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Spitzentöne: Das Kulturbudget in Sparzeiten

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7 min

Markus Marterbauer

©APA/Roland Schlager

Mit der Budgetrede brach auch die Stunde der Wahrheit über den Kultur-Etat an. Bei Redaktionsschluss lag erst eine grenzkryptische Medieninformation vor. Aber die Eckdaten sind unmissverständlich, die Probleme großteils verschoben.

Bei Redaktionsschluss – und meine Abneigung gegen diesen Ungustl habe ich Ihnen nie verborgen – lag mir bloß eine grenzkryptische Medienvorinformation zum Kulturbudget vor. Mit dem Resultat kann man vorläufig leben, weil Probleme in die Zukunft vertagt sind (kein Einzelfall im Gesamtpaket). Schwer zu beantworten, ob der ressortzuständige Vizekanzler Babler seine gesamte Interventionsmacht genutzt hat, um die Kunst zu beschützen. Sein Vorgänger Kogler hat das ohne Leidenschaft, aber aus Pragmatismus so gehalten. Auch er war überschaubar sachkundig, aber die Kunst konnte über Mangeldotierung nicht klagen, weil der Vizekanzler mit der reizbaren Klientel keinen weiteren Konflikt wollte.

Dass ein solcher mit Blessuren endet, hatte Kogler schon zu Amtsantritt gelernt: Die ahnungslose Staatssekretärin Lunacek wurde bei Anbruch der Corona-Verwerfungen von ihren eigenen Schutzbefohlenen aus dem Amt gebuht. Kogler berief daraufhin mit Fortüne die kundige Andrea Mayer und gab ihr ausreichende Mittel. Babler hingegen ist sein eigenes Universum, sieht man davon ab, dass in seinem Büro eine anerkannte Expertin für syrische Schiiten und Sunniten die Kulturagenden betreut.

Ich erzähle Ihnen das noch aus einem zweiten Anlass: Der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) ist kürzlich aus allen Ämtern geschieden, nachdem er hilflos der größten, unübertrieben ruinösen Etatkürzung aller Ressorts zugesehen hatte. Der Mann galt als cool: ein schwarzer Leadsänger und Label-Gründer, der zum Amtsantritt Kulturförderung mit einem Bekenntnis gegen den Antisemitismus junktimieren wollte. Leider ist er an der professionellen Umsetzung gescheitert. Dennoch hätte es ihn zuletzt fast in die Bundespolitik getragen. Aber statt ins Kulturministerium der neuen Koalitionsregierung wurde er nach der Budgetkatastrophe zum AMS befördert.

So geht es weiter

Diese Schicksale wurden Babler oft vor die Nase gehängt. Doch was er jetzt vorweist, reicht tendenziell nicht zum Tumult. Gewiss wird die Filmindustrie aufbegehren: „ÖFI+“, ein vor zweieinhalb Jahren eingeführtes Anreizsystem für vorwiegend auswärtige Produktionen, wird von 37,9 auf 15,5 Millionen gekürzt. Das Budget für die heimische Produktion bleibt mit 20 Millionen unverändert.

Damit kann man leben, werden Sie sagen. Ob das auch die freiberuflichen Beleuchter, Requisiteure und Tonmeister so sehen, deren Lebensgrundlagen jetzt nach Ungarn und Deutschland emigrieren, wäre zu erfragen.

Den Ausfall sollen jedenfalls Streaming-Anbieter durch Investitionen in österreichische Produkte minimieren. Das ist ihnen mehr als zumutbar. Nur, dass die Maßnahme, selbst wenn sie sich vom Konjunktiv zum Indikativ bequemt, frühestens in zwei Jahren greift.

Wie sich kleine Institutionen ohne maßgebliche Etaterhöhung dem ehrenwerten Entlohnungsprinzip „Fair Pay“ verpflichten sollen, wird noch zu beantworten sein. Die großen Apparate bleiben vorerst unbeschädigt. Die Bundestheater behalten ihr zugesagtes Budget. Das ist die gute Nachricht. Es bleibt allerdings eingefroren, womit zwar das nächste Jahr nach Auflösung der Reserven noch zu stemmen ist. Aber im übernächsten drohen wegen der rasenden Preissteigerungen drastische Maßnahmen bis zu mehreren Schließtagen pro Woche. Die Touristen, maßgebliche Mitverursacher der aktuellen Staatsopernauslastung von 99,6 Prozent, werden es in der Gestalt von Umweg-Malefizien zu würdigen wissen.

Naturhistorisches, Kunsthistorisches und Belvedere werden die sinnvolle Verschiebung von Umbaumaßnahmen zur Kenntnis nehmen. Die Adaption des Salzburger Festspielbezirks hingegen beginnt termingemäß heuer, nur soll der Bund dem Land und der Stadt zunächst weniger, später dafür entsprechend mehr als vereinbart zuschießen.

Die Lebensgrundlagen der freiberuflichen Beleuchter und Tonmeister emigrieren jetzt

Die Oper erwidert

Einiges davon hat Babler schon vor Wochen via News im Duett mit der von ihm präferierten Kriminalautorin Alex Beer skizziert. Womit ich elegant zum zweiten Kapitel des Tages gelange. Ich lasse meine Interviewpartner ja prinzipiell unwidersprochen sagen, was sie wollen. Aber Einwände sind immer willkommen. Und so hätte auch die Staatsoper dem Gespräch gern etwas angefügt. Zu Alex Beers Reklamation vor allem, die Karten für die Oper seien so teuer, dass sich eine Familie dafür einen Wochenendflug nach London leisten könne:

„Abgesehen vom Stehplatz ab 4€ gibt es gute Karten auf Balkon oder Galerie bei uns im Schnitt bereits um maximal 86€, weniger gute ab 39€. Und für Kinder haben wir TÄGLICH ein Kontingent um 15€, gültig bis zum 16. Geburtstag. Wenn ich also eine vierköpfige Familie mit zwei Teenagern im Alter von 13 und 15 Jahren nehme, könnte sie bei uns zu viert einen wunderbaren Abend um 108€ genießen. Das Rechenbeispiel funktioniert selbst mit Karten in der 1. Kategorie. Wenn Sie hier für eine Karte 232€ zahlten und dazu die Kinderkarten um 15€, käme der ganze Abend auf 494€.“ London-retour hingegen sei in dieser Besetzung selbst per Billigstflug nicht unter 930€ erreichbar.

Und die Kinder

Babler wiederum lobte Schulprojekte und Kinderprogramme quasi als Volksopern-eigenes Allein-Atout. Da verweist die Staatsoper respektvoll auf das im Dezember eröffnete Kinderopernhaus NEST und auf zahlreiche Schulvorstellungen. Gleichfalls in Schulen habe man während der laufenden Saison 103 Workshops veranstaltet, weitere 130 im großen Haus bzw. im NEST. „Aus denen sind bis jetzt sechs Vorstellungen entstanden, die wir auf der NEST-Bühne aufführten.“

So hat sich eine beachtete Geschichte hurtig zur Fortsetzung gedreht. Und der Vizekanzler lernt im Schulworkshop des Lebens dazu.

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