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Die von Deutschland gestartete sogenannte "Nationale Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen" zur Erforschung der Multisystemerkrankung ME/CFS sei "absolut zu begrüßen", erklärte Holzleitner in einem Statement zur APA. "Die internationale Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft profitiert insgesamt davon, denn Erkrankungen wie ME/CFS und PAIS kennen keine nationalen Grenzen."
Zur österreichischen Situation hieß es seitens des Forschungs- und Wissenschaftsressorts, Forschungsförderung im Bereich der Grundlagenforschung sei zu einem hohen Prozentsatz themenoffen und werde im Wettbewerb vergeben. Die Abwicklung erfolge insbesondere durch den Wissenschaftsfonds FWF und im Gesundheitsforschungsbereich auch durch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Die österreichische ME/CFS Forschungscommunity sei "erfolgreich im Lukrieren von Fördermitteln", betonte man in Holzleitners Ressort: Derzeit gebe es eine Reihe von laufenden FWF-Projekten zum Themenkomplex mit einem Gesamtfördervolumen von etwas über 1,8 Mio. Euro.
Das Ministerium verwies auch auf eine "aktuell laufende Schwerpunktsetzung" des Wissenschaftsfonds in Zusammenarbeit mit der privaten WE&ME-Stiftung der Bäckereifamilie Ströck, die sich der Erforschung der Erkrankung ME/CFS verschrieben hat. Aus dem direkten Austausch der WE&ME, dem FWF und dem Ministerium sei der WE&ME-Award hervorgegangen, der im Juni 2025 ausgerufen wurde. Mit diesem finanziert die WE&ME aus privaten Mitteln ein Projekt mit bis zu 450.000 Euro, der FWF übernimmt die Abwicklung der Ausschreibung.
"Weitere aufgrund ihrer wissenschaftlichen Exzellenz als förderwürdig eingestufte Projekte werden vom FWF finanziert", so das Ministerium. Die Förderung richte sich an Forschungsprojekte, die sich der Entschlüsselung des Pathomechanismus und/oder den Auswirkungen sowie möglichen Behandlungen von ME/CFS bzw. postakuten Infektionssyndromen mit dem Leitsymptom PEM (Post-Exertional Malaise) widmen. Auch habe es bereits seitens der Ministerin - gemeinsam mit Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) - einen Austausch mit der Betroffenenorganisation ÖG ME/CFS gegeben, betonte man.
Zu weiteren künftigen Forschungsförderungen könne aktuell keine Auskunft gegeben werden, Grund dafür seien die laufenden Verhandlungen für die generellen Förderungen ab 2027 im Rahmen des Forschungs-, Technologie- und Innovationspaktes. Der FTI-Pakt legt fest, welches Budget den zentralen Forschungsförderagenturen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in den Jahren 2027 bis 2029 zur Verfügung steht. Aushandeln müssen dies die zuständigen Ressorts bis Jahresende mit dem Finanzministerium. Mitte Oktober wollten sich die zuständigen Ressortverantwortlichen noch nicht festlegen, ob es gegenüber den rund fünf Mrd. Euro für den laufenden FTI-Pakt 2024-2026 ein Plus geben werde.
Erfreut über die deutsche Förderankündigung zeigte man sich auch bei der WE&ME-Stiftung. Es sei zu hoffen, dass dieser Schritt eine "Beschleunigung dafür ist, sich endlich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Denn bisher wurden ja nur eher Tröpfchen an Förderungen verteilt", sagte Stiftungsvorständin Gabriele Ströck zur APA. Auch erwarte sie, dass dieser Schritt ein Anstoß für Forscher - auch in Österreich - ist, sich mit dem Thema PAIS und ME/CFS interdisziplinär zu befassen.
Darüber hinaus verwies sie darauf, dass aktuell in den USA die Forschungsmittel gekürzt werden. Das 500 Millionen-Programm in Deutschland sei damit das derzeit wohl größte Projekt in diesem Sektor. Umgelegt auf Österreich würde dies bedeuten, dass hierzulande zumindest 50 Millionen Euro in zehn Jahren an Forschungsförderungen bereitgestellt werden, so Ströck.
Zu erwarten sei auch, dass der deutsche Schritt einen Anschub dazu gibt, Fördermittel aus dem nicht-staatlichen Bereich zu lukrieren, verwies sie auf private Forschungsinitiativen. Die Stiftung co-finanziert neben den genannten Projekten beispielsweise gemeinsam mit dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF das 2024 gestartete Förderprogramm "Understanding ME/CFS", mit dem mehrere Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 700.000 Euro finanziert werden.
Zwei der erwachsenen Söhne der Familie - Christoph und Philipp Ströck - sind selbst an ME/CFS erkrankt, die Diagnosen erfolgten 2016 bzw. 2018. Am Mittwoch dieser Woche findet im Wiener Palais Coburg eine Spendengala statt - auf Initiative von vier Jugendfreunden von Christoph Ströck. Ziel der Veranstaltung unter dem Titel "Zeit zum Hinschauen" (https://zeitzumhinschauen.at) ist das Lukrieren von Spenden, die dem Aufbau einer an der MedUni Wien eingerichteten ME/CFS-Biobank zugute kommen sollen. Neben dem Kartenerlös werden u.a. auch über eine Online-Spendenaktion über die Event-Homepage Gelder gesammelt.
Es gehe darum, die Forschung voranzutreiben, aber auch um das "Sichtbarmachen" der Krankheit in Politik und Gesellschaft, sagte Co-Organisatorin Marion Gergely zur APA. Und es gehe auch darum, "unserem Freund zu zeigen, dass er nicht in Vergessenheit gerät".
Auch für Ströck ist das Schaffen von Aufmerksamkeit in der Zivilgesellschaft zentral: "Das ist keine rare disease (seltene Erkrankung, Anm.), sondern postinfektiöse Erkrankungen sind ein Thema, das uns auch in Zukunft beschäftigen wird", verwies sie auf die vom an der MedUni Wien angesiedelten PAIS-Referenzzentrum geschätzten Zahl von alleine rund 70.000 bis 80.000 ME/CFS-Betroffenen in Österreich.
Ein besonderes Anliegen ist Ströck auch die Versorgung der Patienten. Hervorzuheben sei etwa das von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) erst vergangene Woche untermauerte Bekenntnis zur Schaffung einer spezialisierten Behandlungsstelle in Wien ab dem Jahr 2027.
Das deutsche Bundesforschungsministerium hatte letzten Donnerstag erklärt, es werde im kommenden Jahr die "Nationale Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen" ausgerufen. Das Verständnis der Krankheitsmechanismen sei dabei der "Schlüssel": "Nur wenn Ursachen und biologische Prozesse der Erkrankungen besser verstanden werden, können gezielt neue Diagnose- und Therapieverfahren entwickelt werden", hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums.
Für das Jahr 2026 sind laut Angaben des deutschen Ex-Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) 15 Millionen Euro für die Erforschung im deutschen Bundeshaushalt vorgesehen, von 2027 bis 2036 sollen jedes Jahr 50 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Damit könne Deutschland zum Vorreiter im Kampf gegen Long Covid und ME/CFS werden, sagt Lauterbach zum "Spiegel". Ziel müsse sein, die Diagnose und Behandlung der Erkrankungen so weit zu erforschen, dass sie bis spätestens Mitte der 2030er-Jahre geheilt werden können.






