Offene Beziehung: Er will, sie nicht. Was tun?

Was tun, wenn der Partner eines Tages den Wunsch nach einer offenen Beziehung äußert? Der Paartherapeut Dr. Christian Gutschi gibt Antwort.

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Dr. Christian Gutschi ist Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe. Einer seiner beruflichen Schwerpunkte liegt auf der Paar- und der Sexualtherapie. Darüber hinaus arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen und ist als Lektor an der FH Kärntnen für Gesundheitsmanagement tätig. Hier geht es zu seiner Homepage.
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Ich bin schon seit einigen Jahren mit meinem Partner zusammen. Nun hat er mir gesagt, dass er gerne eine offene Beziehung führen will. Für mich ist das keine Option. Ich will ihn aber auch nicht verlieren. Was soll ich tun? (Michaela P., 36)

"Wie haben sich die beiden kennengelernt? Was war es, was sie damals aneinander anziehend fanden? Und vor allem: Wie würden sie - unabhängig voneinander - ihre Beziehung heute bewerten?", fragt Gutschi, der hinter dem Wunsch des Mannes nach einer offenen Beziehung eine Sehnsucht, möglicherweise auch eine Unzufriedenheit ortet. "Warum möchte er gerade jetzt eine offene Beziehung? Oder hat er diesen Wunsch schon immer gehegt und ihn sich bis dato nur nicht zu stellen getraut? Und inwieweit hat er etwas mit der Beziehung an sich zu tun?" All diesen Fragen gelte es auf den Grund zu gehen, was der Mann entweder im Alleingang oder zusammen mit seiner Partnerin tun kann.

»Eine offene Beziehung kann vieles bedeuten«

"Ich vermute, ein Teil der Antworten wird sich im Vorleben des Mannes finden lassen", so der Psychologe. Vielleicht handelt es sich bei seiner Partnerin um seine erste Freundin und er möchte auch noch andere Frauen kennenlernen. Vielleicht geht es ihm aber auch nur um Sex. Womit wir auch schon bei der nächsten Frage wären: Was erwartet sich der Mann von einer offenen Beziehung? Und was versteht er überhaupt unter einer solchen? Diesen Aspekt gilt es laut Gutschi genau zu beleuchten. "Eine offene Beziehung kann vieles bedeuten. Meistens ist damit aber gemeint, dass man mit einem Menschen zusammenleben und hin und wieder Sex mit anderen haben möchte."

Was ist erlaubt? Was nicht?

Und dann wäre da noch die Frage: Soll sich die Frau überhaupt auf ein derartiges Beziehungsmodell einlassen? "Wenn er unbedingt eine offene Beziehung und sie ihn nicht verlieren will, sollte sie sich überlegen, ob sie ihn nicht doch etwas ausprobieren lässt." Immerhin sei dieses Beziehungsmodell ja nicht von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Zuvor müsse aber geklärt werden, was genau sich der Mann und was sich die Frau unter einer offenen Beziehung vorstellt, was das für jeden einzelnen und was es für die Beziehung bedeutet. "Ein Thema wie dieses wird für die beiden alleine nicht so leicht zu bewältigen sein." Es empfiehlt sich, Hilfe von außen zu holen. Etwa in Form einer Paarberatung.

»Wenn sie ihn nicht verlieren will, sollte sie sich überlegen, ob sie ihn nicht doch etwas ausprobieren lässt«

Therapeutisch begleitet werden sollte dann die Umsetzung, der stets eine klare Vereinbarung vorausgehen sollte, an die sich dann auch beide Partner halten müssen. Was ist erlaubt? Und wo ist die Grenze? Geht es dem Mann lediglich um Sex, beispielsweise um das Ausleben sexueller Praktiken, die die Frau schlichtweg ablehnt, könne man zum Beispiel kommerzielle Angebote in Anspruch nehmen. "Das muss man aber ganz klar vereinbaren", betont der Paartherapeut. Je konkreter schließlich die Spielregeln, desto höher die Chance, dass dieses Beziehungsmodell auch tatsächlich funktioniert.

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