Ulrich Kubinger: Der H2O-Alchimist aus Rottenbach

Sauberes Wasser für 250 Millionen Menschen: Mit dieser Vision wurde der Oberösterreicher Ulrich Kubinger zum Millionär. News gewährte er erstmals Einblick in sein verborgenes Imperium mit privatem Haubenkoch. Innovationswille trifft Gottesfurcht

von Ulrich Kubinger © Bild: Ricardo Herrgott/News

Steckbrief Ulrich Kubinger

  • Name: Ulrich Josef Kubinger
  • Geboren am: 13. März 1957 in Wendling, Oberösterreich
  • Wohnt in: Rottenbach, OÖ
  • Ausbildung: HTL Wels (Chemieingenieurwesen), Weiterbildungen im Bereich Management (B.A.) und Business Adminstration and Management (M.A.)
  • Beruf: Unternehmer (Gründer der VTA Gruppe) und Chemiker
  • Kinder: drei Töchter

Geschichten wie diese entspringen üblicherweise Silicon-Valley-Biografien und charakterisieren extravagante Genies wie Elon Musk oder Jeff Bezos. Da ist der Junge, dem man ansah, dass er ohne fließend Wasser in mehr als bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Da war das Haus, das er deshalb aus Angst der Hausherrin vor mitgebrachtem Schmutz nicht betreten durfte. Da war der Moment später im Leben, als der Junge ein millionenschwerer Mann geworden war und das Haus kaufte - um das Symbol jahrelanger Ausgrenzung und Kränkung nach Herzenslust in schmutzigen Gummistiefeln zu durchschreiten.

Dieses Hollywood-Happy-End ist in der oberösterreichischen Gemeinde Rottenbach heimisch. Es wurde im Bezirk Grieskirchen im Hausruckviertel wahr, wo der Bub in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs und sich zum erfolgreichen Unternehmer entwickelte. Sein Name ist Ulrich Kubinger. Im 1.100-Seelen-Ort, 30 Kilometer von Wels, kennt ihn jeder. Er ist der Mann, der hier in den vergangenen drei Jahrzehnten das Silicon Valley der Abwassertechnologie hochgezogen hat.

VTA - Wasser als blaues Gold

Kubingers Unternehmen VTA, kurz für "Verfahrens Technologische Abwasseraufbereitung", liegt in Rottenbach an der Bundesstraße auf mehreren Tausend Quadratmetern zwischen satten grünen Wiesen. Vorbeifahrende nehmen den Gebäudekomplex wie ein dunkel glänzendes, gerade gelandetes Ufo wahr. Im Inneren werden Systeme und Technologien zur Abwasseraufbereitung - also Reinigung von Brauchwasser - nach modernster Forschung entwickelt und erzeugt.

Ulrich Kubinger, der im wenige Autominuten entfernten Wendling geboren wurde, hat das Unternehmen im Jahr 1992 gegründet. Vom belächelten Ein-Mann-Betrieb baute er es zum internationalen Innovationsführer der Branche mit einem Umsatz von 100 Millionen Euro im Jahr 2022 aus.

Sauberes Wasser für 250 Millionen

Seit 2009 logiert die VTA am jetzigen Standort. Etwa 180 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Weltweit zählt das Unternehmen insgesamt 350 Angestellte. In 65 Ländern werden Tausende kommunale Kläranlagen sowie Kunden unterschiedlichster Industriezweige beliefert.

»Wasser ist unser wertvollstes Gut, das neue Öl, unser blaues Gold«

Firmensitze und Produktionsstätten hat der Oberösterreicher Kubinger mit der VTA im schweizerischen Chur, im tschechischen Budweis, in Passau, Gersthofen und Ludwigshafen in Deutschland sowie im ungarischen Magyaróvár. Das Verdienst, auf das Ulrich Kubinger vor allem stolz ist, liegt in der Abwasserreinigung durch die VTA für mehr als 250 Millionen Menschen täglich. "Wir sind an dem Punkt, an dem wir der Umwelt helfen müssen, wenn wir sie behalten wollen. Wasser ist unser wertvollstes Gut. Wasser ist das neue Öl, unser blaues Gold", macht Kubinger sein Anliegen deutlich. "Es ist aber nicht fünf vor zwölf Uhr, sondern drei Uhr nachmittags", sagt er und prangert ausführlich und wortreich die viel zu vielen veralteten Kläranlagen an, die in Betrieb sind.

Ulrich Kubingers Kindheit? "Eine Triebfeder!"

