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Genügend Flüssigkeitszufuhr könnte Fettleibigkeit vorbeugen

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Vasopressin regt einen kohlenhydratbasierten Stoffwechsel an
©APA, dpa-tmn, Lino Mirgeler
Trinken Menschen zu wenig Wasser, wirken vermutlich ähnliche Mechanismen wie bei Wildtieren, die Winterschlaf halten. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Wiener Wissenschafterinnen im "Journal of Internal Medicine". Während bei den Tieren der angefressene Winterspeck nicht nur vor Verhungern, sondern auch vor Verdursten im Winterschlaf bewahrt, könnte beim Menschen eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr vor Adipositas schützen.

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In ihrer Studie analysierten das aus Human- und Veterinärmedizinerinnen und -medizinern sowie Biologinnen und Biologen bestehende Forschungsteam um Richard Johnson von der University of Colorado (USA) jene biologischen Mechanismen, mit denen Tiere während des Winterschlafs, in dem sie oft über Monate nichts trinken, einer Dehydrierung vorbeugen. Beim Stoffwechsel von Fett und Glykogen während des Winterschlafs wird dabei Wasser produziert, das den Flüssigkeitshaushalt vieler Tiere aufrecht erhält.

Eine zentrale Rolle spielt bei Säugetieren Vasopressin, ein Hormon, das den Wasserhaushalt reguliert. Dass es maßgeblich an der Einleitung und Aufrechterhaltung des Winterschlafs beteiligt ist, war bereits bekannt. "Wir haben in unserer Studie die Zusammenhänge von Vasopressin und dem Anlegen von Fettreserven vor dem Winterschlaf bei diversen Tieren nochmals zusammengefasst und mit der Fettleibigkeit des Menschen verglichen", erklärte Ko-Autorin Johanna Painer-Gigler vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien gegenüber der APA.

Im Herbst steigt bei den Winterschlaf haltenden Tieren die Produktion von Vasopressin. Das regt einen kohlenhydratbasierten Stoffwechsel an, der mit Durst, einer erhöhten Wasseraufnahme und der Speicherung von Glykogen und Fett einhergeht. Wenn sich der Winter nähert, beginnt der Vasopressin-Spiegel zu sinken, die Tiere stellen auf einen fettbasierten Stoffwechsel um und begeben sich in den Winterschlaf.

In dieser Phase wird durch den Fettstoffwechsel im Körper Wasser gebildet. Gleichzeitig wird die Vasopressin-Ausschüttung unterdrückt und im Blutserum sinkt die Konzentration der gelösten Stoffe (Osmolalität), was wiederum das Durstgefühl unterdrückt. "Wir vermuten, dass die Wasserproduktion aus Fett aber nicht mit dem Wasserbedarf des Organismus Schritt halten kann", so Painer-Gigler.

Zudem entwickelt sich durch die flache Atmung während des Winterschlafs eine Übersäuerung des Bluts (respiratorische Azidose). Deshalb müssen die Tiere aufwachen, sich erwärmen und für kurze Zeit auf Kohlenhydratstoffwechsel umstellen. Dabei wird Glykogen, ein in den Zellen gespeichertes Kohlenhydrat, abgebaut, wobei rasch Wasser im Körper gebildet wird. Das erleichtert auch die Atmung und korrigiert so die Übersäuerung des Bluts. Sobald wieder alles im Lot ist, wird wieder auf den Fettstoffwechsel umgestellt und der Winterschlaf fortgesetzt.

"Unsere Beobachtung, dass Fettleibigkeit einen natürlichen Zweck erfüllt, nämlich das Überleben zu sichern, insbesondere durch Wasserspeicherung in Zeiten der Knappheit, könnte auch für das Verständnis von Adipositas beim Menschen von Bedeutung sein", betonte Painer-Gigler. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter vermuten, dass beim Menschen die Speicherung von Fett durch eine fehlerhafte Steuerung ausgelöst wird.

Eine Rolle dabei könnte Fruktose spielen, gleich ob aus der Nahrung oder im Körper gebildet. Der Fruchtzucker dürfte nicht nur die Signalübertragung durch das "Hungerhormon" Leptin beeinflussen, sondern auch die Vasopressin-Produktion und in der Folge den Durst fördern - "ein Prozess, der durch Salzaufnahme zusätzlich stimuliert wird", so Co-Autorin Szilvia Kalgeropoulu vom FIWI.

Auch die meisten Menschen mit Adipositas hätten einen erhöhten Vasopressin-Spiegel im Blut und würden auch Anzeichen von Dehydrierung aufweisen. Deshalb halten sie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr - nicht zuletzt aufgrund der klimawandel-bedingten immer höheren Temperaturen - für eine gute Gesundheit von entscheidender Bedeutung. Auch die Wirkung von GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid als "Abnehmspritze" könnte teilweise auf ihre bekannte Fähigkeit zurückzuführen sein, die Vasopressinproduktion zu hemmen, vermuten die Forscherinnen und Forscher.

(S E R V I C E - https://doi.org/10.1111/joim.70003)

BAD OEYNHAUSEN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa-tmn/Lino Mirgeler/Lino Mirgeler

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