News Logo
ABO

Spitzentöne: Mario Kunasek probt in der Steiermark die kulturpolitische Barbarei

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
7 min

©ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com
  1. home
  2. Aktuell
  3. News

Dass Mario Kunasek Landeshauptmann wird, ist keine demokratische Selbstverständlichkeit, sondern eine auch kulturpolitische Katastrophe. Und die Verhandlungsteams für die Bundesregierung sollen dazuschauen. Unter anderem, weil den Bundestheatern inflationsbedingter Bankrott droht

Dass Mario Kunasek Landeshauptmann wird, ist keine demokratische Selbstverständlichkeit, sondern eine auch kulturpolitische Katastrophe. Und die Verhandlungsteams für die Bundesregierung sollen dazuschauen. Unter anderem, weil den Bundestheatern inflationsbedingter Bankrott droht.

Na und? Ist denn etwas die Demokratie Unterhöhlendes, die Menschenrechte mit Springerstiefeln Tretendes vorgefallen bzw. zu erwarten in Salzburg, Niederösterreich, Oberösterreich und Vorarlberg? Oder seinerzeit im Burgenland, wo einander SPÖ und FPÖ im Kabinett Niessl-Tschürtz schöngetrunken haben? Oder noch seinerzeitiger im Bund, als sich Kanzler Sinowatz mit dem blauen Vizekanzler Steger gemein machte? Und hat denn das Kabinett Schüssel dem Land außer einem reparaturbedürftigen Ruf Schlimmeres hinterlassen als ein beliebiges Kabinett nach ihm? Sogar Kurz-Strache haben wir ohne chronische Beeinträchtigungen hinter uns gebracht.

Wozu also die nostradamischen Untergangsprognosen, nur weil in der Steiermark jetzt der Wahlsieger das ihm Zustehende bekommt? So lese ich landauf, landab, weil man sich mit dem neuen Amtsinhaber ja irgendwie arrangieren muss. Kunasek sei ein umgänglicher Kumpel, ein schneidiger Soldat und – zu diesem Ende gelangt jeder Beschwichtigungsparcours – jedenfalls kein Kickl.

Das stimmt schon. Auch nicht Svazek in Salzburg, Haimbuchner in Oberösterreich, Bitschi in Vorarlberg, nicht einmal Landbauer in Niederösterreich sind Kickl.

ABER: Sie sind auch nicht Landeshauptleute und haben qualifizierte, halbwegs souveräne Persönlichkeiten über sich. Nicht den feinnervigen, schwer beschädigten Wahlverlierer Drexler unter sich. Und auch nicht einen abgeblitzten, somit bis zur Wirkungslosigkeit unglaubwürdigen Anbiederer als roten Oppositionschef gegen sich.

„Die Kulturnation droht ihre vielleicht einzige Ressource fahrlässig zu verjubeln“

Der Kickl auf Steirisch

Nein, so wie Kickl mit uns allen hat auch der Landeshauptmann Kunasek etwas vor mit seinem Land, und man wird ihm nicht leicht in den Arm fallen können. Was er vorhat, entnehme ich seinem kulturpolitischen Thesenpapier zur Landtagswahl: „Die Politik hat Rahmenbedingungen für die Freiheit der Kunst zu schaffen. Dieser steht gleichberechtigt die Freiheit der Kritik gegenüber...“ Das wären immerhin lobenswerte Gemeinplätze, müsste man nicht weiterlesen: „... denn Fäkalkunst und Österreichhass haben in der Grünen Mark keinen Platz.“ Das trifft ins grüne Mark, zumal das Gepöbel gleich ins Detail weiterleitet: „Schluss mit kulturellen Experimenten wie dem Bruseum!“ Dieses dem im Februar verstorbenen Weltkünstler Günter Brus zugedachte Segment der Neuen Galerie Graz beeinträchtige als „Minderheitenprogramm selbsternannter Eliten“ die „Interessen des Steuerzahlers“. Der Rest des Wirtshausrauferkonvoluts repetiert das Leitkultur-Gerülpse, mit dem stets unter Anführung gesetzten „Künstler“ und dem ORF als Objekten der Verhetzung.

