Er sprang vom Himmel - sie fiel aus allen Wolken. Erstmals spricht Felix Baumgartners Lebensgefährtin Nicole Öttl, 33, über ihr schwieriges Leben im Schatten des Extremsportlers.
Er stürzt sich aus den Weiten des Alls in die Tiefe und landet direkt in ihren Armen. Die beiden heiraten, bekommen Kinder - doch das Leben, es ist kein sentimentales Rührstück.
Nicole Öttl, 33, ist die Frau, die vor den Augen der Welt um Felix Baumgartner, 44, zitterte. Allein, ihre Geschichte ist nicht jene, die sich die Yellow Press in ihrem Namen erdichtete.
Die ehemalige Kunstturnerin und nunmehrige Kinder-Sporttrainerin lebt zurückgezogen in Linz, gut 500 Kilometer von Baumgartners Schweizer Domizil entfernt, die Treffen sind kurz und rar.
„Man soll in einer Beziehung den Partner nicht von seinen Träumen abhalten“, sagt sie im NEWS-Interview. Dem ersten, in dem sie offen über die Problematik ihrer Partnerschaft spricht. Aber auch über das Kinderhilfsprojekt "Fly with me“, deren wichtigste Galionsfigur sie wurde.
Frau Öttl, weshalb engagieren Sie sich nun als Schirmherrin für ein Kinderprojekt?
Weil es für mich nichts Schöneres gibt als das Lächeln eines Kindes - und ich nicht völlig tatenlos zusehen möchte, was mit unserem Nachwuchs passiert: In meinem Beruf als Kinder-Sporttrainerin sehe ich, wie wichtig es ist, den Kleinen Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Denn wenn man jetzt sogar noch mehr Turnstunden streichen will und die Kids ihre Zeit lieber vor dem Computer verbringen, wird die Wirtschaft irgendwann keine resistenten Arbeitskräfte mehr haben, sondern bloß Leute, die krank und schwach sind. Anstatt darüber zu diskutieren, ob die Kinder in der Früh länger schlafen sollen, würde eine morgendliche Sportstunde mehr Sinn machen. Kinder haben das Recht auf Bewegung, das Recht auf Sport. Aber das wird noch immer sträflich unterschätzt.
Der Umstand, dass man Sie um Ihre Mithilfe bat, hat natürlich primär mit Ihrer Funktion als "Frau Baumgartner“ zu tun - wie schwierig war es, in diese Rolle hineinzuwachsen?
Am Tag des Stratos-Projektes habe ich nicht daran gedacht, dass mir die ganze Welt zuschaute, weil ich darauf fokussiert war, dass Felix heil herunterkommt. Doch dass danach Leute wie Tom Cruise mir versicherten, sie würden mich aus dem Fernsehen kennen, das war mir schon unheimlich. Ich sagte ihm lachend:, Ja, ich kenne Sie auch aus dem Fernsehen.’ Aber ich kann mich mit diesen Kreisen nicht hundertprozentig identifizieren, die mir oft begegnete Oberflächlichkeit dieser Welt hat nichts mit der bodenständigen Nici aus Linz zu tun. Außerdem bin ich nicht die Frau Baumgartner, sondern die Frau Öttl, und wir haben nicht vor, in nächster Zeit zu heiraten, das ist nur eine Zeitungsente. Punkt.
Aber Sie haben sich das Datum seines Sprunges ja sogar aufs Handgelenk tätowieren lassen, somit quasi in Ihr Leben eingebrannt …
Weil es ein Tag war, der mein Leben geprägt hat. Nachdem Felix und ich seit nunmehr vier Jahren zusammen sind, bin ich in dieses Projekt mit hineingewachsen. Am Anfang dachte ich mir: Ja, ja, jeder hat seine Träume und Visionen. Doch dass daraus dann tatsächlich Realität wird, das war mir anfangs doch nicht klar.
Die Welt hat Sie dann als die Frau kennengelernt, die unten saß und mitzitterte. Beschreiben Sie Ihren inneren Spielfilm.
An diesem Tag war ich wie in Trance, die Welt um mich herum hatte ich fast vergessen. Meine Gedanken waren immer bei ihm. Ich bin sonst nicht übertrieben gläubig, doch an diesem Tag habe ich die ganze Zeit gebetet und gehofft, dass das Ganze gut geht. In der Situation habe ich an etwas Überirdisches geglaubt - und an Felix und seine Fähigkeiten. Ich hatte die ganze Zeit die Hände vorm Gesicht gefaltet und versuchte, auch seine Mama zu beruhigen, denn es gab Situationen, wo wir um Felix wirklich Angst hatten. Diese kurzen Momente, als er ins Trudeln geraten ist, sind mir vorgekommen wie eine Ewigkeit.
Gab es Momente, wo Sie sich dachten, Sie hätten ihn von diesem Sprung abhalten sollen - oder müssen?
Felix kann man nicht abhalten. Und in einer Beziehung den Partner von seinen Träumen abzuhalten, das sollte man nicht.
Ja aber bedeutet denn Beziehung nicht auch Verzicht - Verzicht aus Liebe?
Es gab sicher auch Momente, wo Felix seine Entscheidung, seinen egoistischen Weg, in Frage stellte. Die Mama so leiden zu lassen, das war hart. Ich habe da als ehemalige Leistungssportlerin eine dickere Haut und verstehe, dass einem zweifachen Salto fast zwingend ein dreifacher folgen muss.
Ja eben. Wie soll denn da die Verbürgerlichung des Helden funktionieren?
Er hat sich seinen öffentlichen Heldenstatus verdient, indem er sein Leben riskierte, dafür hat er meinen größten Respekt. Aber für mich ist Felix privat kein Held, den ich stundenlang anhimmle, sondern ein Mensch, der natürlich auch wie jeder andere seine Schwächen und Fehler hat. Zu Hause hat er ganz sicher nicht den Helden zu markieren. Würde ich ihn heroisieren, so würde ich mich ja viel zu stark abhängig machen. Und mich von ihm abhängig zu machen, das wäre für mich das Letzte.
Wie kann man sich Ihren Beziehungsalltag vorstellen?
Wir haben eigentlich keinen Beziehungsalltag, unsere Beziehung ist ein endloser Ausnahmezustand, ein Experiment. Deswegen wäre der Gedanke an Heirat ja auch reichlich naiv. Ich bin ja nicht verrückt, jemanden zu heiraten, mit dem ich noch nie länger als drei Wochen am Stück zusammengelebt habe. Momentan sind wir glücklich - weil unser derzeitiger Plan ist, keinen Plan zu haben. Aber keiner weiß, wie lange das anhält. Es gibt doch tatsächlich Menschen, die mir sagen: "Jetzt musst du ihm schon ein Kind anhängen.“ - Aber ich weigere mich strikt, so zu denken. Solche Denkweisen schockieren mich einfach nur.
Stichwort Kinder …
Felix hat den Wunsch nach Kindern und ich irgendwann sicher auch. Aber für mich ist es wichtig, dass mein Partner dann auch da ist. Er weiß, ich bin nicht die Frau, die alleine die Kinder aufzieht. Ich daheim und er als Pilot unterwegs im Ausland, das wird so nicht stattfinden. Ich sehe nicht ein, weshalb man den Partner von vornherein von seinen Pflichten befreien sollte. Wenn wir Kinder haben sollten, dann muss auch von ihm ein Geben da sein.
Die Option des Scheiterns ist bei Baumgartners Abenteuern oft gleichbedeutend mit dem Sterben - sprechen Sie oft über diese Thematik?
Felix ist kein großer Redner, sondern ein Mann. Groß sprechen tun wir nicht darüber, ich brauche das aber auch nicht, ich glaube, über positives Karma funktioniert das besser.
Wieviel Platz hat eine Frau im Leben eines Volkshelden - und wie erobert sie sich diesen Platz?
Zur Zeit muss ich um diesen Platz hart kämpfen, weil er viele vertragliche Verpflichtungen hat. Ganz ehrlich, anfangs habe ich nicht geglaubt, dass unsere Beziehung das Jahr nach seinem großen Sprung übersteht. Zur Zeit muss ich schon auf viel verzichten und viel einstecken - beispielsweise, dass wir keinerlei Privatsphäre mehr haben. Auch meine Einstellung zur Eifersucht musste ich komplett überdenken. Ich habe nicht gedacht, wie respektlos wildfremde Frauen mit unserer Beziehung umgehen. Keine verträumten Teenager, sondern oft auch verheiratete Frauen mit Kindern, die sich hemmungslos an ihn ranschmeißen. Ich habe keine Angst, nein, es ist nur diese Respektlosigkeit gegenüber unserer Beziehung, die mich kränkt.
Wie kann denn eine Beziehung funktionieren, in der nur einer der Partner Opfer bringt?
Es wird schon die Zeit kommen, wo auch er Opfer bringt. Sie muss kommen. Denn ich denke schon, dass er mir dankbar ist.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 30/2013 erschienen.