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Milliardenmarkt Algen: Das grüne Gold der Zukunft

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Spirulina-Algenpulver

©IMAGO / CHROMORANGE

Vom Nischenprodukt zum Industrie-Treiber: Der globale Markt für Algen soll sich bis 2032 fast verdoppeln. Auch in Europa wächst die Gier nach dem Glibber – von der Kosmetik bis zum Biotreibstoff. Doch heimische Produzenten stehen vor einer teuren Hürde.

Es ist noch nicht lange her, da wurden Algen vor allem als glitschiges Ärgernis beim Baden im Badesee wahrgenommen. Doch das Image hat sich radikal gewandelt. In den Laboren und Produktionshallen der Lebensmittel- und Pharmaindustrie gelten Mikro- und Makroalgen heute als einer der vielversprechendsten Rohstoffe des 21. Jahrhunderts.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Einem aktuellen Bericht von Coherent Market Insights zufolge wird das globale Marktvolumen bereits im Jahr 2025 bei gut 5,7 Milliarden US-Dollar liegen. Bis 2032 soll dieser Wert auf über 9 Milliarden Dollar ansteigen. Das entspricht einem stetigen Wachstum von fast 7 Prozent pro Jahr. Ein Boom, der längst auch Europa erreicht hat, getrieben von einem Megatrend, an dem kaum ein Konzern mehr vorbeikommt: Nachhaltigkeit.

Wachstumstreiber: Die Sehnsucht nach "Clean Label"

Was in den USA bereits den Massenmarkt erobert, wird auch für europäische Verbraucher zum Standard. Die Nachfrage nach natürlichen, pflanzenbasierten Alternativen zu tierischen Proteinen steigt ungebremst. Hier spielen Algen ihre Trümpfe aus: Sie verbrauchen bei der Kultivierung kaum Landfläche, schonen die Wasserressourcen und liefern eine Nährstoffdichte, die bei terrestrischen Pflanzen selten ist.

In der Lebensmittelindustrie sind es vor allem die sogenannten "Clean-Label"-Konzepte, die den Algenmarkt befeuern. Ob in Snacks, funktionellen Getränken oder Nahrungsergänzungsmitteln – der Konsument will Zutaten, die er versteht und die als gesund gelten. Die Zulassung neuer Farbstoffe, wie etwa der im Mai 2025 von der US-Behörde FDA genehmigte blaue Extrakt aus der Rotalge Galdieria sulphuraria, sendet Signale, die auch von europäischen Regulierungsbehörden und Herstellern genau beobachtet werden.

Europas Rolle im globalen Wettlauf

Zwar liegt der regionale Schwerpunkt der Dynamik laut Prognosen mit rund 31,5 Prozent Marktanteil noch in Nordamerika, doch Europa positioniert sich strategisch neu. Heimische Unternehmen wie die niederländische Corbion N.V., der schweizerisch-niederländische Konzern DSM-Firmenich oder der österreichische Pionier Ecoduna mischen im globalen Wettbewerb kräftig mit.

Besonders im Fokus steht hierbei die Technologie. Während Asien traditionell auf offene Teiche setzt, dominieren im High-End-Segment – und damit auch in Europa – geschlossene Kultivierungssysteme. Diese machen 2025 bereits über 52 Prozent des Marktes aus.

Der Grund ist simpel: Wer Algen für die Pharma- oder Kosmetikindustrie liefert, braucht Reinheit. In geschlossenen Glasröhren-Systemen, sogenannten Photobioreaktoren, lässt sich die Qualität exakt steuern. Verunreinigungen werden ausgeschlossen, was für die Hochpreis-Segmente in der EU unerlässlich ist. DSM-Firmenich etwa brachte erst im Oktober 2024 ein hochkonzentriertes Algenöl auf den Markt, das reich an Omega-3-Fettsäuren ist und Fischöl als Standard ablösen könnte.

Das Kosten-Dilemma der Produzenten

Doch der grüne Rausch hat eine wirtschaftliche Kehrseite. Die Skalierung der Produktion ist teuer, besonders in Europa, wo Energie- und Arbeitskosten hoch sind.

Die Hürden für Produzenten sind massiv:

  • Energiebedarf: Das Betreiben von Pumpen und künstlicher Beleuchtung in geschlossenen Systemen frisst Strom.

  • Infrastruktur: Der Aufbau der Anlagen erfordert hohes Investitionskapital.

  • Verarbeitung: Die Extraktion der wertvollen Inhaltsstoffe aus der mikroskopisch kleinen Biomasse ist technisch anspruchsvoll.

Besonders im Bereich der Biokraftstoffe, wo Algen als Hoffnungsträger für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen gelten, bremst die Kostenrealität die Euphorie. Solange Kerosin aus Erdöl billiger ist als Algen-Sprit, bleibt die breite Anwendung trotz technischer Machbarkeit eine Herausforderung. Unternehmen setzen daher massiv auf Effizienzsteigerungen und Biotechnologie, um die Margen zu verbessern.

Pharma und Kosmetik als Rendite-Retter

Da der Massenmarkt für Algen-Treibstoff noch auf sich warten lässt, flüchten sich viele Unternehmen in die Veredelung. Im Pharma- und Nutraceutical-Sektor (Nahrungsergänzungsmittel) lassen sich mit algenbasierten Antioxidantien und Pigmenten deutlich höhere Preise erzielen. Diese Segmente dienen oft zur Querfinanzierung der teuren Forschung.

Die Wette auf die Alge bleibt riskant, aber alternativlos. Angesichts knapper werdender Ackerflächen und der Klimakrise führt an der effizienten Biomasse aus dem Wasser kaum ein Weg vorbei. Wer es schafft, die Produktionskosten durch technologische Innovationen zu senken, wird sich ein großes Stück des 9-Milliarden-Dollar-Kuchens sichern – ob in den USA oder mitten in Europa.

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