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2nd Opinion: Zuversichtspropaganda

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Michael Fleischhacker

©Beigestellt

Die Aufforderung zur Zuversicht, die den Bürger staatlicherseits ereilt, wenn es mal wieder schlecht läuft, ist nichts als abgegriffene Propaganda. Denn zuversichtlich ist nur der Einzelne, der Staat, der Zuversicht verlangt, hat nichts zu geben.

Die Österreicher, heißt es, seien ein Volk, das mit besonders großer Zuversicht in die Vergangenheit blickt. Wie so oft gibt es unterschiedliche Angaben zur Autorschaft des Zitats, im Angebot sind Karl Kraus, Karl Farkas und Alfred Polgar. Aber wichtig ist ja nicht, wer es wann und wie genau gesagt hat. Wichtig ist, ob es stimmt. Und es stimmt nicht nur, es ist sogar wahr. Das wird mit ein Grund dafür sein, dass sich die gegenwärtige Regierung einer Zustimmung erfreut, die angesichts der Umstände ihres Zustandekommens und auch angesichts ihres Programms überraschen könnte.

Dass es nach wie vor keine überzeugende Antwort auf die katastrophale budgetäre Lage gibt, scheint die Bürger ebenso wenig zu stören wie die Umkehrung des ursprünglichen Mottos der Dreier-Verhandlungen, das da lautete: Weiter wie bisher ist keine Option. Weiter wie bisher ist inzwischen die einzige Option, und das ist auch stimmig, denn der amtierende Bundeskanzler ist so etwas wie das österreichische Weiterwiebisher auf zwei Beinen. Wenn jemand nach ein paar Wochen den Eindruck vermitteln kann, dass er schon immer da gewesen ist, hat er einen festen Platz im Herzen der Österreicher.

Keine Wellen

Und kann man es ihnen verdenken, den Österreichern? Ist nicht die Idee, dass ein „weiter wie bisher“ keine Option sei, eine Zumutung, auf die man gut und gern verzichten kann? Haben wir denn gute Erfahrungen gemacht damit, wenn in unserer Geschichte Ernst damit gemacht wurde, dass ein „weiter wie bisher“ keine Option ist? Zuversicht ist immer gut, und ob man zuversichtlich in die Zukunft oder in die Vergangenheit blickt, ist möglicherweise gar nicht so wichtig. Denn Zuversicht bedeutet Zustimmung und Vertrauen, wer zuversichtlich ist, macht keine Probleme, Zuversicht ist erste Bürgerpflicht. „Nur keine Wellen“ lautete der zweite Teil der österreichischen Fernsehtrilogie „Mutig in die neuen Zeiten“. Er wurde seinerzeit naturgemäß am Nationalfeiertag erstausgestrahlt.

Wenn es mal nicht so besonders läuft, häufen sich allerorts die Aufrufe zur Zuversicht, denn wenn es Probleme gibt, ist es besonders wichtig, dass niemand Probleme macht. Es sollen sich alle zuversichtlich versammeln hinter dem neuen deutschen Bundeskanzler und hinter der neuen europäischen Aufrüstungsstrategie, hinter Werten und hinter Ideologien. Die Forderung nach kollektiver Zuversicht bedeutet in der politischen Kommunikation nichts anderes als einen Aufruf zur Gefolgschaft ohne wirkliche Grundlage. Wer Zuversicht verlangt, hat eigentlich nichts anzubieten. Die Aufforderung zur kollektiven Zuversicht ist nicht nur kein Programm, sondern sogar das genaue Gegenteil davon.

Der einzelne Mensch hingegen käme nie auf die Idee, zuversichtlich zu sein, wenn er nicht eine ziemlich klare Vorstellung davon hätte, wie er seine Wünsche in Wirklichkeiten verwandeln kann. Wenn Zuversicht am Werk ist, spürt man das sofort in Form von Energie. Wenn viele Einzelne an ihrer Zukunft basteln, nichts unversucht lassen, sich durch Rückschläge nicht entmutigen lassen, ihr Ziel auch dann im Auge behalten, wenn es zwischendurch etwas entfernter erscheint als noch vor kurzer Zeit, dann materialisiert sich Zuversicht jenseits von politischen Parolen.

In Europa ist das selten zu spüren, denn die handelsübliche politische Aufforderung zur Zuversicht als Gefolgscchaft korrespondiert mit der Vorstellung, dass nicht der Einzelne, sondern der Staat dafür verantwortlich ist und es in der Hand hat, ob sich etwas ändert, ob man weiterkommt, ob ein besseres Leben realistisch und ein ambitioniertes Ziel erreichbar ist. Ich schreibe diesen Text in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste. Wer wissen will, was Zuversicht unter schwierigen Voraussetzungen bedeutet und spüren will, welche Energie solche Zuversicht freisetzen kann, ist hier am richtigen Platz. Was hier passiert, ist faszinierend, wohl auch, weil man selbst als aufmerksamer Medienkonsument nichts davon erfährt. Afrika sehen viele Mitteleuropäer oft immer noch nicht als Kontinent mit 54 unterschiedlichen Ländern, sondern als ein homogenes, seltsames Gebiet, in das wir selten fahren, aus dem aber viele kommen, die wir nicht wollen. Um das zu verhindern, heißt es, müssen wir die Fluchtursachen bekämpfen. Was immer das dann heißen soll, in der Regel nichts.

Vielleicht wäre es vernünftig, sich von Zeit zu Zeit in andere Weltgegenden, zum Beispiel nach Afrika zu begeben, um zu sehen, wie das aussieht, wenn die Menschen selbst die Fluchtursachen bekämpfen – und um zu verstehen, dass diesen Menschen die Bekämpfung der Fluchtursachen noch viel wichtiger ist als uns Europäern, weil sie nämlich gar nicht so gerne flüchten.

Zuversichtlich ist immer nur der Einzelne, der Staat, der Zuversicht verlangt, hat nichts zu geben

Wer das aus nächster Nähe beobachtet, wird verstehen, dass Zuversicht immer etwas Individuelles ist, nämlich der Glaube an die eigene Wirksamkeit, das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, die Hoffnung, dass sich der Einsatz lohnt, für sich selbst und für die, die einem nahe sind. Kollektive Zuversicht hingegen ist ein abgegriffenes Mittel der politischen Propaganda, ein leichtgängiges Werkzeug der Entmündigung, ein kollektives Missverständnis. Zuversichtlich ist immer nur der Einzelne, der Staat, der Zuversicht verlangt, hat nichts zu geben.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 19/2025 erschienen.

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