Parteienfinanzierung:
Das staatliche Füllhorn

Die Debatte um Wahlkampfspenden verdeckt, dass die bei weitem wichtigsten Financiers der Parteien und ihrer Wahlkämpfe – allerdings ungefragt – alle Steuerzahler sind.

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Nationalratswahl - Parteienfinanzierung:
Das staatliche Füllhorn

NEOS fordern es seit 2013, Peter Pilz jetzt auch: Eine Halbierung der staatlichen Parteienfinanzierung. Schon 1986 forderten es auch die damals sich neu formierenden Grünen in ihrem Kurzprogramm zur Nationalratswahl 1986 (ließen diese Forderung nach ihrem Parlamentseinzug aber rasch stillschweigend fallen). Und natürlich forderte auch Jörg Haider in den 1990er Jahren eine Halbierung der staatlichen Parteienfinanzierung – im sicheren Wissen, dass keinerlei Gefahr bestand, dass diese Forderung auch umgesetzt würde. Man lernt daraus eines: die staatliche Förderung der Parteien ist offenkundig unpopulär (was auch am Tenor von Presseberichten über dieses Thema deutlich wird), und am häufigsten wird die Forderung von neuen Parteien erhoben, die eben noch nicht davon profitieren und/oder prinzipielle Kritik am bestehenden Parteiensystem zum Ausdruck bringen wollen. Und wie die Beispiele zeigen ist die Kritik eher unabhängig von der konkreten Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung: 2017 liegt die staatliche Parteienfinanzierung sowohl im Bund als auch in den Ländern fast genau dreimal so hoch wie 1986, die Inflationsrate seit 1986 lag bis 2016 hingegen nur bei 86%.

Eine Halbierung (oder gar eine weitgehende Streichung) der staatlichen Parteienfinanzierung würde SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne in eine existenzbedrohende Krise stürzen. Sie würde vor allem einen dramatischen Rückbau der bisherigen flächendeckenden Parteiorganisationen bedeuten, vor allem auf Landesebene. Und Wahlkampffinanzierung wäre (anders als bisher) dann tatsächlich zu einem Großteil auf Großspenden angewiesen. Weil als Großspender in erster Linie Unternehmen (bzw. wohlhabende Unternehmer) und Interessenverbände in Frage kommen, würde dies allerdings vorhandene Abhängigkeiten der Parteien stark verschärfen und natürlich vor allem Parteien mit „wirtschaftsnaher“ Programmatik begünstigen. Der Ratschlag, die Parteien könnten sich über Mitgliedsbeiträge und Kleinspenden finanzieren ist illusorisch, denn diese machen selbst bei SPÖ und ÖVP – die immerhin immer noch über eine Massenmitgliedschaft verfügen – nur einen Bruchteil aller Einnahmen aus. FPÖ und Grüne finanzieren sich derzeit sogar fast ausschließlich aus staatlichen Förderungen. Das Argument, dass die staatliche Förderung illegale Finanzierungswege überflüssig machen würde, galt lange Zeiträume übrigens trotzdem nicht, wie der am Beginn dieses Jahrzehnts aufgedeckte Telekom-Skandal nachdrücklich gezeigt hat (erst 2012 wurden dann nolens volens auch erweiterte Offenlegungsvorschriften im Parteiengesetz und ein schärferes Korruptionsstrafrecht beschlossen).

Warum sind die Parteien teuer?

Vor allem ÖVP und SPÖ haben flächendeckende Parteiorganisationen, die fast im gesamten Bundesgebiet bis ins kleinste Dorf reichen – das bringt ihnen zwar viel ehrenamtliches Engagement, aber auch Kosten. Die hautberuflichen Parteiorganisationen sind bis hinunter zur Bezirksebene meist gut ausgebaut. Dass sie sich das leisten können liegt an der staatlichen Parteienfinanzierung. Dass diese auf das heutige Ausmaß ausgebaut werden konnte, liegt daran, dass die Parteien – über ihre Abgeordneten im Parlament und den Landtagen – Entscheidungsträger in eigener Sache sind. Und obwohl diese schon immer unpopulär und seit den 1980er Jahren auch zunehmend Thema kritischer Presseberichte war, wog die periodisch immer wieder auftretende Finanznot der Parteien schwerer als die Scheu vor kritischen Schlagzeilen. Als beispielsweise ab Ende der 1980er Jahre SPÖ und ÖVP gravierend an Wählerstimmen verloren, was auch starke finanzielle Verluste (bei damals gleichzeitig hoher Verschuldung) bedeutet hätte, wurde dies umgehend mit starken Erhöhungen der Parteienförderung beantwortet (wodurch vor allem die FPÖ, aber auch die Grünen eine sehr solide Finanzierung erhielten).

