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Kurdwin Ayub: Weiße Witwe, schwarzer Humor

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8 min

©Bild: Stefan Fürtbauer / picturedesk.com

Kurdwin Ayub ist für mehrfach prämierte Filme bekannt. Bei den Wiener Festwochen feiert sie nun ihr Theaterdebüt „Weiße Witwe“. Darin kritisiert sie den eurozentristischen Blick auf migrantische Figuren. Kurz vor der Premiere erzählt sie im Café Rüdigerhof von ihrer künstlerischen Laufbahn und ihrem bevorstehenden Filmprojekt. Frauen fordert sie zu mehr Solidarität auf.

In der österreichischen Filmszene ist ihr Name alles andere als unbekannt. Doch mit ihren tief zusammengebundenen Haaren, den großen, dunkel geschminkten Augen und dem zynischen Humor wirkt Kurdwin Ayub, 34, beinahe schüchtern, wenn man sie zum ersten Mal trifft. Sie überlegt viel, sucht nach Antworten in der Umgebung. Aber wenn sie spricht, dann mit Leichtigkeit, Witz und einem Augenzwinkern. So erzählt sie, ihre Katze Bulbul setze sich gerne auf ihr Gesicht, Cookie-Dough-Eis gebe ihr körperliche Kraft und männliche Figuren seien für sie erst im neuen Filmprojekt interessant geworden.

Vom Film ins Theater

Als „Shootingstar der österreichischen Filmszene“ bezeichnet sie das deutsche Medium „Die Zeit“. 1990 im Irak geboren, floh Kurdwin Ayub mit ihrer Familie nach Wien, wuchs hier auf und studierte an der Angewandten Malerei und Animationsfilm und an der Akademie das Fach Bildende Künste. Bevor sie Spielfilme drehte, waren es vor allem animierte oder dokumentarische Kurzfilme.

Zwischen ihre großen Filmprojekte „Sonne“ (2022)“, „Mond“ (2024) und „Sterne“ (in Entstehung) hat sich nun eine Theaterproduktion geschlichen. „Weiße Witwe“ wurde im Februar 2025 an der Berliner Volksbühne uraufgeführt, nun folgen die Wiener Festwochen im Volkstheater. Kurdwin Ayubs erste Theaterarbeit: lustig, makaber, zornig.

Für die Wiener Band Go! Go! Gorillo drehte Kurdwin Ayub das Video zum Song „Like Lucifer“, in dem sie auch in einem Hijab gekleidet die Hauptrolle spielte.

Die Weiße Witwe

Im Jahr 2666 regiert Königin Aliah, gespielt von der deutschen Rapperin addeN, über den islamischen Staat Europa. Nachts befriedigt sie ihr Begehren nach weißen Männern, die sie am Morgen tötet wie eine schwarze Witwe. „Ich fand es lustig, dass die Königin Aliah die ganze Zeit geil ist und wen haben will, aber ihre Vorliebe weiße, junge Männer sind“, erklärt Ayub. Eines Tages meldet sich ein alter weißer Mann – gespielt von Georg Friedrich – freiwillig, befriedigt aber nicht die königlichen Gelüste, sondern erzählt ihr die Geschichte der weißen Witwe. Die Inspiration hierzu: die britische Terroristin Samantha Lewthwaite, die auch „Weiße Witwe“ genannt wurde.

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 © Apollonia_Theresa-Bitzan

Erklärung

Der Plot erinnert an die Märchensammlung „Tausendundeine Nacht“, die Kurdwin Ayub explizit als Inspirationsquelle nennt. Die Geschichten werden dort von der weiblichen Figur Scheherazade erzählt. Ayub entschied sich in ihrem Theaterstück allerdings dazu, die Rollenverhältnisse umzudrehen und einem Mann die Erzählfunktion zuzuschreiben, weil sie das spannender fand.

Theater, ein Spektakel

Der Unterschied zwischen Film und Theater? Man arbeite dauernd in der Totale, sagt Ayub. Während sie in ihren Filmen gerne intimer mit Nahaufnahmen operiere, habe sie für den künstlichen Raum der Theaterbühne umdenken müssen. „Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, alles zu übertreiben, zu überzeichnen und ein Spektakel daraus zu machen.“ Das merkt man schon am Bühnenbild: Eine überdimensional große, weiße Spinne nimmt einen Großteil des Bühnenraums ein.

Der eurozentristische Blick

Mit „Weiße Witwe“ wolle Ayub dem Druck, eine brave Ausländerin sein zu müssen, das Gegenteil – den stereotypisch bösen Ausländer – entgegensetzen. Sie habe keine Lust mehr, sich von weißen Kulturschaffenden vorschreiben zu lassen, wie Migration dargestellt werden sollte. „Wenn man heutzutage in Europa Geschichten über migrantische Personen erzählt, muss man für den eurozentristischen Blick die Geschichte so erzählen, dass sie verträglich ist“, kritisiert die Regisseurin. Darstellungen seien demnach entweder klischeehaft oder übertrieben politisch korrekt, um Migrierte nicht zu verletzen. „Eine super Paternalisierung“, findet Ayub. „Ich will aber den Menschen zeigen. Und auch seine Probleme“.

Dazu zähle beispielsweise Sexismus im Islam. „Ich will mich damit befassen, weil sonst macht es niemand.“ Themen wie diese würden in der Kunstbubble oft aus falscher Rücksicht übergangen und damit der rechten Politik als Waffe gegen Zugewanderte überlassen. Nicht über die Probleme migrantischer Familien urteilen zu wollen – vielleicht versteckter Rassismus, überlegt Ayub. Gedanken wie diese hätten ihr Stück „Weiße Witwe“ geprägt. Und auch in den Spielfilmen „Sonne“ und „Mond“ werden diese Verhältnisse beleuchtet.

System vs. Solidarität

Ayubs nächstes Projekt, „Sterne“, ist der dritte Teil ihrer Film-Trilogie. Darin geht es um eine US-Amerikanerin, die sich 2014 in der irakischen Stadt Mossul befindet, als dort der IS in einer Blitzoffensive die Stadt einnimmt. Dafür habe sie sich zum ersten Mal mit männlichen Figuren befasst, oder – wie sie es nennt – mit „der Seele des Mannes“. Wie diese aussehe, wisse sie selbst nicht genau, sie fände sie nur schwierig, sagt sie lachend. Interessant sei für sie gewesen, die Erfahrungen der unfreiwillig eingezogenen Soldaten mitzubekommen. Bisher habe sie den Irak-Krieg immer von der Seite ihrer Familie wahrgenommen. Danach hofft Ayub auf ein weiteres Theaterstück und einen Film.

Interessanter als Männerfiguren sind für Ayub weibliche Charaktere, Solidarität unter Frauen und Systeme, die den Zusammenhalt ins Wanken gebracht haben. Ihr Rat an alle Frauen: „Wenn wir eine andere Frau beneiden oder g‘schiss‘n finden, dann sollten wir kurz darüber nachdenken, woran das liegt. Vielleicht kommt man ja drauf, dass die andere Frau gar nicht g‘schiss‘n ist, sondern ein System uns das einredet.“

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 23/25 erschienen.

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