Birgit Reitbauer: Vom Steirereck zum Opernball

Patronin in Wiens Gourmettempel Steirereck. Visionärin beim Umbau am Pogusch. Und jetzt auch Mitglied im Opernball-Komitee. Birgit Reitbauer liebt frischen Wind. Ein Gespräch über die neue Aufgabe für die Oper, Unternehmertum und Yin und Yang.

von Birgit Reitbauer © Bild: Michael Rausch-Schott/News

Es sei einfach nicht abzusehen, was in drei Monaten sein wird, kommentiert Birgit Reitbauer die rund um den heimischen Ballkalender meistdiskutierte Frage. Ob es am 24. Februar in der Oper"Alles Walzer" heißen kann, wird seitens der Republik Österreich entschieden. Bis dahin arbeiten alle, um die Option auf einen glanzvollen Ballabend aufrecht zu erhalten, wie Operndirektor Bogdan Roščić erklärte. "Klar ist, dass der Ball nur stattfinden wird, wenn die Sicherheit aller gewährleistet ist", so Reitbauer. Die Steirereck-Patronin ist erstmals mit drei weiteren Expertinnen ihres jeweiligen Fachs als Mitglied des neuen Opernball-Komitees unterstützend tätig. - Ehrenamtlich und als Privatperson. "Wir sind ein gutes Team, in dem die Aufgaben auf mehrere Schultern aufgeteilt sind", so Reitbauer. Den Ballabend wird die 46-jährige dreifache Mutter als Gast besuchen. Zum ersten Mal ohne schlechtes Gewissen, das die Gastronomin in den fünf Jahren zuvor stets begleitete.

Die gebürtige Niederösterreicherin Birgit Reitbauer absolvierte eine Ausbildung an der Hotelfachschule Modul und studierte an der WU Wien. Seit 16 Jahren ist sie Patronin und Mitgesellschafterin im Steirereck Stadtpark, das zu den World's Best Restaurants zählt und von Gault &Millau mit vier Hauben bewertet wird. Mit ihrem Mann, Heinz Reitbauer, vielfach ausgezeichneter Koch, hat sie drei Kinder. Seit 2021 ist Mitglied im ersten Ball-Komitee der Wiener Staatsoper.

Frau Reitbauer, beschreiben Sie bitte Ihre Reaktion, als Sie ins Opernball-Komitee eingeladen wurden.
Zuerst ist man natürlich perplex und überrascht. Dann rattert es im Kopf: Schaffe ich das alles, Ball und Vollzeitjob unter einen Hut zu brinen? Und dann sagt man ja.

Wie darf man sich Ihre Aufgabe als Komitee-Mitglied konkret vorstellen? Inwieweit geht es um Beratung oder neue Ideen?
Natürlich geht es auch um neue Ideen, aber ich war bisher als Gast am Opernball. Einiges werden wir uns im Detail im Rahmen unseres ersten gemeinsamen Balls ansehen. Zuerst bin ich Bindeglied zwischen den Lieferanten und weiteren Partnern der Oper. Als Haus der Kunst ist die Gastronomie ja keine Kernkompetenz der Oper. Hier kann ich meine Erfahrung einbringen. Dabei bauen wir auf der guten Basis auf, die Maria Großbauer gelegt hat. Feinheiten, die man verbessern kann, gibt es immer. Ich denke da etwa an den Österreich-Fokus, den man intensivieren kann.

»Die Idee ist, dass das Komitee in den Hintergrund tritt und Platz für die Oper macht«

Der Abschied von der Opernballorganisatorin und die Einsetzung eines Komitees hat vor eineinhalb Jahren für viel Gesprächsstoff gesorgt. Verstehen Sie, dass manche "die Opernball-Lady" vermissen?
Es gab immer diejenigen, die diese Personalie sehr interessiert hat, und andere, die sie für überflüssig gehalten haben. Der neue Direktor wollte ja niemandem etwas wegnehmen, sondern den Fokus auf die Oper selbst legen, auf die Kunst und die Menschen, die dort arbeiten. Deshalb werden die Aufgaben nun auf mehrere Schultern verteilt. Die Idee ist, dass das Komitee in den Hintergrund tritt und Platz für die Oper und die Künstler macht.

