Die Familie macht den Unterschied

Brooklyn Beckham, A. G. Sulzberger, Mark Mateschitz und Jane Fonda teilen das fancy Attribut: Sie sind Nepo-Babys, also Töchter und Söhne der Superreichen. Nackte Zahlen machen das Phänomen messbar. Die Boomer-Generation vererbt bald fünf Billionen Dollar.

von Brooklyn Beckham und Nicola Peltz Beckham © Bild: IMAGO/ABACAPRESS

Als Brooklyn Peltz Beckham vor Längerem im Eine-Million-Dollar-Sportwagen ein Event besuchte, erklärte er den Besitz des Luxusautos mit seinem Beruf. Er sei Koch, gab er als Quelle seines Lebensunterhalts an. Was er nicht dazu sagte, war, dass er keine Ausbildung als Koch absolviert hat. Dass ein Team von 62 Personen satte 100.000 Dollar für die Produktion einer Acht-Minuten-Episode seiner Kochshow "Cookin' with Brooklyn" verschlingt. Davor hatte sich der 24-Jährige als Fotograf versucht - und gleich einen hochkarätigen Bildband veröffentlicht. Ein namhafter Lichtbildner empfahl das Werk daraufhin allen weniger Selbstbewussten als Ermutigung: "Wenn ihr je an eurem Talent zweifelt, denkt einfach daran, dass dieses Buch erschienen ist."

Brooklyn Beckham und Nicola Peltz Beckham
© Getty Images/2023 Los Angeles Times Brooklyn und Nicola Peltz Beckham, Koch und Schauspielerin, Sohn eines Fußballstars, Tochter eines Hedgefondsmanagers

Seither ist dem Sohn von Fußballlegende David Beckham und Designerin und Spice Girl Victoria Beckham - gemeinsam laut Sunday Times Rich List 515 Millionen Dollar schwer - eine Topplatzierung sicher: Beckham gilt als Nummer eins aller Nepo-Babys.

"Er ist für die Küche, was die Spice Girls für die Musik waren. Nennt ihn ,Nepotism Spice'", ätzte die "New York Post". Den Begriff Nepo-Baby machten US-Medien in jüngeren Jahren als neues, sexy Schlagwort für Strukturen gebräuchlich, die so alt sind wie die Menschheit selbst. Früher nannte man diese Vetternwirtschaft. Dabei steht Nepo als Kurzform für Nepotismus und weist mit dem Zusatz "Baby" darauf hin, dass jemandem Reichtum, Status oder Karriere nur aufgrund familiärer Beziehungen zuteil wurde.

Hollywood und seine Nepo-Babys

Beckham befindet sich in bester Gesellschaft. Weitere Protagonisten finden sich in zunehmend erhöhtem Takt mit dem neuen Schlagwort konfrontiert. So Brooklyn Peltz Beckhams Ehefrau Nicola Anne Peltz Beckham, die als Schauspielerin für die Goldene Himbeere nominiert wurde und Tochter des 1,5 Milliarden schweren Hedgefondsmanagers Nelson Peltz ist. Oft hört den ungeliebten Begriff auch Lily-Rose Depp, bekannt als Tochter von Kino-Exzentriker Johnny Depp und Sängerin Vanessa Paradis und in der Hauptrolle des verstörenden Netflix-Desasters "The Idol". Zoë Kravitz, Tochter von Schauspielerin Lisa Bonet und Rockstar Lenny Kravitz, wurde das Attribut ebenso zuteil, nachdem sie an der Seite von Robert Pattinson in "The Batman" als Catwoman besetzt wurde. Genervt verdrehen in Interviews Jaden Smith (Sohn von Will Smith und Jada Pinkett Smith), Maya Hawke (Tochter von Uma Thurman und Ethan Hawke) und Dakota Johnson (Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson) die Augen, wenn wiedermal nach ihrer Meinung zum "Nepo Baby"-Phänomen abgefragt wird.