Die Höhe der Parteienförderung

Die öffentliche Förderung ist auf allen Ebenen üblich, meist bis hinunter in das kleinste Dorf. In den Ländern ist sie sehr viel höher als im Bund. Sie umfasst auch nicht nur die Parteiorganisationen und die Parlamentsklubs, sondern auch viele ihrer Vorfeldorganisationen – von Subventionen für die Parteijugend bis hin zu Senioren-, Sport- und Freizeitorganisationen. Die Gesamtzahlen von Bund und Ländern nur für die eigentliche Parteienförderung und für die Parlamentsklubs lauten für 2017:

© Hubert Sickinger

Diese Aufstellung zeigt, dass der Bund zwar in absoluten Zahlen höhere Beträge an die Parteien und Klubs leistet als jedes einzelne Bundesland. Umgelegt auf die Zahl der Wahlberechtigten (also der eigentlichen Adressaten der Parteitätigkeit) sind die Parteisubventionen allerdings in jedem Bundesland sehr viel höher als auf Bundesebene.

Auffällig ist die sehr unterschiedliche Förderungshöhe auf Landesebene. Seit 2013 existiert zwar eine skurril anmutende verfassungsrechtliche Obergrenze: Bund, Länder und Gemeinden dürfen jeweils maximal 11 Euro pro Wahlberechtigtem auszahlen (es gilt auch eine Untergrenze von 3,1 Euro, falls überhaupt gefördert wird), die Länder dürfen durch Landesgesetz allerdings auch den „Gemeindeanteil“ ganz oder teilweise für sich in Anspruch nehmen. Wien, Oberösterreich und die Steiermark stießen 2012 tatsächlich bei ihrer Neuregelung an diese Obergrenze. Die Zahlen sind für die Parteienfinanzierung somit unvollständig bzw. für den Vergleich der Länder teilweise irreführend: Während in Wien die Zahlen für die Bezirksvertretungen in der Tabelle enthalten sind und in Oberösterreich die bisherigen Förderungen aus Gemeindehaushalten 2016 vollständig vom Land an sich gezogen wurden, muss in der Steiermark jede Gemeinde exakt fünf Euro pro Wahlberechtigtem an die Landesparteien (!) bezahlen, die diese Gelder wieder nach unten verteilen; die Stadt Graz hat zwischen 5 und 5,4 € pro Wahlberechtigten an die Stadtparteien zu bezahlen. In den anderen Bundesländern fließen (gesetzlich meist ungeregelt, aber üblicherweise durch Vereinbarungen der Landesparteien koordiniert) in nahezu allen Gemeinden ebenfalls mehrere Euro pro Wahlberechtigten. Außerdem ist in allen Landeshauptstädten bzw. Statutarstädten darüber hinaus eine zusätzliche Gemeindeförderung für die Gemeinderatsfraktionen (also nicht formal der Parteien) vorgesehen, und gerade auf kommunaler Ebene steht die Trennung zwischen die Trennung zwischen Partei und Gemeinderatsfraktion wohl häufig eher nur auf dem Papier (die Parteien dürfen Spenden ihrer Gemeinderatsfraktionen nicht annehmen). Ebenfalls nicht erfasst sind in einigen Bundesländern Förderungen des Landes für die Schulung von Gemeindepolitikern (in Oberösterreich z.B. 1,6 Millionen pro Jahr). In Wien wurde 2016 eine zusätzliche Förderung von 2,3 Mio. Euro für Bildungseinrichtungen der Parteien beschlossen (nur die NEOS nahmen den ihnen zukommenden Betrag aus Protest gegen diese zusätzliche Parteienfinanzierung nicht in Anspruch). Auch zweckgebundene Subventionen an Vorfeldorganisationen der Parteien fallen nicht unter das Limit der Parteienfinanzierung: Außerhalb der offiziellen Parteienförderung existiert also ein breites Feld parteipolitisch motivierter Förderungen.