Sie werden also am Opernball-Abend nicht als Gastgeberin in Erscheinung treten?
Nein! Wir werden natürlich alle vor Ort beobachten, welche Abläufe noch optimiert werden können. Aber vor allem wird auch das Komitee dort den Abend genießen.

Sie gehen als Gast zum Ball?
Genau! Bei mir kann man keinen Champagner bestellen. (Lacht.)

Wie oft waren Sie am Ball?
In meiner Jugend einmal und bei den letzten fünf Bällen. Es ist mir immer schwer gefallen, weil ich das eigene Geschäft ungern verlasse, wenn wir viele Gäste haben. Meinen Mann musste ich auch ein bissel überreden. Aber wir hatten jedes Mal einen außergewöhnlichen Abend. Am Ende gehst du zwar mit schmerzenden Füssen, aber einem Lächeln im Gesicht nach Hause.

Was ist es, das Sie trotz Pflichten im Steirereck zum Ball gelockt hat? Warum war dieser Abend wichtig?
Zum einen sind solche Abende für meinen Mann und mich wirklich selten. Zum anderen ist da die tolle Atmosphäre. Man erlebt die Oper, wie man sie sonst nie sieht. Man kommt in Bereiche, in denen sonst der Zugang nicht gestattet ist. Man sieht, wie vielschichtig das Haus ist. Das hat einen besonderen Reiz. Außerdem beeindruckt mich das internationale Gewicht des Balls. Viele reisen explizit für den Termin an, verbringen schon Tage davor in Wien und besuchen kulturelle Veranstaltungen und Restaurants. Das ist faszinierend.

Operndirektor Bogdan Roščić wurde kürzlich gefragt, ob es nicht eigenartig sei, dass die "Opernball-Lady" zwar abgeschafft wurde, das Komitee nun aber aus vier Frauen bestehe. Könnte man das nicht auch als positives Zeichen für die hohe Dichte an weiblichem Führungspotenzial interpretieren?
Er hat das Komitee bestimmt, nicht nach Geschlechterquote ausgesucht, und wollte keinem Mann dort einen Platz verwehren. Das ist ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Ich glaube, das wurde überinterpretiert.

Fürchten Sie Fragen zu Richard Lugner und seinem Ballgast ?
Überhaupt nicht. Ich kenne ihn als Gast im Steirereck und wunderbar höflichen Herrn. Er sorgt halt für viel Aufsehen. Dabei wird er in den Medien oft vorgeführt, was ich absolut nicht in Ordnung finde. Man kann jede Geschichte nüchtern erzählen oder ins Lächerliche ziehen. Bei ihm ist oft letzteres passiert, und das ist schade. Er hat interessante Menschen zum Ball gebracht, die danach international davon erzählt haben. So kann man das auch darstellen. Und er ist immerhin Donator, also Sponsor, und damit ein wichtiger Unterstützer des Offiziellen Freundeskreis der Wiener Staatsoper.

»Ich glaube fest, dass dich ein starkes Team durch Krisenzeiten tragen kann«

Das Steirereck rangiert auf Platz zwölf der World's Best Restaurants und Heinz Reitbauer auf Platz eins der 100 Best Chefs Austria. Wie ist es Ihnen und Ihrem Mann gelungen, in Krisenzeiten Spitzenleistungen aufrecht zu erhalten?
Wir haben in den Jahren davor in allen Bereichen des Hauses ein unfassbar starkes Team aufgebaut. Ich glaube fest, dass dich das durch schwere Zeiten tragen kann. Das Motto "in guten wie in schlechten Zeiten" gilt nicht nur, wenn man heiratet, sondern auch für Arbeitsbeziehungen. Das gilt für beide Seiten. Das Engagement, das viele Mitarbeiter seit Jahren für dieses Haus aufbringen, haben wir versucht, zurückzugeben, indem wir krisenbedingte Kündigungen vermieden haben. Zusammenzuhalten und das gemeinsam durchzustehen, war unser Ziel. Auch das ist wie in einer Beziehung: Was dich nicht teilt, schweißt dich zusammen. Von den Mitarbeitern ist danach in Phasen großer Arbeitsbelastung viel Einsatz zurückgekommen. Da haben sie durchgebissen. Wenn es grad nicht so rosig war, haben wir auch einmal am Abend ein Glasl gemeinsam getrunken und zusammen nach vorne geschaut. Das zeichnet unser Haus aus: dass wir in jeder Phase gemeinsam das Beste erreichen wollen. Daran glauben mein Mann und ich fest.