Besser als die Eltern

"Sie hat die Augen ihrer Mutter. Und deren Agentin", fasste das "New York Magazin" in seiner Titelgeschichte vor einem Jahr seine Analyse über Hollywoods Nepotismus zusammen. Dabei ist die gesellschaftliche Reproduktion eines Privilegs, die da ins hitzige Zentrum so mancher (Neid-?)Debatte rückt, nichts Neues. Nicht in Hollywood. Manches Ergebnis lässt indes den Start in Vergessenheit geraten.

Jane Fonda machte als Tochter von Oscarpreisträger Henry Fonda Karriere, Nicholas Cage als Neffe von Regiemeister Francis Ford Coppola, Liza Minelli als Tochter von "Zauberer von Oz"-Star Judy Garland, Ben Stiller als Sohn von Komiker Jerry Stiller, Angelina Jolie als Tochter von Jon Voight. Auch Jennifer Aniston, Kurt Russell, Gwyneth Paltrow oder Carrie Fisher sind Nepo-Babys. Manche änderten ihren Namen, um Familienbande zu verschleiern, etwa Nicolas Cage oder David Bowies Sohn Duncan Jones, der sich als Regisseur verdient machte. Sobald der Ruhm zum Wikipedia-Eintrag reicht, wird dennoch offensichtlich: Sind die Eltern blau eingefärbt und einen eigenen Eintrag wert, ist das Kind ein Nepo-Baby. Neu ist, dass der Begriff über die Entertainmentszene hinausgewachsen ist und in Wirtschaftsressorts für Schlagzeilen sorgt.

Jane Fonda
© BFA/Action Press/picturedesk.com Jane Fonda, Schauspielerin, Bürgerrechtlerin und Klimaschutzaktivistin, ist die Tochter von Hollywoodstar Henry Fonda
Sofia Coppola
© Kevin Winter/WireImage/Getty Images Sofia Coppola, Tochter von Francis Ford Coppola, ist Oscar-gekrönte Drehbuchautorin und Regisseurin

Neu: Die Business-Liste

Es gehe doch nicht darum, was man kann, sondern wen man kennt, zitierte "Business Insider" prägnant eine Volksweisheit zum Thema. Die weltweite Online-Wirtschaftsinstanz ließ sich zum Ranking der führenden Business-Nepo- Babys inspirieren.

Top in der Wertung etwa Lachlan Murdoch, ältester Sohn von Medien-Tycoon Rupert Murdoch. Der 52-Jährige ist seit vergangenem Herbst Vorsitzender der vom Vater gegründeten News Corp, zu der u. a. das "Wall Street Journal" gehört, sowie CEO der Fox Corporation und damit Boss eines Imperiums, dessen Wert "Forbes" auf mehr als 20 Milliarden Dollar schätzt. Auch der 54-jährige Vorstandsvorsitzende von Samsung Electronics Jay Y. Lee folgte 2022 seinem Vater und wurde mit elf Milliarden Dollar Vermögen zu Südkoreas viertreichster Person. Die 61-jährige CEO von Fidelity Investments, Abigail Johnson, mit 27 Milliarden Dollar die zweiundsiebzigstreichste Person der Welt, übernahm das Unternehmen von Vater Edward Johnson III.

Bei der "New York Times" ist mit Arthur Gregg (kurz A. G.) Sulzberger als Vorsitzender der New York Times Company bereits das vierte Mitglied der Familie in dieser Funktion. Der 42-Jährige übernahm 2021 vom Vater Arthur Ochs Sulzberger Jr.. Ein Jahr später übergab der Gründer des "Rolling Stone Magazines", Jann Wenner, an Sohn Gus Wenner als CEO. Der 59-jährige Geschäftsmann Shapoor Mistry kontrolliert seit dem Tod seines Vaters Pallonji 2022 dessen Infrastruktur-und Immobilienunternehmen und ist mit 31 Milliarden Dollar Indiens drittreichste Person.

