Meine Stieftochter
will mich loswerden

Vater und Mutter haben einen klaren Schlussstrich unter ihre Beziehung gezogen. Einem neuen Partner steht damit nichts mehr im Wege. Was für die in Trennung lebenden Elternteile klar sein mag, stößt beim gemeinsamen Kind möglicherweise auf Protest. Eine Beziehungskonstellation wie diese kann vor allem Jugendliche herausfordernd sein. Wie meistert man diese schwierige Situation? Der Paartherapeut Dr. Christian Gutschi steht Rede und Antwort.

von Beziehungsfrage - Meine Stieftochter
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Mein neuer Freund hat eine Tochter, die bereits in der Pubertät ist. Sie versucht uns immer wieder gegeneinander auszuspielen. Wenn ich das meinem Freund sage, tut er es ab und stellt sich auf ihre Seite.

"Die Pubertät ist eine Phase der Ablösung von den Eltern und der Neubildung der eigenen Identität", erklärt Gutschi. Während dieser Phase loten die Kinder verstärkt ihre Grenzen aus. Wie weit können sie gehen? Und an welchem Punkt wird ein Riegel vorgeschoben? "Das liegt ganz einfach im Wesen der Pubertät", die, wie ja gemeinhin bekannt ist, an sich schon die eine oder andere Herausforderung mit sich bringt. Richtig schwierig kann es dann werden, wenn einer der Elternteile einen neuen Partner hat. "Der neue Partner wirkt für manch Jugendlichen wie ein Eindringling ins bestehende Familiensystem", veranschaulicht der Experte.

»Der neue Partner wirkt für manch Jugendlichen wie ein Eindringling«

Was also macht man mit dem Eindringling? Man versucht ihn so schnell als möglich wieder loszuwerden. Hierfür bildet das Kind Allianzen - in dem Fall mit dem Vater. Die Tochter versucht ihn auf ihre Seite zu ziehen, um gegen das fünfte Rad am Wagen, die neue Partnerin, vorzugehen. "Jugendliche können hier sehr erfindungsreich und geschickt sein. Oft steckt da auch eine enorme Kraft dahinter. Das darf man nicht unterschätzen", warnt der Psychologe. Die Jugendliche will mitmischen. Und das nicht ohne Grund, ist eine Situation wie diese für sie mitunter doch emotional sehr aufwühlend und folglich schwer zu bewerkstelligen.

Klare Grenzen setzen

"Da spielen natürlich viele Gefühle mit hinein", sagt Gutschi. Möglicherweise fühlt sich die Jugendliche dazu verpflichtet, ihrer Loyalität der Mutter gegenüber Ausdruck zu verleihen. Möglicherweise versucht die neue Partnerin auch in die Rolle der Mutter zu schlüpfen. Keine gute Idee, wie der Experte anmerkt. Denn: "Eine neue Partnerin hat bei einer Pubertierenden in Wahrheit keinen Auftrag". Was so viel bedeutet, wie dass hier der leibliche Elternteil, also der Vater, aktiv werden muss. Seine Aufgabe ist es, der Tochter klipp und klar zu vermitteln, wo die Grenze liegt. Sowohl ihren eigenen Freiraum als auch die väterliche Beziehung betreffend.

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Was darf die Tochter? Was nicht? Welche Angelegenheiten gilt es mit dem Vater zu klären? Was kann sie mit seiner neuen Partnerin besprechen? Und inwieweit darf sie sich in die Beziehung einbringen? "Klarheit ist hier ganz wichtig", betont Gutschi. Zudem gilt es, Stellung zu beziehen. Was für einen von der Kindsmutter getrennt lebenden Vater, der der Tochter gegenüber möglicherweise Schuldgefühle hat, nicht immer so leicht ist. "Dass sich der Vater auf die Seite des Kindes stellt, ist nachvollziehbar. Der Beziehung dienlich ist es aber nicht. Denn zeigt man sich mit einer Person loyal, fühlt sich die andere automatisch zurückgewiesen."

Einigkeit demonstrieren

Ein Großteil der Verantwortung liegt also in den Händen des Vaters, was aber noch lange nicht heißt, dass die Partnerin tatenlos zusehen muss. Zum einen kann sie die Problematik, solange sie besteht, immer wieder aufs Tapet bringen. Dabei empfiehlt es sich, den Fokus auf die eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen zu richten. Zum anderen darf und soll sie der Jugendlichen ihre eigenen Grenzen aufzeigen. Bis zu einem gewissen Grad sei es zwar zu tolerieren, dass die Pubertierende die väterliche Beziehung infrage stellt - schlicht und einfach, weil das Teil ihrer Entwicklung ist. Die Betonung liegt aber auf "bis zu einem gewissen Grad".

»Zeigt man sich mit einer Person loyal, fühlt sich die andere automatisch zurückgewiesen«

Will man der Gefahr vorbeugen, dass die Jugendliche die beiden Erwachsenen gegeneinander ausspielt, brauche es natürlich auch eine klare Vereinbarung zwischen diesen. "Die Partner müssen sich im Vorfeld gut absprechen, was genau sie dem Kind vermitteln wollen", erklärt der Paartherapeut. Wie weit darf das Mädchen gehen? Wo setzen der Vater und seine neue Partnerin ihre gemeinsame Grenze an? Um von der Jugendlichen als Paar anerkannt zu werden, schadet es schließlich auch nicht, nach außen hin Einigkeit zu demonstrieren.

Sie haben eine Frage an den Experten? Schreiben Sie mir bitte: vakaj.klara@news.at

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Dr. Christian Gutschi ist Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe. Einer seiner beruflichen Schwerpunkte liegt auf der Paar- und der Sexualtherapie. Darüber hinaus arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen und ist als Lektor an der FH Kärntnen für Gesundheitsmanagement tätig.

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