Das klingt sehr positiv. Haben Sie eine bleibende Erkenntnis aus der Krisenzeit gewinnen können?
Nun, das Konzept der Steirereck-Hauszustellung hat gezeigt, dass man erfolgreich sein kann, wenn man Ideen rasch und konsequent in die Tat umsetzt. Das hat wirtschaftlich ein bisschen etwas gebracht. Es war aber auch wichtig, weil es allen etwas zu tun gegeben hat. Wir sind ja damals von 150 auf null gelandet. Das kennen wir ja nicht, dass nichts zu tun ist. Es hat sich auch deutlich gezeigt, wie alleine du als Unternehmer dastehst. Damit meine ich, dass du nicht auf Hilfe von außen vertrauen kannst. Du musst selbst kreativ werden. Schnell reagieren. Schauen, was du verändern oder komprimieren kannst, um durch das Tief zu kommen. Nicht jammern. Unsere Familie hat immer darauf geschaut, ins Haus zu investieren und finanziell solide dazustehen. Diese Chance, etwas aufzubauen, hatten aber viele junge Unternehmer gar nicht, die es arg getroffen hat. Deshalb muss man, wenn diese Krise vorbei ist, genau hinsehen, was man tun kann, damit das Unternehmertum in Österreich nicht auf derart wackeligen Beinen steht.

Woran denken Sie konkret?
Da fällt mir als Erstes der Berg an Auflagen ein, die in der Gastronomie erfüllt werden müssen, der ein wahnsinnig hohes Investment erfordert. Und es gibt andere Beispiele: In Skandinavien lebt man ohne getrennte Toiletten -Mann, Frau, Behindertengerecht - gut. Es wäre möglich, manches zu vereinfachen, ohne dass Gäste etwas vermissen oder gar gefährdet würden. Dann könnten junge Unternehmer Kapital bilden und sich eine solide Basis für Krisenzeiten erwerben. Es gibt viel nachzuholen, um Österreich für Selbstständige attraktiv zu machen.

Einer Ihrer Lehrlinge, die Salzburgerin Paula Bründl, gewann die TV-Kochshow "The Taste". Was halten Sie vom Boom der Kochshows?
Sie war schon Kandidatin, als sie bei uns begonnen hat, und ich finde ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen beeindruckend. Solche TV-Shows haben in den letzten Jahren vielen Menschen das Kochen näher gebracht. Natürlich unterstützen diese Sendungen das Wissen über tolle Produkte und über die Arbeit und den Einsatz, der zu diesem Beruf gehört. Das ist nur zu unterstützen.

Bringt der TV-Boom auch verstärktes Interesse an gehobener Gastronomie?
Das denke ich schon, denn wer sich so etwas anschaut, muss ja eine Affinität zu gutem Essen und Trinken haben. Das bringt bestimmt der Gastronomie und auch den Produzenten etwas, weil ja Bewusstsein für Qualität geschaffen wird.

