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Die "Nachteule" kann im Dunkeln sehen: Krimi von Ingrid Noll

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Ingrid Noll: Kurz vor dem 90er ein neuer Krimi
©APA, dpa, Oliver Berg
Am 29. September begeht Ingrid Noll ihren 90. Geburtstag - als gefeierte Autorin und vierfache Großmutter. Die Protagonistin ihres neuen Krimis "Nachteule" ist dagegen erst 15 Jahre alt. In der Geschichte des Mädchens Luisa, die inmitten eines wohlbehüteten Aufwachsens plötzlich mit den Gefahren und Versuchungen eines nicht gesetzestreuen Lebens konfrontiert wird, hat sich die Grande Dame des deutschen Krimis auch an ihre eigene Pubertät erinnert, wie sie erzählt.

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Als "Nachteule" kann sich Luisa, die in Peru geboren und von deutschen Eltern adoptiert wurde, zu Recht fühlen, denn sie kann im Dunkeln sehen. Diesem medizinischen Phänomen wird zwar nie wirklich auf den Grund gegangen, es führt aber dazu, dass sich die Eltern keine Sorgen machen, wenn Luisa nächtliche Wanderungen durch den nahen Wald unternimmt. Auf einem dieser Streifzüge entdeckt sie die provisorische Behausung eines Obdachlosen, der wohl nur wenige Jahre älter ist als sie. Er nennt sich Tim, gewinnt sofort die Zuneigung des Mädchens, das als Berufswunsch Sozialarbeiterin hat, und entpuppt sich als geschickter und zunehmend unverschämter Manipulator, der die Hilfsbereitschaft des Kindes immer schamloser ausnützt.

Ein wenig wirkt "Nachteule" wie ein modernes Märchen, nicht nur, weil mehr als einmal Reinecke Fuchs vorbeischaut oder eine alte Hexe vorkommt, auch weil sich allmählich hier Unheil zusammenbraut und man bei jeder neuen Eskalation warnend rufen möchte: "Mädel, Mädel, gib acht!" Tim gibt wenig von sich Preis, bringt aber Luisa dazu, ihn zu versorgen, ja ihm im Gästezimmer unterm Dach und in der Sauna im Keller vorübergehend Unterschlupf in ihrem Elternhaus zu gewähren. Um ihre Aktivitäten zu decken, belügt sie immer öfter ihre Eltern und schwänzt die Schule. Aus der Musterschülerin wird ein Problemkind.

Geschickt verbindet Ingrid Noll Ängste und Sorgen eines Teenagers mit dem Nervenkitzel, den das Verbotene bereithält. Dazu zählen auch die Verlockungen, erstmals von einem Mann nicht als hilfloses Kind, sondern als Frau und Gefährtin wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig muss sie entdecken, dass auch rund um sie der Alltag auf Lügengebäude errichtet wurde. Ihr Vater, so kommt sie zufällig drauf, als sie ihn eines Nachts bei einem heimlichen Telefonat im Garten erwischt, betrügt seine Frau und bekommt demnächst ein Kind.

Die größere Gefahr droht jedoch, als Tim die erstaunlichen Nachtsicht-Fähigkeiten seiner Freundin und Helferin entdeckt. Im Dunkeln zu sehen könnte sich nämlich für jene, die bei ihren finsteren Machenschaften im Dunkeln bleiben wollen, als entscheidender Vorteil erweisen. Und erneut geht das Warnlämpchen an: Wird aus der Schülerin am Ende eine Gangsterbraut?

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Ingrid Noll: "Nachteule", Diogenes, 304 Seiten, 26.80 Euro)

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