Eine Förderung (fast) nur für Etablierte

Voraussetzung für den Zugang zur Parteienfinanzierung im Bund und im jeweiligen Bundesland ist die Vertretung im Nationalrat bzw. im jeweiligen Landtag, die Verteilung richtet sich entweder nach der Stimmenverteilung oder nach der Mandatszahl im Landtag (teilweise mit einem in Relation zum Gesamtbetrag geringen, für alle Parteien gleich hohen Sockelbetrag). Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind, haben nur auf Bundesebene und in Niederösterreich und Tirol Anspruch auf eine deutlich niedrigere Parteienförderung, allerdings nur im jeweiligen Wahljahr: Im Bund erhalten Parteien, die mindestens 1% der gültigen Stimmen erhalten haben, auf Antrag 2,50 Euro pro Stimme, allerdings maximal im Ausmaß ihrer belegbaren Wahlwerbungskosten (die von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt werden müssen). In Niederösterreich erhalten Partei mit einem Stimmanteil von mindestens 2% 4,50 Euro pro Stimme für ihre belegten Wahlwerbungskosten, in Tirol Parteien mit einem Stimmanteil von zumindest 2,5% 4 Euro pro Stimme (ohne Deckelung durch die Wahlwerbungskosten). Ansonsten wurden „Wahlkampfkostenerstattungen“ mit Ausnahme derer bei Europawahlen (zwei Euro pro Wahlberechtigtem, aufgeteilt nur auf die Parteien, die mindestens ein Mandat bei der Wahl erreichen) abgeschafft. Wie diese „Abschaffung der Wahlkampfkostenerstattung“ 2012 auf Bundesebene erfolgte, führte allerdings zu starker Kritik: zwar fiel diese zusätzliche Förderung seither weg, allerdings wurde ab Mitte 2012 die jährliche Förderung kurzerhand um die vorgeblich „abgeschafften“ 14 Millionen Euro erhöht (und zwar nicht anteilig verteilt auf eine Gesetzgebungsperiode, sondern jedes Jahr). Die „Abschaffung der Wahlkampfkostenerstattung“ erwies sich somit als deutliche Erhöhung der Parteienfinanzierung des Bundes.

Die Verteilung auf die Parteien

Da nur die direkte Parteienförderung für die Erhaltung der Parteiorganisation und für Wahlwerbung verwendet werden darf, enthält die folgende Tabelle nur diese Zahlen:

© Hubert Sickinger

Dieses Bild wäre allerdings sehr unvollständig. Zwar verbietet das Parteiengesetz den Parteien ausdrücklich, Spenden von Parlaments- und Landtagsklubs oder auch von den Parteiakademien anzunehmen. Diese Einrichtungen werden fast vollständig vom Staat finanziert, allerdings mit zweckgebundenen Subventionen: Sie sollen die parlamentarische Arbeit der Parlamentsklubs und Abgeordneten unterstützen und für eine bessere Waffengleichheit zwischen Parlament und Regierung sorgen. Und sie sollen im Falle der politischen Akademien (im Bund und in Wien finanziert auf gesetzlicher Basis, aber auch in Oberösterreich gibt es ähnliche Förderungen) politische Bildungs-, Schulungs- und Grundlagenarbeit ermöglichen (und eben nicht für pure Wahlpropaganda verwendet werden). Eine unzulässige Spende wäre ausdrücklich auch, wenn Klubs oder Parteiakademien Kosten für Wahlwerbung oder Organisationskosten (jenseits der ausdrücklichen gesetzlichen Zweckbindungen) selbst übernehmen würden. In der Praxis kommt dies mangels ausreichender Kontrollen allerdings dennoch immer wieder vor.

Aber auch ohne illegitime Querfinanzierung kommt die Tätigkeit der Parlamentsklubs und Parteiakademien legitimer Weise (und erwünschter Weise) natürlich der Gesamtperformance der jeweiligen Partei zugute. Daher zum Abschluss das Gesamtbild für die Bundes- und Landesebene (würde man es um die Förderung der kommunalen Parteien und Gemeinderatsfraktionen ergänzen, würden die Gesamtzahlen auf mindestens 230 Millionen steigen):

© Hubert Sickinger

Wahlerfolge haben jedenfalls kumulative Effekte, am stärksten sichtbar auf der Bundesebene: Neben weitgehend frei verwendbaren Zuwendungen für die Partei gibt es zusätzliche Mittel für den Parlamentsklub, wo von den Abgeordneten und Fachreferenten der Großteil der inhaltlichen Alltagsarbeit gemacht werden kann, und für die Parteiakademien, die für inhaltliche Arbeit, Vermittlung politischer Fertigkeiten für Mitglieder und Funktionäre, aber durchaus auch für partizipative Prozesse genützt werden können. In der Stadt/dem Land Wien findet sich mittlerweile eine ähnliche Struktur, da den Gemeinderatsklubs in beträchtlichen Ausmaß Personal der Gemeinde oder alternativ Geld zu deren Anstellung zur Verfügung gestellt wird (und es mittlerweile auch eigene Wiener Schulungseinrichtungen der Parteien gibt). Nicht zuletzt sind Mandatare in Parlamenten auch hauptberuflich für die Interessen der Partei tätiges Personal, das meist auch innerparteiliche Führungsfunktionen einnimmt. Insofern ist die Vertretung in Parlamenten – und zwar nicht nur im Bund, sondern als „Unterbau“ auch in den Ländern – der entscheidende Faktor für eine dauerhafte „Etablierung einer Partei.

Dass die Parteien insgesamt über viel Geld verfügen, sagt noch nichts aus über die konkrete finanzielle Situation jeder einzelnen Partei. Diese wird daher hier in den folgenden Wochen behandelt.