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Tiroler Forscherin warnt vor Chemikalienrisiken im Alltag und Job

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Biochemikerin sieht Sensibilisierungsbedarf
©APA, Monika Skolimowska
Chemikalien gelangen oft unbemerkt über Alltagsprodukte oder am Arbeitsplatz in den Körper und können Allergien und Asthma verursachen. Die Toxikologin Johanna Gostner warnte im APA-Gespräch vor Risiken gängiger Stoffe, etwa in Haarpflegeprodukten oder Tattoos. Auch betonte sie, wie wichtig das korrekte Tragen von Schutzausrüstung bei der Arbeit ist. Ihre Forschung an der Med Uni Innsbruck soll helfen, schädliche Stoffe besser zu bewerten und die Bevölkerung zu schützen.

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"Berufsbedingtes Asthma ist oft stark ausgeprägt und führt nicht selten zur Berufsunfähigkeit", berichtete Gostner. Betroffen seien etwa Beschäftigte in der Farb-, Kosmetik- oder Lebensmittelindustrie - überall dort, wo mit feinen Stäuben, flüchtigen Substanzen oder chemischen Zusatzstoffen gearbeitet werde. Ein Problem sei, dass die Symptome zeitverzögert einsetzen. "Viele nehmen trotz Aufklärung und Einschulung zu wenig wahr, mit welchen Stoffen sie täglich in Kontakt kommen - Schutzkleidung ist wichtig", betonte die Expertin.

Gostner forscht am Institut für Medizinische Biochemie der Medizinischen Universität Innsbruck, wo sie unter anderem eine Arbeitsgruppe zu Immunmetabolismus und biochemischer Toxikologie leitet. Ihr Fokus liegt auf sogenannten respiratorischen Sensitizern - also Chemikalien, die beim Einatmen Entzündungen auslösen oder die Immunreaktionen so verändern, dass Allergien und Asthma entstehen. Im Rahmen der EU-Partnerschaft PARC (Partnership for the Assessment of Risks from Chemicals) entwickelt ihr Team neue Methoden, um diese Substanzen besser nachweisen und bewerten zu können.

Auch viele Alltagsprodukte bergen laut Gostner Risiken, über die man die Bevölkerung aufklären müsse. Etwa Inhaltsstoffe in Reinigungsmitteln oder Haarsprays und Haarfärbemitteln oder bestimmte Tattoo-Farben. "Viele der Farbstoffe für Tattoos wurden nie ausreichend untersucht, um so tief unter die Haut eingebracht zu werden", warnte die Forscherin. Je populärer insbesondere farbige Tattoos würden, desto dringlicher sei eine Neubewertung solcher chemischer Komponenten.

Ihren Forschungsbereich könne man jedenfalls zur sogenannten Exposom-Forschung zählen, erklärte Gostner. Das Exposom umfasse dabei die Gesamtheit aller Umwelteinflüsse, denen ein Mensch im Laufe seines Lebens ausgesetzt ist - "von der Empfängnis über die gesamte Lebensspanne", wie sie erläuterte. Dazu zählen jedoch nicht nur chemische Substanzen, sondern auch Faktoren wie Lärm, UV-Strahlung oder psychischer Stress. Im Gegensatz zum relativ stabilen Genom sei das Exposom "hochdynamisch" - und damit schwerer zu erfassen, aber oft entscheidend für die Krankheitsentstehung.

"Die Medizin sieht oft nur die Auswirkungen der Belastungen - unsere Aufgabe ist es, den Ursachen auf den Grund zu gehen", betonte die Biochemikerin. Ziel sei es jedenfalls, eine Art "Landkarte der Umweltfaktoren" zu erstellen, um Erkrankungsrisiken frühzeitig zu erkennen und wirksame Schutzmaßnahmen ableiten zu können. Um das Exposom besser zu verstehen, werden überall auf der Welt moderne Monitoring-Strukturen aufgebaut. Auch an der Med Uni Innsbruck wird daran gearbeitet, durch Analyse von Patienten- und Umweltproben Informationen über die Exposition mit Chemikalien zu erhalten.

Ein breiter gesellschaftlicher Diskurs ist laut Gostner dennoch notwendig. Exposom-Forschung könne ein "bewussteres und gesünderes Leben" fördern, indem die Bevölkerung zu "unsichtbaren Gefahren" sensibilisiert wird - etwa dass man Sprayprodukte nicht tief einatmet, bloß weil sie angenehm duften. Auch sei es essenziell, sich der Wichtigkeit von Schutzkleidung bei der Arbeit bewusst zu werden. Sie wünsche sich jedenfalls mehr Bewusstsein in der Bevölkerung für potenziell schädliche Stoffe im (Arbeits)-Alltag und gleichzeitig mehr Tempo in der regulatorischen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Dass Umwelt- und Toxikologieforschung in der biomedizinischen Community zunehmend an Bedeutung gewinnt, zeigt sich unter anderem an einer eigenen Toxikologie-Session beim kommenden Jahresmeeting der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT), das heuer im Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB) in Innsbruck stattfindet. "Diese Fachrichtung stand lange im Hintergrund und hatte recht wenig Bühne. Heuer holen wir das nach", betonte die Toxikologin. Internationale Vortragende - darunter Hauptspeaker Philip Marx-Stölting vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin - würden dabei unter anderem zu neuen Regulierungsansätzen, Risikobewertungen und bioanalytischen Methoden sprechen.

Ein weiterer Impuls für das Feld komme vom bereits genannten sowie groß angelegten EU-Partnerschaft PARC, an dem auch die Innsbrucker Arbeitsgruppe rund um Gostner beteiligt ist. Ziel der Arbeiten sei es, neue Methoden für die chemikalienbezogene Risikobewertung zu entwickeln: "Viele für die Risikobewertung zuständigen Institute innerhalb der EU sind hier involviert", berichtete die Forscherin.

"Wir wollen nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln, sondern Prozesse erarbeiten, die regulatorisch anwendbar sind", unterstrich Gostner. Derzeit dauere es oft lange, bis gesicherte Erkenntnisse vorliegen und Eingang in rechtliche Regelungen finden: "Das muss schneller gehen - denn die Umweltbelastung ist schon da."

ARCHIV - 04.03.2019, Berlin: Ein Mann putzt in Gummihandschuhen Fliesenboden in einer Wohnung. Im Hintergrund stehen diverse Putzmittel (gestellte Szene). Wegen versuchter Erpressung bei der Rückzahlung von mehr als 200 000 Euro zu viel gezahlten Arbeitslohnes muss sich eine Putzfrau am 07.11.2019 am Landgericht Osnabrück verantworten. Foto: Monika Skolimowska/zb/dpa +++ dpa-Bildfunk +++.

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