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Monika Kus-Picco: Zwischen Kunst und Medizin

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©Daniel Hinterramskogler

Es ist ein künstlerisches Narrativ der Kritik, das Monika Kus-Picco in ihren abstrakten Arbeiten sprechen lässt. Das Sprechen übernehmen darin ihre Protagonisten: pharmazeutisch-medizinische Materialien, die Missstände aufzeigen und auf relevante Themen fokussieren – aktuell zu sehen in der Ausstellung „The Art of Medication“ im Josephinum.

Es sind nur wenige Meter, die den linken vom rechten Treppenlauf trennen. Doch ­dazwischen liegen Kontinente. Kulturen. Welten. Sind es rechter Hand farbexpressive Bildwelten von zurückhaltender Struktur, die den Aufgang der von Symmetrie gezeichneten Prunktreppe im Josephinum flankieren, zeigt sich auf der gespiegelten Seite ein völlig anderes Bild: Fast schon zurückhaltend treten die Farben, die sich mit Gräsern, Rinden und Wurzeln auf den Leinwänden vereinen, in Erscheinung.

Was beide Seiten eint, ist das künstlerische Konzept. Denn alle hier gezeigten Arbeiten sind medizinischen Ursprungs. Was sie trennt, ist der Zugang: Während die Basis der expressiven Farbigkeit in unseren Breiten liegt, reichen die – teils wortwörtlichen – Wurzeln der zurückhaltenderen Arbeiten in das Regenwaldgebiet Brasiliens. So auch jene der Künstlerin Monika Kus-Picco. „Die Ausstellung zeigt eine Gegenüberstellung westlicher Schulmedizin und traditioneller Naturheilpraktiken indigener Bevölkerungsgruppen in Brasilien und anderen Ländern“, erklärt Kuratorin Verena Österreicher. „Die Symmetrie des barockklassizistischen Treppenaufgangs, die im lichtdurchfluteten Entrée in die Galerie des Josephinums führt, wo Gezeigtes in einer für Kus-Picco neuartigen Skulptur – der mit 250 Zentimeter Höhe in neue Dimensionen überführten Knieprothese einer ehemaligen Balletttänzerin – kulminiert, bietet Idealvoraussetzungen für eine derartige Gegenüberstellung. Von der Geschichte und der gegenwärtigen Nutzung des medizinhistorischen Museums ganz zu schweigen.“

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Gegenüberstellung. Zurückhaltende Farben und natürliche Arzneipflanzen treffen auf farbexpressive Pigmente der Schulmedizin

 © Daniel Hinterramskogler

Biografisch und vielschichtig

Dass Kus-Picco – die bereits in ihrem malerischen und fotografischen Frühwerk medizinische Themen reflektierte – heute nicht bloß „über“, sondern „mit“ Medizin arbeitet, war „natürlicher Verlauf“ der künstlerischen Genese. Die Grundlage all dessen ist biografischer Natur: „Die frühe Demenzdiagnose meiner Mutter hat für mich viele Fragen aufgeworfen“, so die Künstlerin, die vor allem eines wollte: verstehen. „Das war der Beginn einer langen Recherchereise, die letztlich meine Arbeit maßgeblich beeinflusst hat.“

Seit 2016 nutzt Kus-Picco bereits die künstlerischen Facetten der Medizin – setzt auf deren Farbigkeit, aber auch deren Materialität. Denn ihre abstrakte Malerei, die geradezu eine eigene Richtung des Informel begründet und sich der unterschiedlichsten Techniken wie etwa der Farbfeldmalerei oder des Drip-Paintings bedient und im Entstehungsprozess an Action Painting erinnert, weist stellenweise klar erkennbare medizinische Rückstände auf. Damit löst sich Kus-Picco vom klassischen Tafelbild und entwickelt zunächst in ihrer Malerei raumhaften Charakter. Doch längst lässt sie die reine Zweidimensionalität hinter sich und schafft damit ein Œuvre, das heute zwischen Malerei und Skulptur oszilliert.

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 © Daniel Hinterramskogler

Kritik durch Kunst

Doch unabhängig vom Medium bleiben ihre Ziele stets dieselben: „Durch interdisziplinäres Forschen möchte ich anschauliche Erfahrungen mit den Produkten der Pharmaindustrie schaffen und die Zusammenhänge zwischen sozialen Systemen, Geschlechtern und regional-kulturellen Unterschieden ergründen – so geht es mir beispielsweise darum, das Thema Gendermedizin vermehrt in den Fokus zu rücken oder auf den Massenverkauf bunter Medikamente in den USA aufmerksam zu machen“, deutet sie auf die leuchtenden Farben der gezeigten Arbeiten hinter sich.

Dass sie ihre Kunst als kritisches Sprachrohr nutzt, ist für Kus-Picco selbstverständlich: „Als Künstlerin habe ich die nahezu einmalige Möglichkeit, derartige Missstände ohne Konsequenzen aufzeigen zu können – und diese nutze ich.“

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