Vor 100 Jahren erschienen zahlreiche Meisterwerke des 20. Jahrhunderts
Nach dem Trauma des 1. Weltkrieges und der russischen Revolution, als langsam ein normaler Alltag das Leben übernahm, begannen die literarischen Genies des 20. Jahrhunderts wieder zu schreiben und zu publizieren.
US-Literaturhistoriker beschreiben das Jahr 1925 als ‚The Golden Year of Literature‘. Innerhalb weniger Monate erscheinen F. Scott Fitzgerald’s ‚The Great Gatsby‘, ein Spiegelbild der ‚Wilden Zwanzigerjahre’ (Roaring Twenties) in den USA mit Prohibition, Kriminalität, Jazz und Wirtschaftswachstum. Gertrude Stein’s ‚The Making of Americans‘ mit einem revolutionären, modernen Stil und der erste Band mit Erzählungen eines unbekannten amerikanischen Journalisten in Paris, namens Ernest Hemingway.
Verfilmungen
Fitzgerald und Hemingway trafen einander in der Dingo Bar, in Montparnasse in Paris, wo Hemingway versuchte, den Freund zu beruhigen, dass der Roman ‚The Great Gatsby‘ trotz der schleppenden Verkaufszahlen ganz ausgezeichnet sei. Mit Willa Cather’s ‚The Professor’s House‘, Theodore Dreiser’s ‚An American Tragedy‘ und John Dos Passos’s ‚Manhattan Transfer‘ – eine Beschreibung des Lebens vier unterschiedlicher Menschen in New York, wird regelmäßig in den Top 100 der Literaturgeschichte erwähnt – beginnt die erfolgreiche Epoche der modernen amerikanischen Literatur mit zahlreichen Verfilmungen und weltweiten Übersetzungen. Im Februar 1925 erscheint die erste Ausgabe des wichtigsten amerikanischen literarischen Magazins „The New Yorker“.
Marcel Proust veröffentlicht in Frankreich ‚Albertine Disparue‘, den 6. Band seines Meisterwerks ‚Auf den Spuren der verlorenen Zeit‘. Lion Feuchtwanger gelingt in Deutschland der literarische Durchbruch mit dem historischen Roman ‚Jud Süß‘, der das Leben des Hofjuden Süß Oppenheimer als Vorlage benutzt, und Franz Kafka’s ‚Der Process‘ wird veröffentlicht –, obwohl er die Vernichtung seiner Manuskripte angeordnet hatte. Im Mai erscheint in London bei dem Verlag Hogarth Press der Roman ‚Mrs. Dalloway‘ von Virginia Wolf.
André Gide schockt in dem Roman ‚Les Faux-Monnayeurs‘ (Die Falschmünzer) die Literaturkritik mit freizügiger Darstellung der Homosexualität. ‚The Painted Veil‘ (Der bunte Schleier) von William Somerset Maugham wird zweimal mit Greta Garbo verfilmt. Richard Horatio Edgar Wallace veröffentlichte im Jahr 1925 vier Kriminalromane, insgesamt 175 Romane, übersetzt in
45 Sprachen. In Deutschland wurden etwa 40 Filme auf der Grundlage seiner Bücher produziert.
Welt-Bestseller
In der Sowjetunion erscheint Michail Bulgakow‘s Roman ‚Die Weisse Garde‘, weiters zahlreiche Erzählungen und Theaterstücke, bevor Stalin 1930 seine Werke verbietet. Der Welt-Bestseller ‚Der Meister und Margarita‘ erscheint erst 1966/1967 als Fortsetzungsroman in der Literaturzeitschrift „Moskwa“, 30 Jahre nach dem Tod von Bulgakow.
Für manche Schriftsteller endet in diesem Jahr das Leben, bevor die Karriere beginnt. Am 28. Dezember schreibt Sergei Yesenin, einer der wichtigsten Poeten Russlands, das Abschiedsgedicht ‚Freund, leb wohl, mein Freund, auf Wiedersehen‘ mit seinem eigenen Blut und begeht Selbstmord
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.05/2025 erschienen.