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Als Wolfgang Baumjohann im Jahr 2001 von Deutschland als Leiter der Abteilung für experimentelle Weltraumphysik ans Grazer IWF geholt wurde, trat er in große Fußstapfen: Er übernahm diese Position vom "österreichischen Weltraumpapst" Willibald Riedler. "Ich bin an ein Institut gekommen, das damals schon sehr bekannt war, und habe den Schritt nach Graz nie bereut", erinnerte sich der im deutschen Hamm geborene Physiker und Geophysiker rückblickend gegenüber der APA.
Dass sich Österreich in der Spitzenliga der internationalen Weltraumforschung positioniert hat, geht maßgeblich auch auf die Erfolge im Instrumentenbau des IWF und seiner Datenauswertungen zurück. Von 2004 bis 2021 stand Baumjohann dem gesamten Institut mit den damals drei Abteilungen und rund 80 Mitarbeitern vor. In seine Zeit am IWF fielen an die 20 Missionen, die von der ESA, der NASA oder anderen nationalen Weltraumagenturen in Japan, Russland und China geleitet wurden. Darunter unter anderem auch die Beteiligung an der "Rosetta"-Mission zum Kometen "67P/Tschurjumow-Gerassimenko", die Baumjohann noch von seinem Vorgänger Riedler übernommen hatte. Oder "Venus Express", zu dem das IWF ein Instrument zur Messung des Magnetfeldes der Venus lieferte.
Baumjohanns Kontakte zur NASA und der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) ermöglichten dem IWF, an weiteren großen Missionen wie "MMS" oder "BepiColombo" mitzuarbeiten. Bei MMS, der "Magnetospheric Multiscale Mission" (MMS) der US-Weltraumbehörde NASA, schaute man u. a. mit Geräten aus Graz wie mit einem Mikroskop in das Entstehungsgebiet der sogenannten magnetischen Rekonnexion, und erhielt Einblicke, wie der hochexplosive Prozess in der Erdmagnetosphäre abläuft. Das IWF hat einen von zwei Bordrechnern vom ESA-Weltraumteleskop CHEOPS entwickelt und gefertigt, um Exoplaneten im Detail zu charakterisieren. Auch bei der europäischen Solar-Orbiter-Mission, die so nahe wie möglich zur Sonne vordringt, oder der JUICE-Mission der ESA (Start im Jahr 2023) zu den Eismonden des Jupiter ist das IWF involviert. "Wir haben versucht, die internationale Position weiter auszubauen", zeigte sich Baumjohann bescheiden.
Bei der europäisch-japanischen Mission "BepiColombo" zum Planeten Merkur ist das IWF an den Magnetometern auf beiden Raumsonden beteiligt. Bei dem Messgerät auf dem japanischen Orbiter hat das IWF die Federführung. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen das von der amerikanischen Mariner-Sonde überraschend entdeckte planetare Magnetfeld und dessen dynamische Wechselwirkung mit dem dort noch sehr jungen und starken Sonnenwind. "Nach ihrer langen Reise wird die Sonde in wenigen Monaten endgültig in die Umlaufbahn des Merkur kommen", zeigte sich Baumjohann, der die Weltraumaktivitäten weiterhin mit Interesse verfolgt, im Gespräch mit der APA hoffnungsvoll.
Baumjohann ist Honorarprofessor an der Technischen Universität Graz und hatte eine außerplanmäßige Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein persönlicher Forschungsschwerpunkt ist die Weltraumplasmaphysik, die Erd- und die Planetenmagnetosphären. Auf der Liste der meistzitierten Autoren im Bereich der Weltraumwissenschaften war er in aktiven Zeiten weit vorne platziert.
Baumjohann wurde nicht nur für seine Forschung bekannt, sondern auch für sein Engagement in der Wissenschaftskommunikation. Mit Hingabe trug er die komplexen wissenschaftlichen Themen in die breite Öffentlichkeit: "Der Weltraum interessiert praktisch jeden - das macht die Vermittlung der Thematik schon ein bisschen leichter. Und die Weltraumforschung ist gar nicht so schwierig - jedenfalls ist sie einfacher zu erklären als die Quantenphysik. Mir hat es immer Spaß gemacht", schilderte der IWF-Leiter schmunzelnd. Für seine Bemühungen wurde er vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten im Jahr 2014 zum "Wissenschafter des Jahres" gewählt.
Baumjohann wurde am 9. August 1950 im nordrhein-westfälischen Hamm geboren. Nach dem Studium der Physik an der Universität Münster und der Habilitation im Fach Geophysik in München führten ihn Gastprofessuren in die USA und nach Japan. In Garching war er Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, bevor er 2001 ans Grazer IWF kam, dem er dann 17 Jahre als Direktor vorstand. Mit sich brachte er auch seine Frau Rumi Nakamura, ebenfalls Physikerin, die an der University of Tokyo graduierte und am IWF die Forschungsgruppe Weltraumplasmaphysik leitet.
Seit 2022 ist Baumjohann Präsident der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und setzt sich für die Förderung der Wissenschaft und Forschung in Österreich ein. Er wurde ins Präsidium der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt und in die Academia Europaea aufgenommen. Zudem ist Baumjohann Träger der Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse und des Großen Ehrenzeichens des Landes Steiermark.
Die Liste seiner wissenschaftlichen Publikationen füllt mehrere Seiten, an rund 800 hat er mitgewirkt. Weiters war er Mitautor von drei Büchern über Weltraumplasmaphysik, die an vielen Unis Grundlage von Vorlesungen sind. Was in der langen Publikationsliste noch fehlt, ist ein populärwissenschaftliches Buch. "Das ist sich zeitlich nicht ausgegangen", gibt Baumjohann zu. Und es dürfte auch nicht so schnell folgen, denn seit der Pensionierung zieht es den norddeutschen "Flachländer" noch immer wieder "hoch hinaus": In die Berge - wo er schon in jungen Jahren Gipfel an der 6.000er-Grenze erklommen hat. Mittlerweile hat jedoch das Mountainbike die Hochgebirgswanderungen abgelöst - angefahren werden niedrigere Ziele, die sich vorzugsweise in der Steiermark, Slowenien, Tirol oder auch dem Waldviertel befinden. Und dazwischen trifft man ihn im Garten - wo er statt dem Eispickel nun die Gartenschaufel schwingt.
++ HANDOUT/ARCHIVBILD ++ ZU APA0027 VOM 4.8.2025 - Der deutsch-österreichische Weltraumforscher Wolfgang Baumjohann (Bild) feiert am 9. August 2025 seinen 75. Geburtstag. (ARCHIVBILD VOM 14.4.2023)