Nicht deutlich genug kann man also als Kulturmensch – und eine andere Identität habe ich nicht – VdB dafür danken, der FPÖ den Regierungsauftrag verweigert zu haben. Und nicht eindringlich genug kann man die Koalitionsverhandler bitten, sich der Instrumentarien der Sozialpartner zu bedienen. Statt Großmaulkapitalisten (KTM sollte Warnung genug sein) und Zuspät- leninisten das Scheitern zu überlassen.

Wer die Kultur verhandelt

Womit ich bei den Verhandlungsteams in Kulturbelangen eingetroffen bin. Schallenberg, ein Kunstminister par excellence, und Sobotka auf Seiten der ÖVP scheinen mir die überzeugendste Besetzung. Wrabetz (SPÖ) ist Schallenbergs ministrables Pendant. Aber dass dort auch Gabriele Heinisch-Hosek amtiert, die als Unterrichtsministerin die Liquidation des Literaturunterrichts zum Faktum verfestigt hat, beruhigt mich nicht. Der Wiener Kulturstadträtin Kaup-Hasler ist Sachkunde nicht abzusprechen. Und da man die Verpflichtung zu personellen Dauerfehlentscheidungen nur schwer im Regierungsprogramm wird festschreiben können, ist sie als Verhandlerin willkommen.

Den Forderungen der Parteien kann man sich, wie immer, nur anschließen: Die ÖVP will die Kunst in die Lehrpläne zurückbringen, das Radiosymphonieorchester und die Sängerknaben retten. Ein donnerndes Chapeau wäre ihr gewiss, käme es nur endlich zur Verwirklichung. Die SPÖ wünscht faire Bezahlung. Die Neos unter dem Hotelier Schellhorn wollen eine Kulturholding, von der Bundestheater, Bundesmuseen und Nationalbibliothek bürokratisch zentralgelenkt würden: ein Erfolgskonzept, das an die desaströse Zusammenlegung der Krankenkassen denken lässt.

Burg und Oper droht Bankrott

Aber was die Neos noch wollen, ist womöglich das Wichtigste überhaupt: Die Basisabgeltung der Bundestheater und der Bundesmuseen soll der Inflation angepasst werden. Das wird gefordert, seit ich denken kann, scheint mir in Zeiten panischen Sparbedarfs aber ferner als je. Und das ist schlecht, denn ich gebe Ihnen ein paar mir von der Bundestheater-Holding überlassene Zahlen ins Wochenende mit: Die Personalkosten der gerade florierenden Staatsbühnen haben sich heuer im Gefolge der Inflation um 20 Millionen erhöht, weshalb mit Wirkung vom September die Reserven angegriffen wurden. Sie werden in zwei Jahren, in der Saison 2025/26, aufgebraucht sein. Dem dann Faktum gewordenen Minus von mehr als 40 Millionen kann nur durch Kündigungen im Bereich des Ensembles und der Technik sowie zwei bis drei Schließtagen pro Woche begegnet werden.

Die Betroffenen müssten von ihrem Schicksal bereits im Oktober kommenden Jahres unterrichtet werden. Dann wird die Kulturnation ihre vielleicht einzige Ressource fahrlässig verjubelt haben. Es sei denn, man könnte die Touristenmassen zu den Damen und Herren Nehammer, Babler und Meinl-Resinger umleiten. Vorausgesetzt, die gelangten überhaupt je zur Besichtigung.

Die drohende Alternative wäre beim welt- und leitkulturkompatiblen Perchtenlauf zu begutachten.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at

Neuer Newsletter! Heinz Sichrovsky informiert Sie direkt: Melden Sie sich hier zu seinem Newsletter an!

Ihre Leserbriefe zu Kulturthemen finden Sie hier: zu den Leserbriefen!

Kolumnen

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER