Eine aktuelle Studie analysiert Offshore-Strategien von Eliten in 65 Ländern. Sie zeigt, wie politische Bedingungen wie Korruption und Rechtsstaatlichkeit die Wahl von Offshore-Zentren beeinflussen – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Der Umgang wohlhabender Eliten mit Offshore-Finanzzentren wird seit Jahren intensiv diskutiert, da diese oft dazu dienen, Vermögenswerte zu verstecken, Steuerverpflichtungen zu umgehen oder Geldwäsche zu erleichtern. Eine aktuelle Studie von Forschern der Dartmouth University bringt nun erstmals systematische Erkenntnisse darüber, wie politische Faktoren in den Herkunftsländern von Eliten deren Offshore-Strategien prägen.
Die Untersuchung, veröffentlicht im Fachjournal PLOS One, basiert auf einer umfangreichen Datenanalyse von fast 3.000 vermögenden Personen aus 65 Ländern, darunter Milliardäre, Oligarchen, Prominente und politische Führungskräfte. Die Forscher kombinierten öffentliche Daten aus der Offshore Leaks Database des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit dem Rule of Law Index des World Justice Project, der die Rechtsstaatlichkeit und Governance-Qualität von Ländern bewertet.
Fokus auf objektive Verhaltensdaten
Mittels Machine Learning und sozialer Netzwerkanalyse ermittelten die Wissenschaftler verschiedene Dimensionen des Offshore-Verhaltens: Wie stark Eliten ihre Identität verschleiern, wie viel Vermögen sie ins Ausland transferieren, wie stark sie ihre Vermögenswerte geografisch streuen und inwieweit sie sogenannte „blacklisted jurisdictions“ – Offshore-Zentren, die auf internationalen Sanktionslisten stehen und besonders intransparent sind – nutzen.
Die Analyse verzichtete bewusst auf Expertenmeinungen und fokussierte sich auf objektive Verhaltensdaten.
Drei Offshore-Strategien mit politischem Hintergrund
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Verhalten der Eliten in drei klar differenzierbare Strategien gliedert – eng verknüpft mit der politischen Situation in ihren Heimatländern:
„Konfetti-Strategie“ (Diversifikation):
Eliten aus autoritären Ländern, in denen politische Repression droht, verteilen ihr Vermögen breit über viele Offshore-Zentren, um das Risiko von Enteignungen oder staatlicher Einflussnahme zu verringern. Die Vermögenswerte werden also wie Konfetti gestreut. Beispiele hierfür sind Länder mit repressiven Regimen, wo das Vertrauen in staatliche Institutionen gering ist.„Verschleierungs-Strategie“ (Anonymisierung):
In Ländern, in denen Eigentum zwar rechtlich geschützt, aber die politische oder wirtschaftliche Umgebung instabil ist – etwa aufgrund mangelnder Bürgerrechte oder strenger Regulierung – setzen Eliten vor allem auf Verschleierung. Dazu gehören die Nutzung von Inhaberaktien (bei denen der Eigentümer nicht im Register eingetragen ist) oder von Nominees, die als Treuhänder fungieren. Besonders häufig werden dabei Offshore-Zentren genutzt, die auf schwarzen Listen stehen, wie die British Virgin Islands oder die Cayman Islands.„Hybrid-Strategie“ (Diversifikation und Verschleierung):
In Staaten mit mittlerer Governance-Qualität, die sowohl Risiken von Korruption als auch von Enteignung bergen, kombinieren Eliten beide Strategien. So streuen sie ihr Vermögen breit und schützen gleichzeitig ihre Identität.
Überraschungen bei Eliten aus demokratischen Ländern
Entgegen der Erwartung, dass vor allem Eliten aus korrupten oder autoritären Staaten Offshore-Systeme nutzen, zeigt die Studie, dass auch Personen aus gut funktionierenden Demokratien – etwa Dänemark oder Österreich – zu teils aufwändigen und riskanten Mitteln greifen, um ihr Vermögen zu verschleiern. Diese Nutzung der Offshore-Systeme erfolgt trotz der mitunter hohen Kosten und Risiken, die mit Transaktionen in schwarzen Listen verbunden sind.
Das Forschungsteam führt dies auf komplexe Anreize zurück, die über politische Unsicherheiten hinausgehen, darunter Steueroptimierung und Schutz vor öffentlicher Aufmerksamkeit.
Regionaler Fokus: Anteil der Vermögen in schwarzen Listen
Die Studie zeigt deutliche Unterschiede je nach Herkunftsregion: Eliten aus Peru, Thailand, Indonesien und Malaysia lagern zwischen 70 und 90 Prozent ihres Offshore-Vermögens in schwarzen Listen. Im Gegensatz dazu sind es in Mexiko, Brasilien, Russland, Indien und China „nur“ rund 30 Prozent.
Singapur stellt einen Sonderfall dar: Obwohl das Land als korruptionsfrei gilt, ist die Beteiligung an schwarzen Offshore-Zentren relativ hoch. Dies wird mit einem geringen Maß an zivilgesellschaftlichem Engagement und Regulierung erklärt.
Sanktionen gegen Vermögensverwalter und Dienstleister am effektivsten
Die Autoren heben hervor, dass das Offshore-System eine Schattenfinanzwelt bildet, die den Interessen der Eliten dient, häufig zu Lasten der Steuerzahler in den Herkunftsländern. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, regulatorische Maßnahmen anzupassen: Statt einzelne Oligarchen zu sanktionieren, sollte der Fokus verstärkt auf die Vermögensverwalter und Dienstleister gerichtet werden, die solche Strukturen ermöglichen.
„Unser Ziel war es, ein quantitatives Bild zu zeichnen, das ausschließlich auf dem tatsächlichen Verhalten der Eliten basiert, ohne Experten-Interpretationen“, erklärt Herbert Chang, leitender Autor der Studie. Co-Autorin Brooke Harrington ergänzt: „Die Muster zeigen, dass das Phänomen der Offshore-Nutzung kein rein politisches, sondern auch ein soziales und ökonomisches ist – selbst in stabilen Demokratien.“
Mathematiker und Informatiker Daniel Rockmore, ebenfalls Co-Autor, betont: „Unsere Ergebnisse sollen Entscheidungsträger unterstützen, die Finanzflüsse besser zu kontrollieren und damit Steuerausfälle zu verhindern.“
Die Studie baut auf früheren Untersuchungen auf, die zeigten, dass Sanktionen gegen Offshore-Vermögensverwalter aus Ländern wie Russland oder China effektiver sein könnten als gegen einzelne Oligarchen. Die neuen Erkenntnisse könnten nun helfen, politische Maßnahmen gezielter und auf fundierter Datenbasis zu entwickeln.