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Bewegend: Georgi Gospodinovs Roman "Der Gärtner und der Tod"

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Aktualisiert
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Neuer Roman des Booker-Preisträgers
©APA, Aufbau Verlag
"Mein Vater war Gärtner. Jetzt ist er ein Garten." So beginnt der bulgarische Autor Georgi Gospodinov sein nun auf Deutsch erschienenes Buch "Der Gärtner und der Tod". Es ist ein bewegendes Abschiednehmen vom Vater, der in seinen letzten Lebenswochen vom Sohn aufopfernd gepflegt wird und am Ende zwei Dinge hinterlässt: viele Erinnerungen und einen großen Garten. "Was geschah eigentlich mit dem Garten Eden, nachdem er verlassen wurde? Hat das Unkraut auch ihn überwuchert?"

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In "Der Gärtner und der Tod" treiben Liebe, Empathie und Zärtlichkeit die schönsten Blüten und bilden ein üppiges Dickicht, in der aus dem gleichen Nährboden die unterschiedlichsten Gewächse entstehen. "Der Gärtner und der Tod", am Kranken- und Sterbebett des Vaters begonnen und zur Gänze mit der Hand geschrieben, während (zumindest im übertragenen Sinn) die andere Hand jene des langsam die Welt verlassenden Vaters hielt, ist wie ein Gegenentwurf zu Franz Kafkas "Brief an den Vater". "Die gesamte Weltliteratur - die bulgarische macht da keine Ausnahme - besingt die Mutter und schreibt kafkaesk bittere Briefe an den Vater", schreibt Gospodinov in dem autofiktionalen Roman.

Der Roman "Zeitzuflucht", 2020 in Bulgarien erschienen, 2022 auf Deutsch übersetzt und 2023 für seine englische Übersetzung mit dem International-Booker-Preis ausgezeichnet, war der bisher größte Erfolg des 1968 geborenen Autors. Schauplatz war eine "Klinik für die Vergangenheit" für Alzheimer-Kranke, in der jedes Stockwerk im Dekor einem bestimmten Jahrzehnt nachempfunden ist. Schon damals war einer der Patienten seinem Vater nachempfunden, der bereits 17 Jahre zuvor mit einer vernichtenden Krebsdiagnose konfrontiert war. Dieses "erste Sterben" des Vaters findet nun auch Eingang in die 91 kurze Kapitel umfassende Auseinandersetzung mit Leben und Tod, mit Mensch und Natur. Die Pflege des riesigen Gemüse-, Obst- und Blumengartens sei damals eine lebensrettende Aufgabe für seinen Vater gewesen, glaubt Gospodinov. Bis der Krebs zurückkam.

"Diesem Buch lässt sich nicht leicht ein Genre zuordnen, es muss es selbst erfinden. So wie man dem Tod kein Genre zuordnen kann. Auch nicht dem Leben. Und dem Garten? Vielleicht ist er selbst ein Genre oder vereint alle übrigen in sich. Ein elegischer Roman, ein Memoirenroman oder ein Gartenroman. Der Botanik der Schwermut ist das egal", schreibt Gospodinov, der nach dem Tod des Vaters ein akribisch geführtes Tagebuch von dessen täglichen Pflanz- und Erntearbeiten findet, mit dem hinterlassenen Garten schon aufgrund seiner Lebensumstände aber weniger anzufangen weiß als sein Bruder. Der bringt dem Vater 40 Tage lang in der Früh den Kaffee und eine Morgenzigarette ans Grab. Eine der vielen Stellen, die auch das Herz des Lesers ergreifen.

"Ich weiß nicht, ob das Schreiben dieses Buches meine Sicht auf meinen Vater verändert hat. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass es die Perspektive vieler Leser:innen zu ihren Vätern verändert hat", erzählt Gospodinov in einem vom Verlag verbreiteten Interview. "Ich bekomme ständig Briefe von Leuten, die sagen, dass sie, nachdem sie die letzte Seite zu Ende gelesen hatten, sofort ihre Väter angerufen haben."

Das kann man ihnen nicht verdenken, denn das Bild, das er von seinem Vater zeichnet, ist voller Liebe, aber ohne Kitsch. Im realen Sozialismus seien die Väter kaum präsent gewesen, denn die hätten in der Regel in der Fabrik gearbeitet. Manche von ihnen auch in der "Ohrfeigenfabrik", erzählt er in einer der vielen Anekdoten, in der ihn seine eigene Tochter fragt, was eigentlich Ohrfeigen seien. Der eigene Vater habe kaum je gezüchtigt, sein strenger Blick habe genügt, die Kinder zum Schweigen zu bringen, schreibt Gospodinov, baut aber auch zahlreiche kleine Geschichten ein, die den Mutterwitz und den Humor des Vaters belegen.

Am meisten aber beeindruckt "Der Gärtner und der Tod" mit dem Wechsel der Rollen, mit der selbstverständlichen Annahme der neuen Aufgabe durch den Sohn, der sich in einer Rettungsaktion in der Nachtapotheke Erwachsenen-Windeln besorgen muss und in die Rolle des ungelernten Palliativpflegers hineinwächst, während Vater und Sohn bewusst wird, dass der Kranke das Bett in der Wohnung des Sohnes im vierten Stock eines Hauses wohl nie mehr lebend verlassen wird.

"Es ist wichtig, ihre Hand zu halten, während sie sterben, sage ich zu einem Freund, der ebenfalls seinen Vater verloren hat. Wichtig ist, dass wir sie danach loslassen, antwortet er nach kurzem Schweigen."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Georgi Gospodinov: "Der Gärtner und der Tod". Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann. Aufbau Verlag, 240 S., 24,70 Euro)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Aufbau Verlag

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