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Jegana Dschabbarowa stellt Roman in Salzburg und Wien vor

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Debütroman von Jegana Dschabbarowa
©APA, Zsolnay Verlag
"Die Hände der Frauen in meiner Familie waren nicht zum Schreiben bestimmt", hat Jegana Dschabbarowa ihren ersten Roman genannt. Sie beschäftigt sich darin auch mit anderen Körperteilen, und nach ihnen heißen auch die einzelnen Kapitel: Augenbrauen, Augen, Haare, Mund, Schultern, Hände, Zunge, Rücken, Beine, Hals, Bauch. Es ist ein ungewöhnliches, bedrückendes, mutiges Buch, das die Autorin am Montag in Salzburg und am Mittwoch in Wien vorstellt.

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Jegana Dschabbarowa wurde 1992 als Tochter einer aserbaidschanischen Familie im russischen Jekaterinburg geboren. Die Regeln sind rigide: Den Männern gehört die ganze Macht. Dazu gehört auch Gewaltausübung. Junge Frauen gehören so bald wie möglich verheiratet, und ab dann sind sie praktisch Eigentum ihres Mannes. Ihre Hände müssen waschen, putzen und kochen. Ihre Augen sind am besten zu Boden gerichtet, den Blicken von Männern offen zu begegnen, gilt als unschicklich. Und ihr Mund ist möglichst geschlossen zu halten. Widerrede wird nicht gerne gehört.

Unter diesen Umständen macht sich ein aufmüpfiges Mädchen wie die Hauptfigur, von der man annehmen darf, dass sie autobiografische Züge der Autorin trägt, nicht beliebt. Sie hinterfragt die Dinge, denen sie begegnet, kann aber gegen viele nichts ausrichten. Gegen die Schläge etwa, mit denen der krankhaft eifersüchtige Vater immer wieder die Mutter traktiert. Gegen die Schimpfworte, die sie als Angehörige einer Minderheit in der Schule ertragen muss. Oder gegen den Tadel, den sie in der Familie ausgesetzt ist - weil sie sich zu sehr assimiliert und die russische Sprache immer mehr als die ihre annimmt, weil sie sich nicht in den vorgegeben Lebensplan fügt und verheiraten lässt.

Die Verweigerung drückt sich auch körperlich aus. Die Muskeln verweigern zunehmend ihren Dienst. Einfachste Tätigkeiten werden immer schwerer ausübbar. Die Erzählerin funktioniert nicht mehr. "Manchmal denke ich, wie symbolträchtig meine Krankheit doch war: Je weniger frei ich war, desto mehr Muskeln wurden von der Krankheit befallen."

Dass die Dystonie, die ihre Muskeln steinhart werden lässt, ausgerechnet durch das Implantieren eines elektrischen Impulsgebers, erträglich wird, dass die rebellische Frau also körperlich quasi zur Maschine wird, während ihre Gedanken frei und widerständig bleiben, zählt zu den bösen Pointen dieses außergewöhnlichen Buches, das für die Darstellung von rassischer und patriarchaler Unterdrückung einen neuen sprachlichen Zugang findet, der gleichzeitig betört und bestürzt.

Indem Dschabbarowa medizinische Gründlichkeit und soziale Erkenntnis vereint, ergeben sich durch die Anamnese auch Wiederholungen. Man sollte sie als Stilmittel begreifen, als Instrument der Verstärkung: Die Symptome mögen unterschiedlich sein, die Diagnose ist stets dieselbe. Dabei kann man nur ahnen, was Körper und Geist der Autorin noch alles erlitten haben.

2023 ist ihr Roman auf Russisch in Moskau erschienen. Anfang 2024 war ihr Verbleib in Russland unmöglich geworden. "Traurigerweise wurde ich zur Zielscheibe menschlichen Hasses - ich war endlosen Cyberattacken, Todesdrohungen, Denunziationen und Schikanen ausgesetzt. Ab einem bestimmten Punkt wurde es nicht nur unmöglich, zu Hause zu bleiben, sondern auch gefährlich", erzählt sie in einem Verlagsinterview. Hals über Kopf musste sie aufbrechen und emigrieren. Heute lebt sie in Hamburg und sagt: "Die Erfahrung, die ich gemacht habe, hat leider mein Sicherheitsgefühl dauerhaft erschüttert."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Jegana Dschabbarowa: "Die Hände der Frauen in meiner Familie waren nicht zum Schreiben bestimmt", Übersetzt aus dem Russischen von Maria Rajer, Zsolnay Verlag, 144 Seiten, 23,70 Euro; Buchpräsentationen: Montag, 27.10., 19.30 Uhr, im Literaturhaus Salzburg, Mittwoch, 29.10., 19 Uhr, in der Wiener Hauptbücherei am Gürtel.)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Zsolnay Verlag

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