Fragt man den Unternehmensgründer, inwiefern seine Erfahrung der kargen Kindheit für seine außergewöhnliche Karriere entscheidend war, antwortet er prompt. "Es war eine enorme Triebfeder! Das Motto 'Hast du nichts, bist du nichts' hat ja früher die ganze Gesellschaft geprägt. Jede Art des Umgangs miteinander", erzählt Kubinger, Jahrgang 1957.

"Wenn andere Kinder der Lehrerin eine Gans zu Weihnachten geschenkt haben, habe ich nur einen Engel für sie zeichnen können. Den hat die Lehrerin natürlich nicht beachtet." Kubinger lächelt. "Das war so ein Moment, in dem ich mir selbst das Versprechen gegeben habe, dass ich mir irgendwann eine Gans leisten kann", sagt der H2O-Pionier. "Gans ist es keine geworden", stellt er fest. Die mag der 66-Jährige gar nicht.

Er achtet auf gesundheitsbewusste Ernährung. Im hauseigenen Restaurant des Unternehmens sorgt ein Haubenkoch für das Wohl des Chefs. Der Gourmettempel entstand im ersten Stock des Büro-Towers. Dort, wo der Baumeister ein Archiv geplant hatte. "Er hat mich gefragt, ob ich verrückt bin, hier ein Restaurant zu wollen", erzählt Kubinger. Doch natürlich wird hier nach Maßgabe des CEO gebaut.

Auch den 2018 eröffneten sechsstöckigen VTA-Innovations-Tower, das Bürogebäude, hat der Chef selbst geplant. Er ist höher als die übrigen Gebäude und der Kommandobrücke eines Schiffs nachempfunden.

Warum gerade ein Haubenkoch?

Im Restaurant entfaltet sich zwischen roten Ziegeln, Rundbögen und dunklem Holz das typische Flair eines italienischen Lokals und damit eine weitere Kindheitserinnerung. "Italien war für mich immer ein Sehnsuchtsland. So eine Reise war lang unerschwinglich für mich", beschreibt Kubinger. Er weiß noch, wie die große Schwester ihm einst ein batteriebetriebenes Plastikboot aus Jesolo mitgebracht hat. "Das habe ich bei uns am Teich fahren lassen. Das war eine Weltsensation für mich." Natürlich musste es ein italienisches Restaurant sein.

»Der Unterschied, ob es ein Haubenkoch ist oder nicht, ist in den monatlichen Kosten marginal«

Aber warum gleich ein Haubenkoch? Die Antwort ist simpel. "Der Unterschied, ob es ein Haubenkoch ist oder nicht, ist in den monatlichen Kosten marginal. Aber der Unterschied in der Qualität des Essens ist gewaltig", erklärt Kubinger. Er will seinen Gästen aus der ganzen Welt, "aus Afrika, Amerika, ganz Europa", hier "eine kulinarische Heimat bieten, in die sie immer wieder gern zurückkommen".

Ulrich Kubinger: Silicon-Valley-Mindset

Auch Mitarbeiter lädt er gern ein. "Haben Sie schon gegessen? Nehmen Sie doch Platz", sagt er dann spontan. Niemand lehnt ab. Abgesehen davon bietet die VTA ihren Angestellten drei Küchen, die Essen und Getränke zur Verfügung stellen. "Das ist eine Sozialleistung, die bei uns dazugehört", sagt Kubinger. Auch das schmeckt sehr nach Silicon Valley.

Ulrich Kubinger
© Ricardo Herrgott/News GLAUBE BEGLEITET seinen Weg. In der VTA-Zentrale hat Jesus seinen festen Platz. Was die Mitarbeiter betrifft, spielen Religion, Hautfarbe oder Herkunft keine Rolle, betont Kubinger

Abgesehen vom Willen, den Ideen und der Disziplin des Gründers beruht das Millionengeschäft mit der Abwasserreinigung vor allem auf Kubingers Entwicklung der Materie durch Nanotechnologie. "Wo die Chemie an ihre Grenzen stößt, beginnt die Nanotechnologie", erklärt der VTA-Chef im Hinblick auf klassische Kläranlagen, die das Wasser mit Chemikalien und in großen Klärbecken säubern.

Er hat selbst 14 Jahre lang in einer von der Universität Wien geplanten Kläranlage gearbeitet. "Ich kenne mich in der Materie aus, glauben Sie mir", sagt er. "Für den Optimierungsprozess der Anlage braucht man gute Produkte, aber noch viel mehr verfahrenstechnische Erfahrung."

