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Wer ist Sanae Takaichi, die erste Frau, die Japan regiert?

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Sanae Takaichi

©Anadolu via Getty Images

Sie trommelte in einer Heavy-Metal-Band und verehrt Margaret Thatcher jetzt trommelt Sanae Takaichi als Ministerpräsidentin für ein Japan, das zur Weltspitze zählt.

Von Marco Kauffmann Bossart, Martin Koelling, Tokio, zuerst erschienen in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ)

Die Reihe der farblosen japanischen Regierungschefs ist lang. Jetzt hat Japan mit Sanae Takaichi zum ersten Mal eine Frau als Ministerpräsidentin – ihr Lebenslauf ist alles andere als grau. Sie trennte sich von ihrem Mann wegen politischer Meinungsverschiedenheiten nach 13 Jahren Ehe, bevor sie ihn vier Jahre später wieder heiratete.

Ihr Weg an die Spitze

Als Studentin trommelte Takaichi in einer Heavy-Metal-Band. Und in ihrer über 30 Jahre langen Politkarriere als Abgeordnete und Ministerin beschäftigte sie sich mit verschiedensten Dossiers, unter anderem der „Cool Japan“-Kampagne der ­2010er-Jahre. Das Ziel: mit kultureller Soft Power den internationalen Einfluss stärken. „Ich stehe bereit, Japan zurück an die Weltspitze zu führen“, so pries sich die China-Skeptikerin im parteiinternen Wettbewerb an.

Takaichi stammt aus einfachen Verhältnissen. Ihr Vater arbeitete in Osaka bei einem Zulieferer des Autobauers Toyota, ihre Mutter war Polizistin. Takaichi zeigte früh politische Ambitionen. Sie besuchte die Matsushita-Regierungs- und -Managementschule des Panasonic-Gründers Konosuke Matsushita. Dieser wollte mit seiner Einrichtung Kindern einfacher Leute den Weg in die von Dynastien geprägte Politik öffnen. Mit Erfolg. Takaichi nutzte die Schule, um sich international zu vernetzen. So absolvierte sie ein Praktikum als Mitarbeiterin einer demokratischen Kongressabgeordneten in den USA. Nach ihrer Rückkehr gelang Takaichi 1995 erstmals der Sprung ins Parlament.

Austeilen gegen Ausländer

Takaichi fühlt sich von der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher inspiriert, einer Konservativen von hartem Schrot und Korn. Japans neue Ministerpräsidentin sperrt sich beispielsweise gegen eine Reform des Namensrechts. Frauen sollen nach der Heirat weiterhin den Namen ihres Mannes führen müssen. Im Wahlkampf schimpfte Takaichi gegen ungehobelte ausländische Touristen. Und sie forderte, Wirtschaftsmigranten auszuschaffen, die sich als Asylbewerber ausgäben.

Scharfe Kante zeigt sie auch im Umgang mit der Vergangenheit: Als Regierungschefin werde sie weiterhin den Yasukuni-Schrein in Tokio besuchen, sagte sie einmal. Aus Sicht nationalistischer Klientel eine Pflicht, um die Veteranen zu ehren; für progressive Kreise und die Opfer des japanischen Militarismus eine Provokation, weil in dem Schrein auch verurteilter Kriegsverbrecher gedacht wird.

Weshalb hat es eine für japanische Verhältnisse unkonventionelle Persönlichkeit an die Spitze der japanischen Regierung geschafft? Weil die Partei der Liberaldemokraten (LDP), die Japan über sieben Jahrzehnte hinweg praktisch durchregierte, in ihrer größten Krise steckt. Bei den letzten Wahlen trumpften Splitterparteien wie die rechtspopulistische Sanseito auf: mit jungen Köpfen und peppigen Slogans wie „Japanese first“ gegen die angebliche Überfremdung. Sanseito holt Wählerinnen und Wähler ab, die sich von der durch Korruptionsskandale lädierten LDP abwenden.

Einheitsbrei im Wahlkampf

Sanae Takaichi hat sich in der LDP überraschend deutlich gegen Shinjiro Koizumi durchgesetzt, den Sohn eines populären Ministerpräsidenten. Dabei bewies sie auch Anpassungsfähigkeit. Obwohl sie inhaltlich konservativer ausgerichtet ist als ihr junger Rivale, marschierte sie in den letzten Wochen auf die Mitte zu. Sie vermied kontroverse Aussagen, offensichtlich darum bemüht, die Wählerbasis zu verbreitern. Gleichzeitig stach Takaichi mit Charisma, einem forschen Stil und Medienaffinität hervor. Darin ähnelt sie dem Aufsteiger der neuen Rechten, dem Sanseito-Chef Sohei Kamiya.

Wenngleich Takaichi frischen Wind in die verstaubte LDP bringt: Sie gehört wie ihr gescheiterter Gegenspieler zu den Parteiveteranen. Takaichi und Koizumi waren bereits vor einem Jahr im Rennen – damals allerdings nur als Außenseiter. Nach den Wahldebakeln der LDP wurde indes deutlich: Die Wählerschaft erwartet von Japans mächtigster Partei eine Führungspersönlichkeit, die sich von der Masse der blassen Technokraten abhebt. Takaichi hat ihre Chance gepackt.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 44/2025 erschienen.

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