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Irgendwo zwischen königlichem Helden und schlitzohrigem Hochstapler, sich sorgendem Vater und notorischem Schürzenjäger, verkörpert Odysseus eine der komplexesten Gestalten der altgriechischen Literatur. Ein Meisterwerk hat Homer mit seiner "Odyssee" geschaffen, die seit fast 2.800 Jahren in ihren Bann zieht.
Etwas rätselhaft hält es Nolan mit seiner "Odyssee", die Mitte Juli 2026 erscheint: Wieder einmal setzt der Oscar-Gewinner auf größte Geheimhaltung, nur wenige Details dringen nach außen. Den ersten Trailer gibt es exklusiv bloß im Kino, nirgendwo online. Das Ensemble strotzt nur so vor Stars: Matt Damon (Odysseus), Tom Holland (dessen Sohn Telemachos), die Oscar-Gewinnerinnen Charlize Theron (Zauberin Kirke), Anne Hathaway (angeblich Odysseus' Frau Penelope) und Lupita Nyong'o sowie Robert Pattinson und Zendaya.
Berühmt wird Odysseus, weil er es ist, der mit seinen Kriegern im Bauch des legendären Holzpferdes sitzt, das die Griechen ihren trojanischen Feinden schenken. Erst durch diese List überwinden die Angreifer nach zehn Jahren Belagerung endlich die Mauern des als uneinnehmbar geltenden Troja.
Wegen seiner Selbstüberschätzung vom Meeresgott Poseidon bestraft, muss sich Odysseus ab dann in einer zehn Jahre dauernden Irrfahrt über die Meere gegen den Groll der Götter, Monster und Stürme, liebliche Versuchungen und manch moralisches Dilemma durchsetzen. Da wären der einäugige Riese Polyphem, die tödlichen Gesänge der Sirenen, die schlingenden Meerungeheuer Skylla und Charybdis oder die Reize der Zauberin Kirke. Am Ende lassen ihn die Götter zurückkehren zu seiner treuen Penelope, die über 20 Jahre lang ihre Verehrer mit geschickten Verzögerungstaktiken abhält.
Mit dieser Ankunft auf Ithaka setzt Uberto Pasolinis Film "The Return" (2024) ein, der hierzulande bisher ein Nischendasein fristet. Ungeheuer sind hier nicht zu sehen. Das Augenmerk ist stattdessen auf etwas anderes gerichtet: auf den von Krieg und den Strapazen der Reise traumatisierten Helden.
Gespielt wird dieser von einem drahtig-muskulösen Ralph Fiennes ("Konklave"), der sich auf seiner Insel nun gegen die Freier um die loyale Penelope (Juliette Binoche) behaupten muss. Es kommt zur Rache und Blutbad. Kritiker sind besonders von den Hauptdarstellern ("Wer braucht Götter, wenn er Ralph Fiennes hat?") in diesem düsteren Charakterfilm begeistert.
Auch der britische Komiker und Schauspieler Stephen Fry kann dem antiken Stoff offensichtlich nicht widerstehen. Seine bisherige Mythen-Trilogie ("Mythos", "Helden", "Troja") erweitert er um einen vierten Band. Mitte Oktober wird seine "Odyssee" auch auf Deutsch erscheinen.
"Er ist clever, er ist gerissen, er ist schlau", bewundert der Autor seinen Helden in einem Interview anlässlich der Veröffentlichung in Großbritannien. Von allen Figuren der griechischen Mythologie passt er wohl am besten zu Frys saftiger Sprachlust und mitreißendem Schalk. Dessen reflektierte Unbeschwertheit ist mehr als eine Nacherzählung Homers. In einer Art Bildungsauftrag vermittelt er en passant genauso Diskussionen aus Sprach- und Altertumsforschung.
Weil Fry auch etwa die Nach-Troja-Heimkehr des Griechenkönigs Agamemnon (der zu Hause von seiner Frau Klytaimnestra ermordet wird) oder des Trojaners Aeneas (der nach einer eigenen Irrfahrt schließlich zum Gründervater Roms wird) beschreibt, wirkt sein Buch zuweilen überfrachtet. Was allerdings stärker aufstößt: Er macht den Fehler vieler früherer "Odysseus"-Adaptionen, indem er für die Erhöhung seines Helden die Frauencharaktere zu abhängigen und unselbstständigen Nebenfiguren degradiert. Dabei hätte Fry doch mit einem feministischeren Ansatz etwa über Margaret Atwoods "Die Penelopiade" (2005) durchaus zu einer komplexeren Deutung Homers finden können.
Einer solchen geht wiederum die deutsche Autorin Ulrike Draesner nach. In ihrem sogenannten Post-Epos "penelopes sch()iff", das dieser Tage erscheint, erzählt sie in durchaus herausfordernder Versform von "jenem dunklen Raum, in dem üblicherweise nur noch Abspann läuft".
Soll heißen: Während Penelope und ihre Sklavinnen in den meisten Umsetzungen des Stoffes vernachlässigt werden, rücken sie bei Draesner ins Zentrum eines alternativen Geschehens. "Selbstverständlich hatte sie Sex mit den Freiern", stellt die Autorin über die Königin von Ithaka klar.
Bei der Autorin gibt es kein Happy End mit der Wiederherstellung der Herrschaft des Odysseus, denn die freiheitsliebende Penelope sticht mit ihren Frauen selbst in See. "herumstieben werden sie / wie rinder einer herde die / anschwirrt die bremse und / vor sich herjagt - kopflos", dichtet Draesner.
Die Frauencrew segelt anders als der homerische Odysseus ohne Eroberungsvorsatz ins Ungewisse. An einer Lagune in der Nordadria gründen sie eine Siedlung (heute Venedig), mit einem neuen Gesellschaftsbild und einer neuen Form von Zusammenleben. Ganz unhierarchisch - und im beherzten Sinne unhomerisch.