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Ärztekammer warnt vor Medikamentenengpässen im Winter

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Arzneimittel nicht immer erhältlich
©APA, THEMENBILD, BARBARA GINDL
Die Österreichische Ärztekammer warnt bereits jetzt vor Medikamentenengpässen. "Dass in Österreich regelmäßig hunderte Arzneimittel fehlen, daran haben wir uns leider schon fast gewöhnt", so Präsident Johannes Steinhart am Dienstag. Aufgrund von aktuellen Entwicklungen könnte die Lage noch weiter verschärft werden, spätestens in der kühleren Jahreszeit. Grund dafür seien der steigende Preisdruck auf die Hersteller und die mögliche Einführung einer Wirkstoffverschreibung.

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Bei einer Pressekonferenz in der Österreichischen Ärztekammer zeichneten Steinhart und Ernst Agneter, Facharzt für Pharmakologie und Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien, ein Szenario, dass dieser Medikamentenmangel in den kommenden Monaten und auch Jahren drohen könnte. "Dass kranke Menschen dringend benötigte Medikamente nicht bekommen, ist aus medizinischer Sicht inakzeptabel und für ein wohlhabendes Land wie Österreich beschämend", sagte Steinhart.

Das 2017 eingeführte Preisband für Arzneimittelspezialitäten hat den Preisdruck auf die Hersteller weiter erhöht. Dadurch darf der Höchstpreis eines erstatteten Arzneimittels maximal 20 Prozent über dem des günstigsten wirkstoffgleichen Medikaments liegen. Das habe aber dazu geführt, "dass Österreich international als Billigland für Medikamente gilt", sagte Steinhart. Für die Hersteller sei der Markt in Österreich nicht mehr attraktiv, diese würden dann lieber in anderen Ländern produzieren. So wurde laut Agneter der Preis des auch an Kinder verabreichten Breitbandantibiotikums Amoxicillin fünf Mal gesenkt.

Ein weiterer "fataler Fehler" wäre laut Steinhart zudem die Einführung der Wirkstoffverschreibung in Österreich, wie es immer wieder von der Politik gefordert wird. "Dieses Konzept bedeutet, dass Ärztinnen oder Ärzte einer Patientin oder einem Patienten statt einem bestimmten Präparat nur noch den Wirkstoff verschreiben", erklärte der Ärztekammer-Präsident. Welches Medikament die Patienten dann in der Apotheke erhalten, unterliege dann aber der Entscheidung des Apothekers. Dabei kann es sich auch um das wirkstoffgleiche, aber günstigere Generikum handeln. "Der Arzt kennt aber den Patienten gut mit all seinen Bedürfnissen", kritisierte Steinhart. Zu befürchten sei, dass die Auswahl nicht mehr am konkreten Bedarf eines Patienten orientiert ist, sondern auch andere Überlegungen wie Lagerhaltungskosten oder Gewinnspannen für die Apotheken entscheidungsrelevant werden.

"Es muss davor gewarnt werden, dass die Compliance, also die Therapietreue, stark leidet, wenn ein Patient ständig neue Präparate bekommt", sagte Steinhart. Patientinnen und Patienten würden sich auch gerne an Form oder Farbe der Arznei oder das Aussehen der Verpackung orientieren, ihnen sagt Medikamenten- und Wirkstoffnamen nichts. Viele würden laut dem Ärztekammer-Präsidenten sagen, "ich kenn mich schon nicht mehr aus".

Das Risiko, dass es zu Verwechslungen bei der Medikamenteneinnahme komme, sei also hoch", sagte Steinhart. Er berichtete von Überdosierungen, weil bei Generika manchmal die Bruchspalte fehlen würde und die Tabletten dann nicht halbiert, sondern als Ganzes genommen werden. Laut Agneter gebe es zum Beispiel bei dem Wirkstoff Simvastatin sieben verschiedene Möglichkeiten der Darreichungsform und Stärke. Es könne laut Steinhart dadurch zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.

Die Preisreduktion durch die Generika hat seine Konsequenzen. Laut Agneter würden durchschnittlich 20 Generika-Arzneimittel pro Monat den Erstattungskodex in Österreich verlassen, weil deren Herstellung nicht mehr wirtschaftlich ist. "Der Wirkstoff Atorvastatin wurde 2005 mit einem Fabrikabgabepreis von 33 Euro in den Erstattungskodex aufgenommen", sagte der Mediziner. Das günstigste Generikum liege aktuell bei 3,24 Euro. Somit haben sich die Preise in 20 Jahren um 90 Prozent reduziert." Dazu komme die kommunale Abwasserrichtlinie der EU. Diese würde die Versorgung mit Metformin gefährden. "Metformin ist ein wirksames, günstiges Medikament, auf das weltweit rund 130 Millionen Patienten angewiesen sind. Es dient zur Behandlung von Diabetes Typ 2. Wenn die urban waste water treatment Guideline umgesetzt wird, dann ist anzunehmen, dass dieses Medikament vom Markt verschwindet", warnte Agneter.

Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig, sprach sich in einer Aussendung ebenfalls gegen eine Wirkstoffverschreibung aus, die die Probleme bei der Medikamentenversorgung nicht lösen, sondern nur vergrößern würde: "Es sind bereits konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Engpässen bei Medikamenten gesetzt worden. Würden, wie in der Vergangenheit oftmals diskutiert, die österreichischen Ärztinnen und Ärzte in Zukunft dazu verpflichtet, keine Medikamentennamen, sondern nur mehr Wirkstoffe auf ein Rezept zu schreiben, dann hätte das nur Verunsicherung und sicherlich keinen einzigen Engpass weniger zur Folge." Wesentlich sei, auf europäischer Ebene Maßnahmen zu setzen, denn Engpässe seien kein rein nationales Problem.

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