Eine neue Studie der Bayes Business School zeigt: Wer Übernahmen in Zeiten geopolitischer Unsicherheit strategisch klug angeht, kann nicht nur Schnäppchen machen – sondern auch sein Unternehmen resilienter und zukunftssicherer aufstellen.
Von außen betrachtet ist das Umfeld für Fusionen und Übernahmen derzeit denkbar ungünstig: Der Ukrainekrieg zieht sich, die Spannungen im Nahen Osten nehmen zu, fiskalische Löcher klaffen in westlichen Volkswirtschaften, und in den USA droht Donald Trump mit einem neuen Zollhammer. Doch genau darin liegt laut einer aktuellen Studie der renommierten Bayes Business School eine bislang wenig genutzte Chance für wagemutige Deal-Maker.
„Übernahmen können eine strategische Absicherung gegen politische Risiken darstellen“, sagt Studienautorin Dr. Valeriya Vitkova, Senior Lecturer für Corporate Finance. Und meint damit: Wer sich nicht einschüchtern lässt, kann Konkurrenten überholen – und Unternehmen günstig erwerben, deren Eigentümer angesichts des geopolitischen Dauerbebens zögern.
Kalkuliertes Risiko
Das Forscherteam hat 3.079 M&A-Transaktionen in den USA zwischen 2002 und 2019 untersucht – mit besonderem Augenmerk auf die politischen Rahmenbedingungen. Das zentrale Ergebnis: Politische Unsicherheit beeinflusst nicht nur die Entscheidung, ob ein Deal überhaupt zustande kommt, sondern auch dessen Struktur, Finanzierung und letztlich den Erfolg nach der Integration.
Cash ist out, Aktien sind in
Ein Muster zeigt sich besonders deutlich: Unternehmen, die Käufe mit Aktien statt Bargeld finanzieren, fahren bei politisch heiklen Bedingungen besser. Sie sichern sich dadurch nicht nur einen finanziellen Puffer für unvorhersehbare Entwicklungen – sie binden auch Verkäuferseite und Führungskräfte stärker an den langfristigen Erfolg. Ein Schulterschluss auf Augenhöhe, mit gemeinsamem Risiko und gemeinsamen Chancen.
Politikschock? Kein Problem
Moderne M&A-Profis, so die Studie, arbeiten mit neuen Vertragsmodellen, die Risiken aktiv zwischen Käufer- und Verkäuferseite aufteilen – und mit sogenannten Policy-Shock-Dashboards, die politische Veränderungen in Echtzeit aufzeigen. So lassen sich Auswirkungen auf Lieferketten, Steuerfragen oder arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen entwickeln.
Backups für den Ernstfall
Empfohlen wird ein umfassendes Set an Backup-Plänen: für Logistik, Finanzen und rechtliche Konstruktionen. Denn die Integration scheitert laut den Autoren oft nicht an der Strategie, sondern an regulatorischen Hürden, plötzlichen Gesetzesänderungen oder falsch eingeschätzten politischen Systemen. Beispiele wie der gescheiterte Synopsys-Ansys-Deal zeigen, wie fragil scheinbar solide Vorhaben sein können.
Weniger Rendite, mehr Relevanz?
Zugegeben: Im Schnitt lagen Rendite und Synergieeffekte bei Übernahmen in politisch unsicheren Umfeldern jeweils um ein bis drei Prozentpunkte unter jenen bei stabilen Zielunternehmen. Doch genau darin sehen die Autor:innen eine versteckte Stärke: Wer es dennoch schafft, wird vom Markt als besonders resilient, risikobewusst und vorausschauend wahrgenommen – ein Vertrauensvorsprung, der sich langfristig oft stärker auszahlt als kurzfristige Gewinnmargen.
Fazit: M&A ist kein Schönwettergeschäft. Gerade in politisch rauen Zeiten sind strategisch gut vorbereitete Übernahmen ein starkes Mittel, um Marktanteile auszubauen, neue Märkte zu erschließen und das eigene Unternehmen gegen zukünftige Schocks zu wappnen. Oder, wie es Dr. Vitkova formuliert: „Es geht nicht nur ums Überleben – sondern darum, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.“
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28+29/25 erschienen.