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Leitartikel: Feminismus, als links und lästig abgestempelt, ist out – und das ist gefährlich

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6 min

©Bild: Matt Observe

In Salzburg wird eine Frau auf offener Straße erschossen, und keinen regt’s besonders auf. Was das über das Frauenbild in unserer Gesellschaft aussagt, warum jetzt lästige Debatten notwendig wären und wie gefährlich der neue Konservatismus für Frauen sein kann.

Vor zwei Wochen wurde in Salzburg eine Frau erschossen. Einfach so. Mitten in der Nacht. Auf offener Straße. Schon tags darauf war die Meldung nur mehr eine von vielen, irgendwo zwischen Allergie von Haustieren und umstrittenem Wohnbauprojekt, bekam dann kurz wieder etwas mehr Aufmerksamkeit, als die Polizei beschloss, mit Foto und Klarnamen nach dem flüchtigen Mörder zu fahnden, und dann noch einmal, als sie ihn schließlich fassen konnte. Aber die allgemeine Aufregung hielt sich in sehr engen Grenzen.

Wir erinnern uns, der Doppelmord in Oberösterreich vor wenigen Monaten. Die Angst vor dem noch nicht gefassten Täter war allgegenwärtig, über die Landesgrenzen hinweg, obwohl auch in dem Fall rasch klar war, dass er aus persönlichen Gründen gehandelt und es auf bestimmte Personen abgesehen hatte. Ausführlichste Berichterstattung über die mutmaßlichen Motive des Mannes folgte, Experteninterviews über die psychosoziale Belastung aller Beteiligten und so weiter. Im aktuellen Fall: nichts davon. Obwohl der Täter, hochgefährlich und bewaffnet, tagelang auf der Flucht war. Weil diesmal kein Bürgermeister, sondern „nur“ eine Frau von ihrem Ex-Freund erschossen worden war?

Monatelange Übergriffe

Seit vielen Jahren werden in Österreich mehr Frauen ermordet als Männer. „Femizide“ nennt man solche Fälle neuerdings, ein Begriff, der aufzeigen will, dass Frauen Opfer struktureller Gewalt werden, aber der doch vor allem nach Desinfektionsmittel riecht. Clean, irgendwie steril. Und keinen Eindruck gibt von der Brutalität, die hinter diesen Fällen steht. Wer sich die Mühe machte, den Fall aus Maria Alm weiterzuverfolgen, bekam davon einen Eindruck: Dem Mord waren monatelange Übergriffe vorangegangen. Der Mann hatte seine Ex-Partnerin bedroht und sich Zugang zu ihrer Wohnung verschafft. Ein Ermittlungsverfahren wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt. Zur letzten Aussprache mit dem Tatverdächtigen hatte die Frau zum Schutz sogar eine Freundin mitgenommen.

Dass die Beziehungs- oder Familienidylle zum Albtraum wird, kann jeder Frau passieren

Anna Gasteiger

Eine Frau wird auf offener Straße erschossen, und keinen regt’s besonders auf – es ist bitter, das aufschreiben zu müssen und zu wissen, dass es wahr ist. Offenbar hat man sich an solche Fälle gewöhnt. Oder nie entwöhnt von der Vorstellung, dass Frauen ihren Männern irgendwie gehören und es halt blöd ausgehen kann, wenn eine dagegen rebelliert.

Gewisse Zeitungen schreiben dann von Beziehungsdramen oder -tragödien, als wär’s ein Stück von Aischylos und am Tod der Betroffenen möglicherweise irgendein Gott schuld, der seine Finger nicht aus den Angelegenheiten der Menschen lassen kann, keinesfalls aber der Mann, der geschossen, gestochen, gewürgt oder geschlagen hat.

Nationaler Aktionsplan

Politikerinnen in diesem Land sind sich der Problematik bewusst. Ein Nationaler Aktionsplan wurde bereits beschlossen, Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner kündigte Maßnahmen wie eine Fußfessel für Hochrisikotäter, Gewaltambulanzen in den Bundesländern und mehr Schutz von Frauen im öffentlichen Raum an. Solche Maßnahmen sind wichtig, aber das Problem geht tiefer.

Die Teilnahmslosigkeit gegenüber den zahlreichen Frauenmorden, die in Österreich jedes Jahr passieren – allein letztes Jahr waren es 25 –, wirft grundlegende Fragen auf. Wenn diese Form der strukturellen Gewalt gegen Frauen nicht besonders aufregt, ja geduldet wird, welche allgemeinen Rückschlüsse auf das in unserer Gesellschaft verbreitete Frauenbild lässt das zu? Wenn nicht einmal das Leben von Frauen wirksam geschützt werden kann, wenn es nach wie vor Männer gibt, die glauben, dass sie einfach drauflosschießen können, wenn ihnen das Verhalten ihrer Partnerin nicht passt, müssen wir über Gleichberechtigung in anderen Bereichen gar nicht reden.

Neuer Konservatismus

Dabei hängt beides eng zusammen. Die Stellung von Frauen in der Gesellschaft und die Gewalt, die man glaubt, ihnen antun zu dürfen. Aber diese Debatten sind leider aus der Mode geraten. Feminismus, als links und lästig abgestempelt, ist out. Ein neuer Konservatismus breitet sich aus, der Frauen wieder ihre traditionellen Rollen zuweist. Und das ist potenziell gefährlich.

Im Internet trenden Trad Wives, Social-Media-Personae, die ihre Kanäle mit Brotbackrezepten, Lunchbox-Befüllung und penetranter Ausstellung von Mutterglück bespielen. Aber während die amerikanischen Glamour-Hausfrauen dank gut gefüllter Bankkonten finanziell unabhängig sind, gilt für die viele heimische Frauen: Teilzeitjob, Schulden, Abhängigkeit. Keine Möglichkeit, zu gehen, wenn zu Hause, im vermeintlichen geschützten Bereich, Grenzen überschritten werden. Dass die Beziehungsoder Familienidylle zum Albtraum wird, kann jeder Frau in diesem Land passieren. Nüchterner Befund: Unsere Gesellschaft ist nicht in der Lage, zu garantieren, dass sie das überlebt.

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