Wer sind die "Schattenmänner" hinter Sebastian Kurz?

Wer sind die Leute, die mit Sebastian Kurz ins Kanzleramt gezogen sind und an den Schalthebeln der Republik sitzen? Dieser Frage ist der „Krone“-Journalist Klaus Knittelfelder in seinem Buch „Inside Türkis“ nachgegangen. Dazu hat er auch ausführliche Gesprächene mit den Beteiligten geführt - "unter Einhaltung aller journalistischen Kriterien. Weit entfernt von einem autorisierten Stück", so Knittfelfelder.

von
Politik - Wer sind die "Schattenmänner" hinter Sebastian Kurz?

News.at: Warum braucht es dieses Buch*, Herr Knittelfelder?
Klaus Knittelfelder:
Ich beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit dem „Kurz-System“ und finde es faszinierend, wie es in Partei und Regierung zu einer Art Machtverschiebung kam. Nämlich weg von der Macht der Fachminister oder Mandatare - hin zu einer, mehr oder weniger, totalen Machtkonzentration im Kanzleramt.
Wer sind die Leute, die mit Sebastian Kurz ins Kanzleramt gezogen sind und an den Schalthebeln der Republik sitzen? Wer sind diese Personen, die der Öffentlichkeit nicht großartig
bekannt sind? Wie funktioniert ein solches System, das auf eine Person bzw. auf sein näheres Umfeld zugeschnitten ist? Wie krisenfest ist es, wie wird es mit der Coronakrise
umgehen?
Zudem wollte ich mit einem Vorurteil aufräumen: Nämlich mit der Annahme, dass es sich bei den Personen rund um Kurz um eine hippe, liberale Truppe handelt.

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Bevor wir den „Maschinenraum dieser Politik“ - wie Sie ihn bezeichnen - näher beleuchten, erlauben Sie mir die Frage, was hat Sie im Zuge der Recherche am meisten überrascht?

Sei es nun in der externen, wie auch internen Kommunikation oder in der Organisationsstruktur an sich; in fast jeder Facette dieser Politik findet sich ein – vom Kanzleramt ausgehendes – Kontrollbedürfnis. Wie sehr sich dieser rote Faden durch alle Bereiche zieht, war auch in der Recherche sehr interessant.
Ebenso wie die persönlichen Geschichten hinter der türkisen Aversion gegenüber SPÖ und Großer Koalition.

»Die drei „politischen Lebensgefährten“ des Sebastian Kurz«

Nun also zu den Hauptakteuren. Sie benennen das Kapitel im Buch „Partie statt Partei – ‚Der Kurz Zirkel‘“. Wer gehört zu diesem Zirkel dazu?
Die wichtigsten Akteure sind im Grund die drei „politischen Lebensgefährten“ des Sebastian Kurz.

Eine zentrale Figur in diesem türkisen Kosmos ist zum einen Stefan Steiner. Obwohl er kein politisches Amt ausübt, hat er eine unglaublich wichtige Rolle inne: Er ist Chefstratege, Politikberater und Chefjurist in Personalunion.

Dann gibt es noch Gerald Fleischmann, den Kommunikationschef. Das Politmarketing, eine der großen Triebfeder des türkisen Erfolgs, geht zu weiten Teilen auf ihn
zurück.

Um Organisationsstrukturelle Angelegenheiten kümmert sich Axel Melchior. Der Parteigeneralsekretär ist ein enger Vertrauter von Kurz und zwar schon seit ihren gemeinsamen
Tagen in der JVP Innere Stadt.

Erst im Laufe der Jahre stieß auch noch Kabinettschef Bernhard Bonelli dazu, mit seinem Trauzeugen Kurz ist er aber auch schon seit 15 Jahren eng verbunden. Und um noch
ein vergleichsweise bekanntes Gesicht zu nennen: Gernot Blümel ist so etwas wie die Schnittstelle zwischen dem engen Kurz-Zirkel und der politischen Machtbasis des Kanzlers.

Wer gehört dem "Kurz-Zirkel" an?

Der Journalist hat sich die Akteure genauer angeschaut. Aus wem besteht das Team rund um den Kanzler? Auszüge aus dem Buch:

Stefan Steiner

"… geboren 1978, ist neben Sebastian Kurz die zentrale Figur im türkisen Universum und weicht seit 2011 nicht von seiner Seite. Der dreifache Vater hat keine politische Funktion
und agiert ausschließlich als Berater und Vordenker im Hintergrund. Wesentliche Rolle als »Satellit« in der Corona-Krise, steckt auch hinter der türkisen Migrationspolitik und Kassenschlagern wie dem Familienbonus"

Bernhard Bonelli

"… geboren 1983, ist Kabinett schef des Kanzlers, entwickelt dessen politische Inhalte und verhandelt sie federführend mit dem Koalitionspartner oder anderen politischen Playern. Ehemaliger Unternehmensberater, strenggläubiger Katholik und bald (Stand: April 2020) vierfacher Vater. Schlüsselspieler in der Corona-Krise."