Ihr größtes Projekt zuletzt war die Neugestaltung des Steirereck am Pogusch. Der Ort, an dem Sie Ihren Mann kennengelernt haben, wurde zur visionären Gastro 3.0. Welche Idee steckt hinter dieser Neuerfindung?
Der Pogusch wurde 1996 eröffnet, und mein Mann und ich haben nach 20 Jahren begonnen, zu überlegen, wo die Reise hingehen soll. Für uns ist es ein magischer Platz, nicht nur in unseren Herzen. Wir wollten seine Besonderheit betonen. Heute haben wir dort eine Kreislaufwirtschaft umgesetzt, auch im Energiebereich. Wir haben zwei große Glashäuser, wo wir unter anderem hundert verschiedene frische Kräuter für die Küche anbauen. Die Köche schneiden frisch ab, was sie brauchen. Das sind rund 100 verschiedene Kräuter, von denen viele am regulären Markt gar nicht erhältlich sind. Für die Gäste ist das ein besonderes Geschmackserlebnis. Für die Mitarbeiter ist es förderlich, sich so nahe mit den Produkten auseinandersetzen.

Und es gibt atemberaubende neue Baumhäuser zum Übernachten.
Auch die wurden nachhaltig gebaut und natürlich in Österreich produziert. Mit all dem haben wir unserem Traum von Regionalität und Nachhaltigkeit noch nachgeschärft. Davor haben wir fünf Jahre lang über jede Ecke am Pogusch nachgedacht und keinen Stein am anderen gelassen. Auch das Wirtshaus haben wir völlig neu angedacht und umgebaut. Das gefällt nicht jedem, aber damit können wir leben. Man spürt insgesamt die Aufbruchstimmung, den frischen Wind. Das ganze Team hat eine wahnsinnige Freude in den neuen vier Wänden. Ich sag's ehrlich: Das macht sehr, sehr viel Spaß.

»Wenn der Weg bei allen Hürden ein gemeinsamer ist, hat man den richtigen Partner geheiratet«

Immer wieder gemeinsam Neues erschaffen. Das klingt ebenso aufregend wie anstrengend. Ist das privat ein Erfolgsrezept, wenn man als Paar im gemeinsamen Unternehmen arbeitet?
Natürlich kommt mit neuen Projekten auch Abwechslung und frischer Wind. Dabei gibt es viel nachzudenken und zu diskutieren und unterschiedliche Meinungen auszutauschen. Wenn man dabei weiß, dass man gemeinsam in die gleiche Richtung geht, ist das für die Beziehung wunderschön. Es beweist, dass man den richtigen Partner geheiratet hat, wenn der Weg - bei allen Hürden - ein gemeinsamer ist. Als wir mit dem Steirereck in den Stadtpark übersiedelt sind, hatten wir keine leichte Zeit. Aber wir haben nie unsere Beziehung hinterfragt. Ich glaube, jede Beziehung hat viele Grenzen, die sie über die Jahre auslotet. Und es ist schön, wenn man an jedem dieser Punkte erkennt, dass man den richtigen Partner hat.

Braucht es eine spezielle Diskussionskultur?
Ich bin Steinbock. Für mich ist sehr schwer, meinen Kopf nicht durchzusetzen. Mein Mann ist ein sehr besonnener Löwe. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Wir sind wie Yin und Yang. Er holt mich immer wieder vom Plafond runter. Das tut gut.

Sie haben Kinder im Alter von 18,15 und sechs. Was ist Ihnen als Eltern angesichts zukünftiger Herausforderungen wichtig?
Mein Credo war immer, ihnen gutes Benehmen und ein Wertekonzept vorzuleben. Ich wollte nie, dass man sagt: Das sind die Reitbauer-Kinder, die sich nicht benehmen können. Bitte, Danke, Grüß Gott, Auf Wiedersehen. Das klappt schon mal. Medientechnisch ist unsere Zeit natürlich eine riesige Herausforderung, weil die Jugend Ablenkungen in einem Ausmaß erlebt, das uns fremd ist. Wir haben unsere Kinder diesbezüglich geschützt. Unser Fernseher war zum Beispiel lange mit einem Code gesperrt um hier ein bisschen Kontrolle zu behalten. Aufstehen und in der Früh den Fernseher einschalten gab es nicht.

Trifft man die Reitbauers nach dem Opernball beim Würstelstand?
Wir essen die Käsekrainer zu Hause. Aber nur, weil ich nach dem Ball in den Schuhen nicht mehr stehen kann!

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (47/2021) erschienen.