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Der Kunstmarkt in Zeiten der Krise

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Das Dorotheum in Wien

©Dorotheum / G. Wasserbauer

In turbulenten Zeiten setzen auch Kunstsammler auf sichere Werte. Preislich bewegt man sich lieber im Mittelfeld. International erleidet der Kunstmarkt Einbußen im Hochpreissegment, dabei wird mehr Kunst gehandelt als in früheren Jahren. Wie der Galerist den Markt sieht und was er Käufern rät. Wie der Auktionsmarkt in Österreich läuft. Und warum man Kunst nicht nur als Investment sehen sollte.

Mal mehr Zölle, mal wieder weniger. Die internationalen Börsen und die Wirtschaft reagieren sensibel auf die irrwitzigen Volten von US-Präsident Donald Trump. Gibt es sichere Werte, in die man – Vermögen vorausgesetzt – ausweichen kann? Lange wurde die Kunst zum lukrativen Investment hochstilisiert, Preise gingen teilweise durch die Decke. Doch wie reagiert der Kunstmarkt nun auf unsichere Zeiten?

Der Galerist

Das jüngste Großevent am Kunstmarkt war die Art Basel im vergangenen Juni. 88.000 Besucher kamen, die Galerien berichten laut Aussendung der Veranstalter von „herausragenden Verkäufen“, etwa von Werken von David Hockney, die um bis zu 15 Millionen Euro die Besitzer wechselten. Der Wiener Galerist Martin Janda, der auf der Messe vertreten war, erzählt aber auch, wie die Weltpolitik der Kunst ins Geschäft pfuscht: „Als während der Messe die USA im Iran interveniert haben, hat man richtig gespürt, dass plötzlich alle auf Abwarten geschaltet haben. Man sieht eine allgemeine Zurückhaltung der Käufer. Große Namen, die extrem teuer sind, wurden nicht so leicht verkauft.“

Die Weltlage schlägt sich aufs Gemüt. „Kunst kauft man, wenn man in optimistischer Stimmung ist. Wir wissen aber derzeit kaum, was in zwei Stunden auf der Welt passiert“, sagt Janda. Andererseits: „Ich glaube nicht, dass die Kunst die Welt retten kann. Das kann sie nicht. Aber sie kann Menschen in ihrem Denken verändern und das passiert sehr oft.“ – Es ist also (immer) die richtige Zeit, sich mit Kunst zu beschäftigen.

Gut verkaufen lässt sich, laut Janda, derzeit Kunst im Preissegment von 20.000 bis 50.000 Euro. Aber: „Wir haben definitiv ein Problem im untersten und im obersten Bereich.“

Das Auktionshaus

Das Dorotheum in Wien ist mit seinen Geschäften im ersten Halbjahr 2025 hingegen hochzufrieden. Das Auktionshaus vermeldet die „erfolgreichste Frühjahrssaison“ und Versteigerungen mit weit über 100 Millionen Euro Umsatz. Besonders hervorgehoben wird eine Online-Auktion mit 221 Andy-Warhol-Zeichnungen, bei der alle Blätter verkauft werden konnten.

„Es gab rund 4.500 Gebote, die Auktion dauerte sieben Stunden“, berichtet Bernhard Brandstätter, Leiter der Sparte Zeitgenössische Kunst, von einer regelrechten Bieterschlacht, die von „attraktiven Schätzpreisen“ angefacht wurde.

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Art Basel: David Hockneys „Mid November Tunnel“ aus dem Jahr 2006 erzielt schon bei der Preview der Art Basel Höchstpreise.