Ulrich Kubinger: Erfolg durch Nanotechnologie

Jahrelang forschte Kubinger daran, wie die Prozesse optimiert werden können. Er landete bei der Nanotechnologie, die physikalisch statt chemisch wirkt, wie er erklärt. Bei der Firmengründung 1992 gab es genau einen Klärwärter, der an Kubingers Selfmade-Pläne glaubte. Etwa zehn Jahre danach kam der Durchbruch in Sachen Nanotechnologie und mit ihm das exponentielle Firmenwachstum.

»Wo die Chemie an ihre Grenzen stößt, beginnt die Nanotechnologie«

Nanotechnologie ist die Erforschung kleinster Teilchen, die durch ihre stark verkleinerte Partikelgröße in Nanoform veränderte physikalisch-chemische Eigenschaften aufweisen. Übersetzt auf die Abwasserreinigung durch die VTA bedeutet dies, vereinfacht dargestellt, dass ein Tropfen genügt, um Viren, Keime, Bakterien und Feststoffe in verunreinigtem Wasser zur Flockenbildung zu bringen, wodurch sie sich am Boden absetzen und darüber klares Wasser übrig bleibt.

Weniger CO2, mehr Wirksamkeit

Das Verfahren beschreibt Kubinger überdies als umweltfreundlicher, energiesparender und nachhaltiger als bisherige Abwasseraufbereitungsmethoden. Konkret gelangt weniger Kohlendioxid in die Luft, was zum Klimaschutz beiträgt. Umgerechnet auf 250 Millionen Einwohner hat die VTA ein jährliches Einsparungspotenzial an CO2 von mehr als zwei Millionen Tonnen ermittelt, das durch ihre moderne Art der Abwasserreinigung erzielt werden kann.

Wirksamer als bisherige Klärmethoden sei das VTA-Verfahren auch, so Kubinger, der auf das überall nachweisbare Mikroplastik verweist. Es führt mittlerweile dazu, dass ein Mensch pro Woche Plastik im Ausmaß von bis zu einer Kreditkarte zu sich nimmt, sagen VTA-Experten im Imagefilm der Firma. Mittels VTA-Verfahren könne selbst dieses Mikroplastik aus dem Wasser entfernt werden. Insgesamt sind es mehr als 80 Patente für seine Verfahren, die Ulrich Kubinger in verschiedenen Ländern hält.

Kubinger ist aktiv von Odessa bis Kitzbühel

Die Projekte der VTA sind prestigeträchtig. Im ukrainischen Odessa mussten zwei Kläranlagen täglich 500.000 m³ Abwasser verarbeiten und verschmutzten durch veraltete Anlagen das Meer. Seit 2021 ist die VTA mit einem Mess-, Regel-und Steuerungskonzept vor Ort, um auch bei Stromausfällen die Abwasserreinigung zu ermöglichen. Aufgrund der schwierigen Zeiten erfolgt die Unterstützung für aktiven Umweltschutz derzeit unentgeltlich.

In Kitzbühel, wo zur Zeit der Hahnenkamm-Rennen die Belastung der Abwasserentsorgung um das Zehnfache steigt, sorgt Kubingers Firma seit 20 Jahren für natur- und energieschonende Klärleistung. Ähnliches gilt für die Kläranlage in Ort im Innkreis zu Zeiten der Überbelastung aufgrund von 60.000 Besuchern beim jährlichen Blasmusik-Festival.

Gleichzeitig betreibt Ulrich Kubinger den Ausbau und die Forschung weiter. 2019 investierte er im zweistelligen Millionenbereich in ein 6.000 Quadratmeter großes Technikum in Rottenbach. Das Betriebsgebäude dient der Erweiterung der international erfolgreichen Wassertechnik-Sparte der VTA, die auf Anlagenbau spezialisiert ist. Mit dem Ausbau wurden damals 50 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Ulrich Kubinger
© Ricardo Herrgott/News VISIONÄR UND MEHR. Ulrich Kubinger ist Dr. h.c., Ehrensenator der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und erhielt 2022 den Cross Border Award

Ein Campus für die Zukunft

Jüngstes wegweisendes Projekt ist die Errichtung eines Forschungscampus der Alma Mater Europaea auf rund 15.000 Quadratmetern. Direkt neben dem Unternehmenskomplex soll schon ab Herbst 2024 Wissensvermittlung betreffend Wasser-und Umwelttechnik stattfinden.