Gerald Fleischmann

"… geboren 1973, ist der oberste Spindoctor des Kanzlers. Elementarer Kurz-Mann seit 2011, hat die massenmediale Kommunikation für die Türkisen revolutioniert, Stichwort
»Message Control«. Steckt hinter der häppchenweisen Verkündung politischer Maßnahmen wie in der Corona-Krise. Ex-Rocksänger."

Johannes Frischmann

"… geboren 1980, ist Chef-Pressesprecher der Türkisen und orchestriert tagtäglich den Außenauftritt der Regierung. Der dreifache Vater stieß als einer der wenigen von außen in den elitären Kurz-Zirkel vor. Kurz: »Unendlich fleißig.«"

Markus Gstöttner

"… geboren 1986, stieß erst 2017 zur Kurz-Partie, ist mittlerweile aber der wichtigste wirtschaftspolitische Vordenker und Netzwerker des Kanzlers. Ebenfalls Ex-Unternehmensberater, ebenfalls wirtschaftsliberal und streng katholisch."

Axel Melchior

"… geboren 1981, war immer da, wo Kurz ihn gerade als Organisator brauchte – und das seit 2010. Der vierfache Vater ist mittlerweile Generalsekretär der ÖVP, er managt Wahlkämpfe und die Partei bis hinunter zu den Bürgermeistern."

Was verbindet die von Ihnen genannten Personen?
In all ihren Unterschieden gibt es schon stark verbindende Elemente. Das ist beispielsweise die bereits genannte Aversion gegenüber der Großen Koalition. Zum anderen ein sehr stark ausgeprägter Wertkonservatismus. Der scheint sogar stärker ausgeprägt als unter so manchem ÖVP-Chef vor Kurz. Vor allem die inhaltlich relevanten Player haben teilweise
erzkonservative Denkansätze und sind der katholischen Kirche sehr stark zugeneigt. Ich möchte das nicht werten. Ich finde es nur wichtig zu wissen. Letztendlich eint sie auch ein extremer Arbeitsethos, der selbst für spitzenpolitische Verhältnisse hoch ist.

» Loyalität gegenüber der Person Sebastian Kurz«

Spielt da auch die von Ihnen viel erwähnte Loyalität eine Rolle? In ihrem Buch kam das Wort zahlreiche Mal vor…
Bestimmt.

Was bedeutet Loyalität in diesem Kontext?
Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Denn es ist schwierig, die türkise Idee von Politik zu konkretisieren und greifbar zu machen.
Selbstverständlich gibt es gewisse Leitlinien wie ausgeprägten Wertkonservativismus und wirtschaftsliberale Standortpolitik, aber im Grunde ist das ideologisch alles sehr flexibel. Daher liegt die Annahme nahe, dass es großteils eher eine Loyalität gegenüber Kurz selbst ist als gegenüber seiner konkreten Politik. Zudem darf man nicht vergessen, dass es sich hier mehr oder minder um einen Freundeskreis handelt. Der ganz enge Kreis rund um Kurz kennt sich seit vielen Jahren, manche fahren mit ihm gemeinsam auf Urlaub. Da tut man sich in puncto Loyalität natürlich schon viel leichter.

»Leute in seinem Umfeld, die Kurz „für etwas bewundert“«

Wie gelangt man eigentlich in den „Kurz-Zirkel“?
Das ist offenkundig sehr schwer. Ich nehme an, dass es sehr viele junge Konservative gibt, die dort mitspielen wollen
würden.
Im Buch habe ich anhand des Beispiels des Vizekabinettchefs und Wirtschaftsberater Markus Gstöttner zu skizzieren versucht, wie schwierig das ist, in diesen Kreis aufgenommen zu werden.
2013 hat Gstöttner zum ersten Mal angeklopft und sich beworben. Über vier Jahre haben Sebastian Kurz und Stefan Steiner sich immer wieder mit ihm getroffen und ihn in der
Warteschleife verweilen lassen. Kurz sagte in einem Gespräch, das für dieses Buch geführt wurde, dass er Leute in seinem Umfeld möchte, die er „für etwas bewundert“, die also
irgendetwas für ihn Nützliches sehr gut können.

Man könnte auch sagen, dass Sebastian Kurz ein exzellenter Personalchef ist.
Offenbar. Zumindest bei den Jobs, wo strategische Entscheidungen getroffen werden, und das scheint nicht immer in den Ministerbüros der Fall zu sein.

Würden Sie soweit gehen und den inneren Machtzirkel als „Schattenregierung“ zu bezeichnen?
„Schattenregierung“ klingt ein wenig mystisch. Aber eines kann man schon sagen: Große politische Entscheidungen wie Koalitionsfragen bis hin zu echten politischen Maßnahmen wie zum Beispiel dem „Familienbonus“ gehen einzig und allein zurück auf den im Buch beschriebenen Zirkel im Schatten des Kanzlers.

