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Booker-Preis: David Szalay gewinnt mit dem Roman „Flesh“

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©IMAGO / Anadolu Agency

Die Jury entschied einstimmig und setzte den Wahlwiener vor Favoriten wie Andrew Miller und Kiran Desai.

David Szalay hat den Booker-Preis für den Roman „Flesh“ gewonnen. Der kanadisch-ungarisch-britische Autor, 51 Jahre alt, setzt sich gegen fünf Finalisten durch, darunter die Favoriten Andrew Miller und Kiran Desai. Die Auszeichnung ist mit 50.000 Pfund dotiert und gilt als Schub für Reputation und Verkäufe. Die Jury traf ihre Entscheidung nach intensiver Beratung in London.

Ein einstimmiger Entscheid nach fünf Stunden

Aus 153 eingereichten Romanen wählte eine Jury um den irischen Schriftsteller und Vorsitzenden Roddy Doyle sowie die Schauspielerin Sarah Jessica Parker die Shortlist und schließlich den Gewinner. Nach einer rund fünfstündigen Sitzung fiel die Wahl einstimmig auf „Flesh“. Doyle beschrieb das Buch als eine präzise Beobachtung des Lebens und seiner Fremdheit und betonte, wie viel die Erzählung enthülle, ohne es auszusprechen. Seit der Lektüre schaue er, so Doyle, im Alltag genauer hin, etwa bei Türstehern in Dubliner Pubs.

Ein Roman über Körper, Arbeit, Migration

„Flesh“ erzählt das Leben des schweigsamen István über mehrere Jahrzehnte. Die Geschichte führt von einer Jugendbeziehung mit einer älteren Frau über die Jahre als kämpfender Einwanderer in Großbritannien bis in Londons gehobene Gesellschaft. Szalay wollte nach eigenen Angaben über einen ungarischen Migranten und über das körperliche Erleben des Daseins schreiben. Große Abschnitte bleiben bewusst ausgespart, darunter Haftzeiten und Kriegsdienst im Irak, was von manchen Kritikern als Stärke des schmalen, lakonischen Stils gelobt, von anderen jedoch als Zumutung empfunden wurde.

Außenseiter schlägt Favoriten

Szalay galt ursprünglich als Außenseiter, rückte in den Tagen vor der Preisverleihung jedoch in den Wettquoten nach vorn. Am Ende lag er vor Andrew Miller mit der Frühsechziger-Jahre-Familiendramatik „The Land in Winter“ und Kiran Desai mit der globalen Saga „The Loneliness of Sonia and Sunny“, ihrem ersten Roman seit „The Inheritance of Loss“. Ebenfalls nominiert waren Susan Choi mit „Flashlight“, Katie Kitamura mit „Audition“ und Ben Markovits mit dem Roadtrip „The Rest of Our Lives“.

Preisnacht in London

Die Trophäe wurde im Old Billingsgate in London überreicht, einem ehemaligen Fischmarkt, der heute als Veranstaltungsort dient. Szalay dankte der Jury dafür, ein formal risikofreudiges Buch auszuzeichnen. Er erinnerte daran, seine Lektorin einst gefragt zu haben, ob ein Roman mit dem Titel „Flesh“ den Booker-Preis gewinnen könne, und verwies darauf, dass die Antwort nun vorliege. Die Entscheidung unterstreicht die Offenheit des Preises für leise, unsentimentale Erzählweisen.

Karriere, Kontext und Kanon

Szalay stand 2016 bereits mit „All That Man Is“ auf der Booker-Shortlist. Der Preis, 1969 gegründet, gilt als Karrierebeschleuniger und hat die Laufbahnen von Autorinnen und Autoren wie Salman Rushdie, Ian McEwan, Arundhati Roy und Margaret Atwood geprägt. Zu den jüngsten Preisträgerinnen zählt Samantha Harvey, die 2024 für die Raumstationsgeschichte „Orbital“ ausgezeichnet wurde. Der diesjährige Entscheid knüpft an diese Tradition an und rückt eine oft übersehene Figur ins Zentrum: den arbeitenden Mann.

Mit „Flesh“ prämiert die Jury einen reduzierten, körperlich geerdeten Roman, der die Lücken im Leben seines Helden produktiv macht. Die Einstimmigkeit des Entscheids und die prominente Jury sprechen dafür, dass Szalays Blick auf Migration, Arbeit und soziale Aufstiege im heutigen Literaturbetrieb Resonanz findet. Für den Autor bedeutet der Booker-Preis nicht nur ein beachtliches Preisgeld, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nachhaltige Sichtbarkeit im internationalen Buchmarkt.

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