"Einen multinationalen Campus für Forschung und Diskussionen und zur Wahrheitsfindung für eine bessere Zukunft", wünscht sich Kubinger (siehe Kasten unten). Den zweistelligen Millionenbetrag für den Campus entrichtet der Umweltpionier ohne Fremdfinanzierung. Unabhängigkeit bleibt oberstes Gebot für den Selfmade-Unternehmer.

Seinen Weg von der Hauptschule über die Chemie-HTL in Wels und die Arbeit als Klärwärter bis zur Firmengründung begleitete stets sein Glaube an Gott. Und eine prägende Kindheitserfahrung.

»Wenn man von der Gesellschaft weggeschubst wird, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man verzweifelt, oder man vertraut auf den Glauben«

"Wenn man von der Gesellschaft weggeschubst wird, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man verzweifelt, oder man vertraut auf den Glauben. Ich habe den zweiten Weg gewählt, und die, die mich früher ausgelacht haben, lachen nicht mehr", sagt der H2O-Pionier.

Ulrich Kubinger hat Gott mit auf dem Weg

An dunklen Tagen ging er ans Grab der Oma. Als Kubinger ein adoleszenter Bub war, sagte sie eine Woche vor ihrem Tod ihr Ableben voraus. Damals vertraute sie dem Enkel an, welchem seiner vier Geschwister sie welchen Teil des Hofs vermachen würde. "Mir hat sie nur ihren Zuspruch von oben vermacht", erzählt er. Das klingt nach enttäuschend wenig. Doch Kubinger schwört, dass sie ihm jedes Mal, wenn er sie am Grab darum bat, geholfen hat.

Bis heute nennt der dreifache Vater das Gebet "eine Quelle des Mutes, der Zuversicht, der Kraft und der Wertschätzung des Lebens, das ich geschenkt bekommen habe". Auf die Frage, ob seine drei Töchter im Alter von 18 bis 39 Jahren sein mit Leidenschaft betriebenes Lebenswerk teilen und übernehmen wollen, antwortet Kubinger lächelnd: "Sie haben gesehen, dass ihr Vater ein Pionier ist. Sie werden mit ihren Talenten da sein, um es weiterzuführen, wenn die Zeit da ist. Ich habe Vertrauen in meine Kinder, ich hänge nicht am Besitz."

Sinn für Humor ist dem Mann mit dem unerschütterlichen Glauben übrigens auch zu attestieren. Die Anekdote über das Haus, das er gekauft hat, um mit schmutzigen Gummistiefeln durchwandern zu können, kommentiert er treffend: "Das hat mir wahrscheinlich den Therapeuten erspart."

ALMA MATER EUROPAEA
Ein Forschungscampus für Rottenbach

Auf 15.000 Quadratmetern errichtet Ulrich Kubinger in Rottenbach neben dem VTA-Firmengelände einen Forschungscampus der Alma Mater Europaea. In nur einem Jahr soll das imposante Gebäude, dessen Inneres laut Plänen den Glanz und die Weite römischer Säulenhallen verströmt, fertiggestellt sein.

Das Studienangebot. Ziel des Campus mit internationaler Ausrichtung ist die Kompetenzvermittlung im Wasser-und Umweltbereich. Wissen soll praktisch, verständlich und nachhaltig vermittelt werden, um die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft zu fördern. Moderne Labore werden die Forschung an Verfahren und Technologien zum Schutz des Wassers vorantreiben. CO2-Reduzierung, Nanotechnologie, Mikroplastik, Keime oder Energie-und Massebilanz sind Campus-Themenschwerpunkte. Den täglichen Betrieb rund um Fernstudium und Präsenzveranstaltungen werden rund 50 Mitarbeiter besorgen. Dabei soll der Campus als multinationaler Treffpunkt und Ort des Austauschs für alle dienen, die Wasser-und Umweltschutz mit neuer Technologie in die Zukunft führen wollen. Jeder, der Bildungsreserven hat, soll in Rottenbach studieren können, ungeachtet seines sozialen Status, wünscht sich Kubinger. Ihm geht es um die besten Köpfe: "Die Lösung für unsere Zukunft besteht in einer öffentlichen, ehrlichen, grundlegenden Diskussion. Dafür bieten wir Raum und Öffentlichkeit."

Die Alma Mater Europaea ist eine nicht auf Gewinn ausgerichtete, selbstständige Hochschuleinrichtung nach Förderinitiative der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg. Ihr Spezialgebiet ist die berufsorientierte Ausbildung in Forschungsbereichen mit Fachkräftemangel.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 19/2023.