Was Kaiser Franz Joseph gefühlt haben muss, als er die furchtbare Nachricht erhielt, lässt sich nur vermuten. Sein Sohn, Kronprinz Rudolf, und dessen heimliche Geliebte Mary Vetsera wurden erschossen aufgefunden. Der Sohn von Kaiserin "Sisi" soll sich zusammen mit seiner 17-jährigen Freundin das Leben genommen haben. Die unmittelbare Reaktion des Kaisers: Der tragische Vorfall muss vertuscht werden. Genau diese Vorgehensweise förderte den Mythos um Mayerling. Noch heute - 131 Jahre danach - wird gerätselt.

Was fasziniert die Menschen an der Frage, was in der Nacht vom 29. auf den 30. Jänner 1889 im Jagdschloss Mayerling, nahe Wiens, geschah? Sicherlich steht an erster Stelle die Geheimhaltung der Umstände zum Tode des Kronprinzen durch den Hof und Franz Joseph. Man sprach zuerst von Herzversagen, von einem Jagdunfall, um den – für Katholiken schrecklichen – Suizid zu verschleiern. Dieses Vertuschen förderte Gerüchte und ist die Grundlage der Legenden um Mayerling.
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Das sagen Historiker zum Fall "Mayerling"
Historiker sind fest davon überzeugt, dass Rudolf zunächst seine Geliebte und dann sich selbst erschossen hat. Weitaus schwieriger ist die Frage nach dem "Warum?". Ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater, seine hoffnungslos scheinende Lage, Einfluss auf die Politik zu bekommen, die Infektion mit einer Geschlechtskrankheit, seine gesundheitliche Situation, die durch Alkohol und Drogen gekennzeichnet war, haben wohl zusammengewirkt, um seinen Entschluss zur Ausführung zu bringen.

Die junge Frau, die er mit in den Tod riss, liebte der Kronprinz wirklich. Zwar musste Rudolf, wie zur damaligen Zeit üblich, eine arrangierte Ehe eingehen, doch die Gefühle seiner Geliebten berührten ihn tief. Er schrieb:
Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Pferderennen in der Freudenau. Mary sieht Rudolf das erste Mal aus nächster Nähe - der Beginn ihrer Leidenschaft: Nach einem schwärmerischen Brief an den Kronprinzen mit dem verwegenen Vorschlag, ihn treffen zu wollen, kommt es Anfang November tatsächlich zu einer ersten Begegnung im Prater. Das traurige Ende dieser Verbindung ist bekannt. Aber wie ging es danach weiter?
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Was nach der Tragödie geschah
Zutiefst betroffen vom Tod des Thronfolgers ließ Kaiser Franz Joseph das Anwesen in ein Kloster umbauen, in dem seither die Ordensschwestern der Karmelitinnen für die beiden Verstorbenen und alle Menschen in Not beten.

"Aus dem Ort der Tragödie ist ein Ort des Segens geworden", sagt die aktuelle Priorin Schwester M. Magdalena. Der Altar in der Kirche sei genau an der Stelle errichtet worden, an der man den verstorbenen Kronprinzen und seine Geliebte fand.
Vom Tatort zum Tourismusmagnet
Der historische Platz kann inzwischen auch von weltlichen Bürgern besichtigt werden. In einer modernen Ausstellung können Besucher in die Welt des Kronprinzen eintauchen und mehr zu den Begleitumständen der vielschichtigen Tat erfahren. Wie zu Rudolfs Zeiten präsentiert sich der Teepavillon des Kronprinzen, den dieser einst im Barockstil errichten und mit einem ornamentalen Deckengemälde verzieren ließ.

Darin kann man das Schicksal und die unschuldige Liebe von Baronesse Mary Vetsera nachspüren. Tragisches Detail: Ihr Leichnam wurde gleich nach dem Geschehen aus dem Jagdschloss geschmuggelt und heimlich bestattet. Mehr als 100 Jahre später, 1992, sorgte der Raub ihres Sarges erneut für großes Aufsehen. Für die Geschichtsschreibung in Österreich bleibt der Kronprinz nicht zuletzt wegen des "Geheimnisses" von Mayerling eine wichtige historische Figur.
Die Ausstellung
Die Ausstellung am Originalschauplatz in Mayerling, südwestlich von Wien, ist noch bis 31. März 2021 geöffnet. Die dort gezeigten Briefe, Dokumente, historischen Aufnahmen und verschiedenen Ausstellungsstücke spiegeln anschaulich das Leben und Sterben von Kronprinz Rudolf und seiner Geliebten wider.

Angemeldete Gruppen können den Karmel Mayerling auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten besuchen. Weitere Infos finden Sie auf der offiziellen Website.