ÖVP, SPÖ und NEOS wollen den demokratischen Rechtsstaat für den Fall stärken, dass Kickl einmal das Sagen hat. Geliefert haben sie bisher jedoch Gegenteiliges.
Analyse der Woche
Es ist kein Zufall, dass im Regierungsprogramm von „wehrhafter Demokratie“ und einem „starken Rechtsstaat“ die Rede ist und dass Kanzler Christian Stocker (ÖVP) das Land mit Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) sturmfest machen will: Es hat damit zu tun, dass Herbert Kickl (FPÖ) oder einer, der so tickt wie er, eines Tages das Land nach dem Vorbild des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán umbauen könnte. Das sollte ihm wenigstes schwer gemacht werden.
Bisher sind Stocker und Co. jedoch an sich selbst gescheitert und haben Gegenteiliges geliefert. Beispiel 1: Die Feststellung eines Notstands, um den Familiennachzug bei Asylberechtigten aussetzen zu können. Ein Geschenk für Kickl: Er fordert derlei seit Jahren, um weitreichende Maßnahmen durchsetzen zu können. Jetzt kann er sich auf Schwarz-Rot-Pink berufen: Die Koalition hat’s vorgemacht.
Beispiel 2: Personalentscheidungen. Zur Verhinderung von Machtmissbrauch müssten neue Standards gesetzt werden. ÖVP und SPÖ waren zuletzt jedoch selbst damit überfordert, für den ORF-Publikumsrat Leute nominieren zu lassen, die gesetzlichen Vorgaben entsprechend möglichst unabhängig sind von ihnen. Sprich: Sie werden sich nicht beschweren können, falls einer wie Kickl eines Tages ähnlich, aber zu seinen Gunsten agiert.
Beispiel 3: Mit den Grünen finden ÖVP, SPÖ und NEOS, dass Kabinettsmitarbeiter von Regierungsmitgliedern auch Social-Media-Seiten mitbetreuen dürfen, die diesen oder deren Partei gehören. Die FPÖ lehnt das ab. Die drei denken dabei auch nicht an Kickl, sondern an sich selbst. Damit geht jedoch ein Riesenpotenzial für jeden Kanzler oder Minister einher, der wie der FPÖ-Chef Hunderttausende Facebook-Follower hat: Er bekommt hier auf Kosten der Steuerzahler zusätzliche Mittel zugesprochen, sich darzustellen, wie es ihm oder seiner Partei gefällt – und zwar ungestört von kritischen Medien.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28+29/25 erschienen.