 © Harold Cunningham/Getty Images

Natürlich spüre man auch am Auktionsmarkt die internationalen Verwerfungen, erklärt Marianne Hussl-Hörmann, Expertin für Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts, aber im Dorotheum laufe es „unverändert gut. Das liegt auch daran, dass wir in einem Segment verkaufen, das weniger empfindlich ist: sehr solide, wenig spekulativ und vor allem in einem mittleren Preissegment von 10.000 bis 400.000 Euro.“

Brandstätter und Hussl-Hörmann bemerken stärkeres Interesse an etablierter Kunst, was auch daran liegen könnte, dass man in unsicheren Zeiten auf sichere Werte setzt. Die Hypes früherer Jahre, etwa NFT oder sehr junge Kunst, „die quasi noch nicht einmal trocken ist“, seien vorbei. „Natürlich hat das Spekulative auch seinen Reiz, bei einer Kunstrichtung quasi Pionier zu sein“, sagt Hussl-Hörmann, „aber das ist ein bisschen abgeflaut.“ Sammler konzentrieren sich auf etablierte Künstlerinnen und Künstler mit einer bereits etwas längeren Karriere, so Brandstätter.

International gesehen hat der Kunstmarkt in den vergangenen Jahren einen deutlichen Dämpfer erlitten. Die Frühjahrsauktionen von Sotheby’s, Christie’s und Philips blieben unter den Erwartungen. Schlagzeilen machte eine Skulptur von Alberto Giacometti, die bei Sotheby‘s New York zumindest 70 Millionen Dollar einbringen hätte sollen und unverkauft blieb. Der „Art Basel & UBS Art Market Report 2025“ berichtet für 2024 von einem weltweiten Umsatzrückgang am Kunstmarkt um zwölf Prozent auf 57,5 Milliarden Dollar, der vor allem das Hochpreissegment betraf. Insgesamt kam allerdings mehr Kunst in den Handel – zu niedrigeren Preisen.

Große Auktionshäuser beklagen ein Minus von 25 Prozent. Kleinere Galerien und Kunsthändler konnten hingegen zulegen. Spektakuläre Rekordverkäufe gab es weniger als in den Vorjahren – oder zumindest erfolgten sie weniger öffentlich.

Für uns sind Menschen, die einige wenige tausend Euro ausgeben, genauso toll wie Leute, die 500.000 Euro für Kunst ausgeben

Martin Janda
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 © Starpix / picturedesk.com

Kunstkauf für Einsteiger

Was rät der Galerist Menschen, die erstmals Kunst kaufen wollen, eine gewisse Hemmschwelle aber noch nicht überwunden haben? Martin Janda stellt zunächst einmal klar: „Für uns sind Menschen, die einige wenige tausend Euro ausgeben, genauso toll wie Leute, die 500.000 Euro für Kunst ausgeben.“ Er habe Kunden, die sich auch mit kleineren Käufen über die Jahre eine schöne Sammlung aufgebaut hätten.

Zunächst, meint er, solle man sich vor einem Kunstkauf fragen: „Was spricht mich daran an? Mache ich das aus irgendeinem Kalkül oder freue ich mich jeden Tag darüber?“ Eine Antwort: Kunst bloß mit dem Kalkül einer Wertsteigerung zu kaufen, ist keine so gute Idee. Nächste Frage: „Passt es in mein Budget? Wenn es ein bisschen wehtut, ist es auch okay. Und wenn es zu wehtut und man es nur auf drei Raten zahlen kann, macht das jede Galerie, weil wir das natürlich schätzen.“ Und, ja, manchmal kann die Freude an einem Kunstwerk nachlassen. Fehlkauf war es deswegen noch lange keiner. „Das muss man aushalten.“ Er selbst halte das erste Bild, das er als 17-Jähriger gekauft hat, heute nicht mehr für große Kunst. „Aber es ist Teil meiner Geschichte.“

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Ein Werk von Keith Haring aus dem Jahr 1983 brachte der Gladstone Gallery 3,5 Millionen Dollar ein.

 © Art Basel

Was ist der letzte Preis?

