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Der unter Beteiligung aller Stakeholder ausgearbeitete Aktionsplan war bereits Ende 2024 finalisiert und vom damaligen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) öffentlich präsentiert worden. Gescheitert war aber ein Beschluss in der sogenannten "Bundes-Zielsteuerungskommission" (ein Gremium aus Bund, Bundesländern und Sozialversicherungsträgern). Der für die verbindliche Umsetzung nötige Beschluss in der Kommission war dem Vernehmen nach am Nein von Bundesländern und des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger gescheitert. Von der neuen Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) hieß es im heurigen August, der Aktionsplan solle bis Jahresende 2025 im Einvernehmen der Kommissionspartner in der Zielsteuerungskommission beschlossen werden.
Dieser Zeitplan dürfte sich jetzt weiter verzögern. GÖG-Geschäftsführer Herwig Ostermann sowie eine weitere Mitarbeiterin der Gesundheit Österreich haben laut der APA vorliegenden Informationen vergangenes Monat in einem nicht öffentlichen Meeting von einem Zeithorizont von Mitte 2026 gesprochen, da die Abstimmungen noch Zeit bräuchten. Entscheidender Knackpunkt dürfte u.a. die Frage der Finanzierung sein.
Auf APA-Nachfrage gab man sich seitens der GÖG zurückhaltend. Man arbeite im Auftrag des Sozial- und Gesundheitsministeriums an den derzeit laufenden Arbeiten zum Ausbau der spezialisierten Versorgung "sowie zur Verkürzung der Patientenwege" - und zwar "in der Rolle der fachlich-inhaltlichen Unterstützung". Die Gesellschaft sei dabei nicht an der Beschlussfassung beteiligt und treffe keine Entscheidungen. Die GÖG und auch der Bund seien sich "der Dringlichkeit einer spezialisierten und gut strukturierten Versorgung für Betroffene bewusst".
Seitens des Büros von Gesundheitsstaatssekretärin Königsberger-Ludwig hieß es, man vermittle derzeit "intensiv zwischen allen beteiligten Partnern, um den Aktionsplan PAIS so rasch wie möglich auf eine stabile politische Grundlage zu stellen". "Denn nur auf dieser Basis kann es in Österreich zu einem einheitlichen, flächendeckenden Versorgungspfad für Menschen mit ME/CFS, Long Covid und anderen postakuten Infektionssyndromen kommen."
Ob der Beschluss noch 2025 gelingt oder erst 2026 erfolgen kann, hänge maßgeblich vom Fortschritt von fachlichen Klärungen ab. "Klar ist: Ein Aktionsplan ohne politische Rückendeckung wäre ein Papiertiger."
Der Aktionsplan sei "inhaltlich gut vorbereitet". "Doch damit aus Konzepten konkrete Versorgung wird, braucht es einen abgestimmten Beschluss in der Bundes-Zielsteuerungskommission (BZK)." Diese Entscheidung scheitere derzeit "nicht am politischen Willen, sondern an fachlichen Fragen, bei denen zwischen den Zielsteuerungspartnern noch kein Konsens besteht".
Der Bund - konkret das vom Gesundheitsministerium eingerichtete Nationale Referenzzentrum für postvirale Syndrome an der MedUni Wien - stelle dafür "die zentralen Grundlagen" bereit. Konkret gehe es um medizinische Definitionen, aktuelle Daten zur Versorgungslage und Analysen zum Bedarf. "Doch genau diese vom Bund bereitgestellten Inhalte werden derzeit von einzelnen Partnern in der Zielsteuerungskommission hinterfragt", verwies man auf andere Stakeholder.
Im Kern gehe es um vier noch offene Punkte, hieß es aus dem Staatssekretariat. So fehle etwa eine "gemeinsame Definition von PAIS". Als "fachliche Grundlage" diene die vom Nationalen Referenzzentrum - und damit vom Bund - entwickelte Definition von PAIS und ME/CFS. "Doch derzeit besteht keine Einigkeit zwischen allen Systempartnern, insbesondere bei der Abgrenzung zu Long Covid und anderen Krankheitsbildern." Diskutiert werde etwa der Umgang mit Biomarkern, Verlaufsformen und Symptomkomplexen, hieß es aus dem Büro der Staatssekretärin. "Eine gemeinsame medizinische Definition ist jedoch unerlässlich - für Diagnose, Codierung und Leistungsabwicklung."
Punkt zwei und drei betrifft die Frage der Fallzahlen - und damit die für den Aufbau von Versorgungsstrukturen relevante Frage des Versorgungsbedarfes. Auch hier liefere das Referenzzentrum im Auftrag des Bundes laufend Daten. "Doch weil im niedergelassenen Bereich noch keine verpflichtende Diagnosencodierung existiert, wird die Aussagekraft dieser Daten von einzelnen Partnern angezweifelt", hieß es aus dem Staatssekretariat. "Es gibt noch kein gemeinsames Verständnis darüber, wie viele Menschen betroffen sind und in welchem Ausmaß." Als Übergangslösung würden nun "ergänzende Datenquellen" geprüft - etwa Arbeitsunfähigkeitsmeldungen mit der Gesundheitskasse (ÖGK) oder Pflegegeldbegutachtungen mit der Pensionsversicherungsanstalt (PVA).
"Die Einschätzungen zur Zahl der Betroffenen schwanken - je nach Datenquelle und Methodik", so das Staatssekretariat zu vorliegenden Fallzahlen-Schätzungen. Der Bund stütze sich dabei auf Analysen des Referenzzentrums sowie auf internationale Studien. "Die Länder bringen eigene Erfahrungswerte ein", hieß es. "Unser Ziel ist es, über Vermittlung zu einer einheitlichen, realistischen und von allen getragenen Einschätzung zu kommen, damit Versorgungsplanung auf solider Basis erfolgen kann."
Punkt vier betreffe eine "länderübergreifende Versorgungsstrategie". Eine solche bundesweite Strategie könne erst entwickelt werden, wenn Definition, Datenlage und Betroffenenzahlen geklärt seien. Hier brauche es klare Aufgabenverteilung, abgestufte Versorgungsangebote und eine verbindliche Finanzierung. Im Staatssekretariat verwies man auf "erste Modellprojekte" in Salzburg, Wien und Eisenstadt. Diese sind freilich allesamt noch nicht realisiert. In Salzburg gab es an dem auf die Hausärzte-Ebene abgestellten Konzept bereits Kritik von Patientenorganisationen - diese stelle eine "Drehscheibe ins Nichts" dar.
Kritik von Patientenvertretern und Experten an der Versorgungslage besteht schon länger. Erst vergangene Woche hatte eine Anfragebeantwortung von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) für Aufsehen gesorgt: In dieser wurde die Versorgung von PAIS-Patienten als "flächendeckend gesichert" bezeichnet - eine Darstellung, die laut der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS den Gegebenheiten in der Praxis "diametral widerspricht", wie es seitens der Patientenvereinigung hieß. Später ergänzte man im Sozialministerium, die Aussagen hätten sich auf die "medizinische Grundversorgung" bezogen.
Mit Kritik wegen ihres Umgangs mit ME/CFS- und Long- bzw. Post-Covid-Betroffenen sieht sich seit längerem auch die PVA konfrontiert. Anträge auf Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspension (bzw. auf das temporäre Rehageld) sowie auf Pflegegeld auch von Betroffenen mit sehr schwer beschriebenen Einschränkungen werden seitens der PVA nur selten gewährt, wie auch eine im Mai veröffentlichte gemeinsame Recherche von APA, ORF und der Rechercheplattform Dossier untermauerte.