»Die Letztentscheidung trifft Kurz«

Was bedeutet das denn demokratiepolitisch, wenn ein solch kleiner Personenkreis, der der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, so viel Einfluss hat?
Das mag ich nicht beurteilen, das überlasse ich lieber den Experten, den Politikwissenschaftlern.
Was sich aber sagen lässt: Die realpolitische Macht dieser Personen ist insoweit begrenzt, als dass es doch noch Kurz ist, der die letzten Entscheidungen trifft.

Ein Begriff, der immer wieder in Verbindung mit der Regierung Kurz aufkommt, ist jener der „Message Control“. Was bedeutet das für Journalisten und Journalistinnen? Welche Aufgabe haben Medien in diesem Kontext?
Die Aufgabe von Medien ist die, die sie auch ohne „Message Control“ haben, journalistische Maßstäbe verändern sich dadurch ja nicht.
Zu weiten Teilen richtet sich die „Message Control“ aber ohnehin nach innen, es ist also vielmehr eine Disziplinierung der eigenen Leute in Partei und Regierung.

Was heißt das? Wie funktioniert diese Disziplinierung?
Hier spielt die angesprochenen Kontrolle eine entscheidende Rolle, ermöglicht auch durch den politischen Erfolg von Sebastian Kurz. Als Landeshauptmann ist man natürlich
weniger in Versuchung, sich auf Kosten der Parteispitze zu profilieren, wenn jemand an der Spitze steht, der effektiv die eigenen Wahlergebnisse im Land verbessert.

»Das System Kurz als Ganzes ist, meiner Ansicht nach, nicht exportierbar«

Ist das System Kurz eigentlich übertragbar? In ihrem Buch beschreiben Sie, wie die deutsche CDU, bei Türkis hospitiert, um zu lernen, wie man eine moderne Volkspartei erfolgreich managt.
Ich glaube nicht, zumindest nicht im Detail. Im Endeffekt ist das ja ein System, das über Jahre gewachsen ist. Zudem wird es auch sehr von den jeweiligen Personen getragen und man darf natürlich auch nicht die äußeren Einflüsse vernachlässigen.

Welche externen Faktoren sind das?
Die desaströse Situation, in der sich die ÖVP befunden hat, bevor Kurz an die Macht kam, oder der Generationenwechsel, der zu Gunsten von Kurz passiert ist. Natürlich kann man
einzelne handwerkliche Dinge kopieren, aber das System als Ganzes ist, meiner Ansicht nach, nicht direkt exportierbar.

Sie kommen in Ihrem Buch zu der Erkenntnis „Kurz steht nach jeder Krise besser da als zuvor.“ Ist die Coronakrise als Bewährungsprobe des türkisen Systems zu sehen?
Dass das System unter guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer teilweise strauchelnden Opposition funktioniert, haben wir gesehen.
Jetzt wird es spannend zu beobachten sein, ob dieses auf eine Person zugeschnittene System in der Coronakrise, in der aktuell für die Türkisen untypische Fehler passieren,
überfordert ist.
Wenn die Krise aber bewältigt wird, kann man sich die Frage stellen: Was soll die noch umhauen?

Zur Person

© lukas beck

Klaus Knittelfelder arbeitete nach seinem Studium in Graz und St. Pölten zunächst für die "Kleine Zeitung", ehe er ins Ressort Innenpolitik des "Kurier" wechselte. Von dort zog es ihn zur "Kronen Zeitung". Knittelfelder gilt als ein Kenner der neuen ÖVP.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

[Aus dem Archiv. Dieser Artikel wurde erstmals am 5.Juni 2020 veröffentlicht]

Kommentare

Sabrin777

Nackte Mädchen hier - https://bit.ly/3fDZohu

Hallo, ich finde es reicht!
Diese Truppe hat fertig.
Irgendwo muss man anfangen…

"Thomas Schmid ist untragbar!" bitte unterzeichnet die Petition hier:

https://mein.aufstehn.at/p/thomas-schmid-ist-untragbar

Dankeschön!

Valcatena melden

Graue EminenzInnen aus der Wirtschaft, die kontrollieren, was mit den Millionenspenden aus der Wirtschaft geschieht. Man will ja was haben für sein Geld.

Valcatena melden

Im Standard gab es kürzlich einen umfassenderen Artikel, da waren auch etliche Frauen aus seinem Umfeld dabei

Anton Aman
Anton Aman melden

BK Kurz Begleiter sind die gleichen Opportunisten, wie Kurz
selbst; zunehmend verblaßt der Stern von Kurz, weil die
Entscheidungen, im Besonderen Corona-Virus nicht das
Ergebnis bringen, was sie sollten; nicht die Bevölkerung ist
schuld, sondern die Maßnahmen, die nicht greifen und diese
trotzdem nicht wirksam geändert werden. Ergebnis, wir sind
weltmeisterlich in den Fallzahlen! Bravo!

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