Doch wie legt man den Verkaufspreis von etwas fest, das mit Stimmung und Emotion verbunden ist? Vor allem, wenn es sich um Kunstschaffende dreht, die noch nicht so bekannt sind? Janda erklärt das am Beispiel des von ihm vertretenen Rainer Spangl, „der unglaublich konsequent an seiner Idee der Malerei arbeitet“. Dieser habe seine Bilder vor der Zusammenarbeit um etwas unter 2.000 Euro verkaufen können. Er habe dann für die erste Ausstellung die Preise bei 2.900 Euro festgelegt und „extrem gut verkauft“. Nun steigere er die Preise „sehr sachte und konservativ, weil ich der Meinung bin, wer sich jetzt am Anfang beteiligt, soll auch eine spätere Wertsteigerung, falls sie kommt, lukrieren können.“ Kritischer Zusatz: „Manche meiner Kollegen kalkulieren die Wertsteigerung schon in den Erstpreis ein.“

In der Branche kursiert auch eine „Formel“ für die Berechnung von Verkaufspreisen. Zum Beispiel: Länge plus Breite mal einem Faktor, der sich nach der Bedeutung des Künstlers richtet. Doch wie legt man den fest? „Das lernt man nicht auf der Kunstakademie. Ich frage mich selbst manchmal, wenn junge, gerade fertige Absolventen 6.000 Euro verlangen, oder wenn junge Künstler in Auktionen an die 300.000 kosten, was das soll“, sagt Janda. Das Wort „Spekulanten“ fällt in diesem Zusammenhang, „die dann entweder auf die Nase fallen oder noch rechtzeitig jemanden finden, der ihnen das dann abnimmt“.

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Dorotheum: Das traditionsreiche Wiener Auktionshaus agiert im mittleren Preissegment und vermeldet ein erfolgreiches Frühjahr.

 © David Levene / Eyevine / picturedesk.com

Geschätzter Wert

Im Auktionshaus wird der Wert eingebrachter Kunstwerke geschätzt, der letzte Preis hängt dann an der Dynamik, die bei der Auktion entsteht – oder eben nicht. Die Expertinnen und Experten des Hauses begutachten zunächst das Werk, bewerten die Qualität und recherchieren dann in Kunstpreisdatenbanken, welche Verkaufspreise der betreffende Künstler bereits erzielt hat. Daraus ergibt sich ein Von-Bis-Wert, der obere Rahmen orientiert sich an den bisherigen Top-Ergebnissen des Künstlers bzw. der Künstlerin.

Der Rufpreis in der Auktion liegt etwas unter dem unteren Wert. Im Bereich der Schätzung liegt dann meist auch der endgültige Verkaufspreis (dazu kommen noch bis 30 Prozent Gebühren des Auktionshauses und Steuer). „Aber es gibt natürlich Bilder, die haben Seltenheitswert und eine besondere Qualität. Da wissen auch die Sammler, dass sie sich eher am oberen Schätzpreis und darüber hinaus orientieren sollten“, erklärt Hussl-Hörmann. Ob ein Spitzenpreis auch immer mit der Qualität des Werks korreliert? „Im Endeffekt entscheidet der Sammler, was ihm ein Kunstwerk wert ist. Es ist immer ein sehr persönlicher Preis. Das liegt im Auge des Betrachters.“

Dass Kunst als reines Luxusgut und Investment gebrandet wurde, war möglicherweise gar nicht hilfreich. „Investment in Kunst ist absolut langfristig und es ist auch nicht so, dass jedes Werk, auch wenn es noch so interessant ist, am Markt eine Wertsteigerung erfährt. Dazu braucht es Geschick und viele Beteiligte, die an den Künstler und seine Arbeit glauben. Bei anderen sind die Werke interessanter oder gleich interessant, und dort entwickelt sich das eben nicht“, erklärt Janda. Auch für den Galeristen ist die Zusammenarbeit mit einem Künstler ein Investment, das dauert. Wie entscheidet der Galerist, auf wen er setzt? „Ich gehe da intuitiv vor. Wenn ich strategisch vorgehen würde, wäre ich nicht mehr Galerist, weil das keinen Spaß macht.“

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33+34/25 erschienen.

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