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"Wir haben rund 5.000 Lungenkrebs-Neuerkrankungen pro Jahr. Lungenkarzinome sind die zweithäufigste Krebserkrankung bei den Frauen nach Brustkrebs und die zweithäufigste Krebserkrankung bei den Männern nach Prostatakrebs. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt nur 20 Prozent. Das ist zu wenig. Im frühen Stadium hat die Behandlung kurative Aspekte (macht Erkrankung heilbar; Anm.). Aber wir haben nur 25 Prozent der Patienten (zum Zeitpunkt der Diagnose; Anm.) im Frühstadium", sagte die Lungenspezialistin, Leiterin der Pneumologieklinik Hochzirl/Natters in Tirol.
Die Statistiken sind für Österreich und weltweit gerade bei den Lungenkarzinomerkrankungen gesundheitlich und ökonomisch katastrophal. Die Expertin: "Der Lungenkrebs ist der Killer Nr. 1 bei den Krebserkrankungen." Die Menschen fürchteten sich eigentlich vor dem Falschen. "Als Frau habe vielleicht Angst, an Brustkrebs zu sterben, als Mann vor Prostatakrebs. Der Lungenkrebs fordert aber mehr Todesfälle als beide zusammen."
Lungenkrebs sei in Österreich mit Gesamtkosten (Gesundheits- und sozialökonomische Kosten; Anm.) von 4,1 Mrd. Euro pro Jahr auch der größte Kostenfaktor unter den Lungenerkrankungen. An zweiter Stelle folge hier die chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit 3,2 Mrd. Euro jährlich. In Österreich sind 19,2 Prozent der Krebs-Todesfälle allein auf das Lungenkarzinom zurückzuführen.
Zwar hätte die Medizin in der Behandlung von Lungenkrebs in der jüngeren Vergangenheit große Fortschritte gemacht, an der Gesamtproblematik habe das aber wenig geändert. "Einzelne Patienten profitieren sehr viel davon, aber viel zu wenige. Ein jährliches Lungenröntgen taugt (für die Lungenkarzinom-Früherkennung; Anm.) nichts. Die Low-Dose-Computertomografie ohne Kontrastmittel hingegen eignet sich zum Screening. (...) Es ist keine Frage der (wissenschaftlichen; Anm.) Evidenz, dass man bei Risikopersonen, das sind Langzeit-Raucher, mit einer jährlichen CT-Untersuchung die Lungenkrebsmortalität um mindestens 20 Prozent senken kann." So werden wesentlich mehr Lungenkarzinome im durch Operation mit entsprechender sonstiger Behandlung heilbaren Frühstadium entdeckt.
Einer großen niederländisch-belgischen Studie mit Niedrig-Dosis-Computertomografie für langjährige Raucher (7.900 Probanden) zeigte sich eine Verringerung der Lungenkarzinom-Sterblichkeit um 26 Prozent. Der Wiener Lungenspezialist Arschang Valipour erklärte dazu: "Mittlerweile konnte mit solchen Programmen bei den Betroffenen die Gesamtmortalität (alle Ursachen; Anm.) bereits um 48 Prozent und die Lungenkrebs-Sterblichkeit um 45 Prozent gesenkt werden." Für Österreich mit pro Jahr rund 5.000 Lungenkrebs-Diagnosen und jährlich rund 4.000 Todesopfern würde ein Früherkennungsprogramm mittels Niedrig-Dosis-Computertomografie zum Beispiel für Langzeit-Raucher im Alter zwischen 50 und 74 Jahren wahrscheinlich eine enorme Auswirkung auch auf die Krebs-Mortalität insgesamt bedeuten.
Andere Länder sind auf diesem Gebiet schon viel weiter als Österreich, so die Lungenspezialistin: "22 von 27 EU-Ländern haben zumindest schon Pilotprojekte. Flächendeckende Lungenkrebs-Screeningprogramme gibt es bereits in Kroatien, Polen und England. Deutschland rollt sein landesweites Projekt im Jahr 2026 aus. Österreich hat keine offizielle Pilotphase."
Man dürfe auch nicht glauben, dass die Computertomografie-Kapazitäten in Österreich überfordert wären. Judith Löffler-Ragg: "Wir haben 26 Computertomografen pro Million Einwohner. Das ist mehr als in Polen oder England." Mit den neuesten Geräten, dauere die bildgebende Untersuchung selbst nur noch fünf Sekunden.
Im Gegensatz zum Brustkrebs-Screening, bei dem in der entsprechenden Altersgruppe möglichst alle Frauen alle zwei Jahre zur Untersuchung per Mammografie gehen sollten, funktioniert Lungenkarzinom-Früherkennung ausschließlich über Hochrisikogruppen, eben langjährige Raucher. Die Zielgruppe wäre laut der Expertin in Österreich rund 600.000 Personen groß. "Bei einem 'Uptake' (Beteiligung; Anm.) von 50 Prozent wären das rund 300.000 Menschen." In England führe man die CT-Untersuchungen in den ersten beiden Jahren jährlich, dann alle zwei Jahre durch.
In den USA beteiligen sich derzeit nur weniger als zehn Prozent der infrage Kommenden an dem Programm, in Estland sind es beispielsweise 80 Prozent. In England und Kroatien kam man bisher auf eine Beteiligung von rund 50 Prozent. "Wir können schon viel von anderen Ländern lernen", sagte die Expertin. Was bisher kaum zur Sprache gekommen ist: Ein Lungenkarzinom-Screening per CT bringt auch ein Screening auf schwere Herzkrankheiten mit sich, was den potenziellen Gewinn noch einmal erhöht.
ARCHIV - 17.06.2010, Bayern, München: Ein Arzt zeigt auf ein Röntgenbild einer von Krebs befallenen Lunge. (zu dpa: «Lungenkrebs-Früherkennung für starke Raucher kommt») Foto: Felix Hörhager/dpa +++ dpa-Bildfunk +++