Sagen Träume etwas über unsere Gesundheit aus?

Was möchte uns unser Körper in der Nacht sagen? Schlafforscherin Brigitte Holzinger über Träume und ihre Funktion.

von Eine Frau schläft und träumt. © Bild: iStockphoto.com/gorodenkoff

Ein Offizier träumt, er werde am rechten Unterbauch verwundet. Am nächsten Tag wird der Mann mit akuter Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gebracht. Eine Frau träumt von einem schwarzen Knäuel. Wenig später wird ein Tumor bei ihr diagnostiziert. Man kennt diese Anekdoten. Doch was steckt dahinter? Was können Träume über unsere Gesundheit aussagen?

"Das wissenschaftlich zu erfassen ist bisher kaum möglich gewesen", sagt Dr. Brigitte Holzinger vom Institut für Bewusstseins- und Traumforschung. "In der Psychotherapie gibt es die sogenannte Körper- oder Leidtherapie. Hierbei geht man davon aus, dass der Körper tatsächlich Signale sendet. Das geschieht quasi unbewusst, bevor der Träumer weiß, dass vielleicht irgendetwas nicht stimmt."

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Wissenschaftlich ließ sich das, so betont die Schlaf- und Traumexpertin, aber bisher nicht untermauern. "Was wir jedoch wissen, ist, dass interne wie auch externe Stimuli unsere Träume mitgestalten." Wer kennt es nicht? Dann wird das Klingeln des Weckers zum Glockengeläut im Traum.

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News: Wenn ich mich mit meinen Träumen aktiv auseinandersetze, kann ich damit auf mein körperliches Wohlbefinden einwirken?
Brigitte Holzinger: Das wäre die Idee, die These dahinter. Für die Forschung ist das aber noch ein Zukunftsthema. In der Psychotherapie gibt es jedoch einen Ansatz: "Dream Sense Memory". Dabei geht es um das In-sich-Hineinhorchen. Die Empfindungen, die ein Traum auslöst, körperlich zu orten und Assoziationen zuzulassen, die mit dem Alltag zu tun haben. "Dream Sense Memory" soll Menschen dabei unterstützen herauszufinden, womit sich der Traum beschäftigt haben mag.

Es gibt Menschen, die träumen davon, verfolgt zu werden. Es gibt auch jene, die fallen im Traum hin, rutschen aus. Haben solche Träume etwas mit Stress zu tun?
Das kann sein. Es kann als Ausdruck einer Situation gesehen werden, die im weitesten Sinne als Stress wahrgenommen wird. Solche Träume werden aber auch oft mit rein körperlichen Vorgängen während des REM-Schlafs assoziiert. Das Fallen beispielsweise, wenn man einschläft - hier gibt es Muskelzuckungen, die der Körper registriert und die dann in jenes Traumbild umgewandelt werden.
Wenn jemand träumt, dass er oder sie verfolgt wird, aber nicht wegrennen kann, weil die Beine zu schwer sind und nicht reagieren, kann man die Hypothese formulieren: Der Körper weiß, dass die Muskulatur zu diesem Zeitpunkt so entspannt ist, dass sie sich eigentlich nicht so rasch bewegen kann. Der Körper meldet, dass das zu dem Zeitpunkt nicht geht.

Und was können wiederkehrende Träume über uns aussagen?
Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Der Trauminhalt ist oft gar nicht der Weg, den Traum zu entschlüsseln. Ich glaube fest daran, dass der Traum eine Art Reizverarbeitung ist - und zwar von dem, was man tagsüber oder während des Träumens wahrnimmt. Es ist ja nicht so, dass wir völlig abgeschaltet sind, wenn wir schlafen. Wir sind in einem anderen Modus – bis zu einem gewissen Grad werden ja auch Geräusche wahrgenommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man aufwacht, wenn man etwas Ungewöhnliches hört, ist sehr groß. Möglicherweise ist ein Traum gar nicht zum Interpretieren da. Wir werden lediglich neugierig und diese Neugier ist schon Teil des Prozesses, den er auslöst. Der Traum unterstützt uns im Nachspüren dessen, was wir körperlich wahrnehmen.

