am Teller
Auch die Diskussion darüber, was ein Schnitzel kosten darf, flammt regelmäßig auf. Hitzig geführt – mit stichhaltigen Argumenten und ebenso vielen fadenscheinigen Ausreden. Der Preis, heißt es, ergebe sich aus Angebot und Nachfrage, Produktqualität und Lage des Lokals. Ein weiterer, gern bemühter Satz: Essen sei in Österreich ohnehin viel zu billig. Preislich wie kulinarisch lebe man im Schlaraffenland. Was allerdings nichts daran ändert, dass sich das Leben spürbar – nein: drastisch – verteuert hat.
Und apropos Qualität: Ja, wir brauchen mehr Akzeptanz für gesunde, regionale und damit teurere Lebensmittel. Aber wer garantiert dem Gast, dass er tatsächlich beste Ware auf dem Teller hat? „Wo Österreich drinnen ist, muss künftig auch Österreich draufstehen“, verkündete einst Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und führte 2023 die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Milch und Eier ein – allerdings nur für Kantinen. Restaurants hingegen können, müssen aber nicht deklarieren.
Luxus light zum Vollpreis
Szenenwechsel: Hotellerie. Vier Sterne. Grazer Innenstadt. Die obligatorische Flasche Wasser am Zimmer? Fehlanzeige. Eine kleine gibt’s am Automaten in der Lobby. Für 4,50 Euro. Bodylotion? 6,50 Euro. Und die Duschhaube – dieses kleine, oft übersehene Plastikteil, das anderswo selbstverständlich im Bad liegt – hier um vier Euro am Automaten. Das Hotelmanagement findet den Preis „angemessen“. Anderes Hotel, gleiche Stadt: Wer früher einchecken will, zahlt 20 Euro. „Weltweit normal“, so die Rezeptionistin. Nein, ist es nicht, sagt die Vielgereiste. Ein Hotel am Wörthersee. Feinste Seelage, entsprechende Preise. Und die Chuzpe, den Gast am Abreisetag um Punkt 10 Uhr vor die Tür zu setzen. Der Seezugang? Selbstverständlich nicht weiter nutzbar. Zimmerpreis von 800 Euro für zwei Nächte hin oder her.
Österreich steckt in der Krise. Der letzte Platz im Wirtschaftswachstumsranking gehört derzeit uns. Konsum wäre ein Weg, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Doch was, wenn zwar Geld da ist, es aber lieber gar nicht oder anderswo ausgegeben wird? Weil man zwar versteht, dass vieles teurer geworden ist – Löhne, Energiekosten, Warenpreise –, man aber trotzdem keine Lust mehr hat, zu konsumieren? Weil man das Gefühl hat, über den Tisch gezogen zu werden. Weil allzu oft der Eindruck von Gier bleibt oder der Beigeschmack, dass einige ausprobieren, wie weit sie gehen können. Weil alles wegen dem „damit verbundenen Aufwand“ extra kostet: das Glas Leitungswasser, die Zitronenscheibe. Weil sich das Gefühl aufdrängt, dass die Balance und das Gespür für den Gast verloren gegangen sind. Weil das Personal teilweise schlecht ist. Ungeschult. Unmotiviert.
Österreich preist sich aus dem Markt. Mit aller Macht. Und in scheinbar großer Not
Restaurant- und Hotelbesuche werden zum Luxus. Sie finden seltener statt. Oder kürzer. Besser. Preiswerter. Woanders. Die Welt ist komplex. Die Herausforderungen real, die Lösungen selten einfach. Nur weil jemand regelmäßig zum Wirten oder in ein Hotel geht, heißt das nicht, dass er das Geschäft versteht. Aber ein Gespür – das darf man ihm nicht absprechen.
Und dieses Gespür sagt vielen: Es reicht. Der Gast kann sich entscheiden: für das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis, für mehr Selbstverständlichkeit im Service. Ein Urlaub in Italien, in Spanien – ja, sogar in der Schweiz – zeigt: Hierzulande läuft etwas schief. Österreich preist sich aus dem Markt. Mit aller Macht. Und in scheinbar großer Not. Sich gegen Österreich zu entscheiden, fällt schwer. Aber es wird leichter – mit jedem Plastikbecher, mit jeder läppischen Duschhaube um vier Euro.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 23/2025 erschienen.