A. G. Sulzberger
© Monica Schipper/Getty Images Arthur Gregg "A. G." Sulzberger ist als Vorsitzender der New York Times Company das vierte Familienmitglied in dieser Funktion

Zu den Milliardären, die im vergangenen Jahr ihr Vermögen geerbt haben, gehört auch Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz. Er wurde nach dem Tod seines Vaters im Oktober letzten Jahres zum viertreichsten Mann Europas. Der 31-jährige Mateschitz erbte 49 Prozent des Energy-Drink-Konzerns und ist nun laut Bloomberg 20,5 Milliarden Dollar wert.

Im Businessbereich lässt sich diese Entwicklung nach einer Studie der Schweizer Bank UBS in nackte Zahlen gießen. Eine Befragung unter Milliardären zeigte ein klares Bild. So wurde laut Studie 2023 erstmals mehr Geld durch Erbschaft verdient als durch unternehmerische Leistung.

Die insgesamt 53 Töchter und Söhne von Milliardären haben durch elterliche Zuwendungen mehr eingenommen als die 84 neuen Selfmade-Milliardäre. 150,8 Milliarden Dollar an Erbe stehen laut Untersuchung der Schweizer Bank 140,7 Milliarden an in Unternehmen verdienten Dollar gegenüber.

Benjamin Cavalli, Leiter des Bereichs Global Wealth Management Strategic Clients von UBS, erklärt die Trendumkehr, die die Studie belegt: "Die neuen Milliardäre, die in diesem Jahr in die Studie aufgenommen wurden, haben ihr Vermögen eher durch Erbschaft als durch Unternehmertum aufgebaut. Das ist ein Thema, von dem wir erwarten, dass es in den nächsten 20 bis 30 Jahren zunehmen wird, wenn mehr als 1.000 Milliardäre geschätzte 5,2 Billionen Dollar an ihre Kinder vererben." Die Zahl der Milliardäre in der Welt insgesamt ist laut UBS im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 2.544 gestiegen, während ihr Gesamtvermögen um neun Prozent auf zwölf Milliarden Dollar wuchs.

Die größten Vermögenszuwächse in den letzten zehn Jahren verzeichneten nach Angaben der Schweizer Bank diejenigen, die in Technologie und Gesundheitswesen investiert haben. Ob Erbe oder Nachfolge im Unternehmen, die Zahlen zeigen, dass die Unternehmer und Investoren der Babyboomer-Generation beginnen, ihr Vermögen an die Familie zu übergeben.

Business: Nepo-Babies von morgen

Der Trend verschafft den Nepo-Babys im Businessbereich in den kommenden Jahren regen Zuwachs. Absehbar sind die Neuzugänge in der Familie des derzeit laut "Forbes" mit 211 Milliarden Dollar reichsten Mannes weltweit, Bernard Arnault. Der 74-jährige Gründer und CEO des Luxuskonzerns LVMH hat seine fünf Kinder in beste Positionen gebracht. Tochter Delphine Arnault, 48, als CEO und Vorsitzende von Christian Dior, jener Marke, die größter Aktionär von LVMH ist, gilt gemeinsam mit Sohn Antoine Arnault, 46, Vorsitzender von Berluti, als aussichtsreichste Kandidatin für eine Nachfolge.

Bernard Arnault mit seinen Söhnen Jean
© Swan Gallet/WWD via Getty Images Bernard Arnault (2. v. re.), reichster Mann laut "Forbes"-Liste, mit seinen Söhnen Jean Arnault, Frédéric Arnault und Antoine Arnault (v. li.). Gemeinsam mit Tochter Delphine Arnault und Sohn Alexandre (beide nicht im Bild) gelten die Söhne als LVMH-Erben

Als namhafter Erbe in spe gilt auch Lorenzo Bertelli, der 35-jährige Geschäftsführer von Prada. Er ist der Sohn von Miuccia Prada, Enkelin des Gründers des italienischen Modehauses, und von Patrizio Bertelli, dem ehemaligen Co-Chef von Prada, deren Vermögen auf über zehn Milliarden Dollar geschätzt wird.