Wie seriös sind dann solche Interpretationen von Bildern oder Traumsymboliken?
Aus psychotherapeutischer Sicht ist das durchaus spannend und interessant. So wie auch ein Tagtraum etwas über die Phantasie des Träumers aussagt. Der Träumer vermittelt sich, wenn er jemandem von seinem Traum erzählt. Insofern ist der Traum als Kommunikationsmittel aus meiner Sicht sehr wertvoll. Weil der Träumer auch den Eindruck hat, dass er etwas von sich erzählt, etwas ganz Persönliches.

»Der Traum der Mathematik-Matura«

Sind wir demnach ehrlicher im Traum?
Man hat Aspekte von sich selbst präsenter als im Wachzustand. Dabei handelt es sich um Themen, die jemanden zu diesem Zeitpunkt beschäftigen. Hier sind wir auch erneut bei den wiederkehrenden Träumen. Wenn jemand davon träumt, dass er immer wieder die Mathematik-Matura nachmachen muss, aber genau weiß, dass er diese schon hinter sich gebracht hat, könnte man sagen, dass die Sinnesreize eine Situation wiedergeben, die mit Angst behaftet war. Die Mathematik-Matura war damals für den- oder diejenige eine Herausforderung – es kann sein, dass man das in einer Situation, in der man etwas leisten muss, wieder träumt Eine Art Erinnerung: Du hast es damals geschafft, du schaffst es auch heute.

Das heißt, ich bereite mich schon vor ...
In der Evolutionstheorie und der Traumforschung gibt es eine interessante These: "Threat simulation theory". Eine Bedrohungssituations-Hypothese. Das heißt, wir träumen etwas, um am nächsten Tag mit einer bestimmten Thematik besser zurecht zu kommen. Die Angst ist dabei die treibende Kraft hinter dem Traumbild. Solche Situationen (z.B. Mathematik-Matura) sitzen in unserem System tiefer als jene, die nicht so viel Bedeutung hatten.

»Nicht alles was, sinnlich ist, ist dazu da, es sich zu merken«

Apropos wiederkehrende Träume: Viele Menschen träumen davon, dass sie zu spät zum Zug, ins Konzert etc. kommen und wachen dann immer ganz panisch auf.
Das stimmt. Meine Frage ist dann oftmals, ob ihnen das im Wachzustand auch passiert. Die Antwort darauf ist oftmals gleich: Ganz und gar nicht. Ich bin immer überpünktlich. Auch hier wird - im Sinne der "Threat simulation theory" - ganz präventiv agiert. Ich spiele die Situation im Traum durch, damit es mir im Wachen nicht passiert. Die Angst ist damit der Entwicklungsmotor und Schutz vor Dingen, die man nicht möchte.

Träumen wir eigentlich alle?
Soweit die Wissenschaft das sagen kann, haben wir alle REM-Schlaf und träumen somit alle, ja.

So manch einer kann sich aber nicht an das Geträumte erinnern ...
Der Organismus schaltet im Schlaf auf Regeneration und daher sind wir in einem Modus, da werden die "Ich-Prozesse" minimiert. Das hat dann mehr mit Bildern zu tun und nicht mit Leistung. Und Leistung wäre mit Gedächtnis verbunden und das gehört eher zum Wachzustand. Man stelle sich vor, man würde sich an alle Träume erinnern. Wenn ich nur in der REM-Phase träume, habe ich mindestens schon fünf Träume pro Nacht. Wenn ich mich daran erinnern müsste, dann wäre ich auch im Wachzustand noch einige Stunden damit beschäftigt. Ähnlich einer Reizüberflutung. Nicht alles, was sinnlich ist, ist dazu da, es sich zu merken.

Buchtipps zum Thema

"Albträume: Was sie uns sagen und wie wir sie verändern können" gibt es hier*

"Schlafstörungen: Psychologische Beratung und Schlafcoaching" gibt es hier*

Events und Veranstaltungen des Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien finden Sie hier.

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