Ähnliches gilt für David Lauren, den jüngsten Sohn von Modemogul Ralph Lauren, der ein geschätztes Vermögen von zehn Milliarden Dollar hält. Sohn David ist Chief Brand and Innovation Officer im väterlichen Unternehmen und verheiratet mit der Enkelin von George H. W. Bush.

Die Milliarden der Babyboomer

Ob die Businessgranden, von Kindesbeinen an im Familienunternehmen gestählt, sich bald in Interviews mit dem neuen Mode-Attribut herumschlagen müssen? Wird der Erfolg in Zahlen statt Sympathien gemessen, fällt die Antwort jedenfalls leichter. Für die Stars der Entertainmentbranche war das trendige Phänomen die Feuerprobe der jüngsten Monate.

Gwyneth Paltrow bestand im "Guardian"- Interview mittelmäßig. Die Tochter von Schauspielerin Blythe Danner und Produzent Bruce Paltrow, die einst von Patenonkel Steven Spielberg in "Hook" neben Julia Roberts und Robin Williams eine ihrer wichtigen Rollen erhielt, gab sich einsichtig, aber wehleidig: "Als Kind von jemandem berühmten hat man Zugang zu Dingen, die andere nicht haben. Das Spielfeld ist nicht gleich. Aber ich habe wirklich das Gefühl, dass man, wenn man den Fuß in der Tür hat, doppelt so hart arbeiten und doppelt so gut sein muss. Die Leute warten darauf, sagen zu können, dass du nicht dazugehörst und nur wegen deines Vaters oder deiner Mutter hier bist."

© imago images/ZUMA Press Gwyneth Paltrows Patenonkel ist Regie-Star Steven Spielberg

Als rare Vertreterin der jungen Generation, die sich der Privilegien-Debatte einsichtig stellte, gab sich Maya Hawke. Die 25-jährige Tochter von Uma Thurman und Ethan Hawke, bekannt für ihre Darstellung von LGBTQ+-Charakteren wie Robin in "Stranger Things", sagte im Magazin "Rolling Stone":"Ich habe das Gefühl, dass die einzige Möglichkeit, mit diesem Privileg umzugehen, das dir definitiv massive Vorteile verschafft, darin besteht, dass du Chancen siehst, die du umsonst bekommst, aber weißt, dass sie nicht unendlich sein werden."

Maya Hawke
© MAGO / Pond5 Images Maya Hawke, Tochter von Uma Thurman und Ethan Hawke

Erfrischend direkt lässt sich Lourdes Leon, die als Tochter von Madonna die eigene Musik unter dem Namen Lolahol veröffentlicht, aus einem Interview mit "The Cut" zitieren: "Ich möchte das Gefühl haben, dass ich etwas verdiene und nicht nur etwas geschenkt bekommen habe. Natürlich habe ich ein unbestreitbares Privileg. Ich wäre dumm, würde ich es nicht erkennen. Nepo-Babys sind üblicherweise ziemlich schrecklich. Meine Mutter und mein Vater haben mich so erzogen, dass ich klüger bin als das."

Es gilt, was die New Yorker Autorin und Schauspielerin Jess Elgene den Privilegierten in der "New York Times" ausrichten lässt: "Sagt doch einfach: ,Ja, ich bin das Kind einer Berühmtheit und dankbar für die Möglichkeiten, die mir das eröffnet.' Es ist die Verleugnung dieses situationsbedingten Unterschieds, die stört."

Brooklyn Peltz Beckham könnte sich das ins Stammbuch schreiben. Oder er macht wie Model Hailey Bieber, Tochter von Schauspieler Stephen Baldwin und Nichte von Hollywood-Star Alec Baldwin, einen viralen Hit daraus: Sie ließ sich im T-Shirt mit dem Aufdruck "Nepo Baby" fotografieren, und die Welt liebte sie dafür.

150,8 Milliarden Dollar Erbe gingen laut der Studie der Schweizer Bank UBS an "Nepo Babys", Töchter und Söhne der Superreichen, und übersteigen damit erstmals das unternehmerisch erwirtschaftete Vermögen neuer Selfmade-Milliardäre (140,7 Mrd.).

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 1+2/2024.