Österreich, das Land
der Superpensionisten

Die jüngst bekannt gewordenen Pensionsbezüge bei den teilstaatlichen Casinos Austria sind nur die Spitze des Eisberges. Laut Rechnungshof gibt es in Unternehmen im öffentlichen Eigentum fast 25.000 Personen mit zum Teil äußerst üppigen Zusatzpensionen. Und der Graubereich ist noch wesentlich höher

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Abkassiert - Österreich, das Land
der Superpensionisten

Kein österreichisches Unternehmen ist in den vergangenen Monaten so sehr im öffentlichen Fokus gestanden wie die Casinos Austria AG (Casag): Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Zuge der Ibiza-Affäre rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wegen angeblicher Absprachen mit Casinos-Miteigentümer Novomatic zu Glücksspiellizenzen und der Bestellung von FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo zum Casag-Vorstand haben den Ruf des Unternehmens arg in Mitleidenschaft gezogen. Zu allem Überfluss wurden im Zuge der Ermittlungen auch noch horrende Abfertigungszahlungen bei mutmaßlich parteipolitisch motivierten Vorstandswechseln bekannt - sowie üppig dotierte Pensionsverträge, von denen Herr und Frau Österreicher nur träumen können.

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400.000 Euro trotz Verzicht

So hat Bettina Glatz-Kremsner, die im Mai 2019 von der Finanzvorständin zur Generaldirektorin aufstieg, bei ihrem Pensionsantritt Anspruch auf einen Ruhestandsbezug von 400.000 Euro brutto im Jahr. Umgelegt sind das monatlich 28.571 Euro brutto bei 14-maliger Auszahlung. Dabei hätte Glatz-Kremsner, die seit rund 30 Jahren im Unternehmen ist, eigentlich einen noch höheren Anspruch - nämlich 500.000 Euro -gehabt, aber von sich aus darauf verzichtet. "Sie hat gesagt, sie will das nicht in Anspruch nehmen", erklärt dazu Casag-Sprecher Patrick Minar, der betont, dass "die 400.000 Euro gedeckelt und auch nicht valorisiert" seien. Im Übrigen seien Pensionsverträge bei vergleichbaren Unternehmen in ähnlicher Höhe durchaus üblich. Ob der Verzicht mit Blick auf die öffentliche Wirkung der imagemäßig schon ramponierten Casinos erfolgte oder aus grundsätzlichen Motiven, bleibt offen. Glatz-Kremsner, die bis zu ihrer Beförderung auch Stellvertreterin von ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz war, hat bei ihrem Funktionswechsel zudem eine Abfertigung erhalten -und zwar 1,6 Millionen Euro brutto.

Jackpot für Hoscher

Noch besser erwischt hat es allerdings der im Vorjahr bei den Vorstandsrochaden abgelöste SPÖ-Vorstand Dietmar Hoscher: Sein unfreiwilliger Abgang kostet das Unternehmen -und damit indirekt auch die Steuerzahler -mehr als vier Millionen Euro. Darin enthalten sind nicht nur Abfertigung sowie Boni für 2018 und 2019, sondern eine Urlaubsersatzleistung für 108 nicht verbrauchte Tage in Höhe von 651.207 Euro brutto -also fast 6.000 Euro pro Tag. Der Clou für Hoscher ist allerdings, dass er seit 1.1.2020 bis 5.6.2022 -also bis zu seinem 60. Geburtstag - weiter beschäftigt wird, aber gleichzeitig dienstfrei gestellt ist: und zwar bei einem Jahresbezug von 588.296,36 Euro brutto.

Aber auch nach Juni 2022 wird der Rapid-Wien-Kuratoriumsvorsitzende Hoscher nicht darben müssen. Denn dann dürfte er zum Superpensionisten Österreichs mutieren. Kolportiert wird nämlich eine Pension in Höhe von rund 600.000 Euro brutto im Jahr. Umgelegt entspricht das sagenhaften 42.850 Euro pro Monat. Diese Höhe ergibt laut gut informierten Kreisen folgendermaßen: Hoscher erhält nämlich zwei Pensionen. Die erste bekommt er von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), wo er von 1986 bis 1988 volkswirtschaftlicher Referent war. Die OeNB-Pension beträgt 50.000 Euro, also 3.571 Euro monatlich (14mal). Das ist mehr, als die normale Höchstpension der Allgemeinen Sozialversicherung (ASVG) für Normalbürger ausmacht.

160.000 an der Armutsgrenze

Besonders pikant daran ist auch, dass laut Pensionsversicherungsanstalt (PVA) aktuell lediglich 5.676 Österreicher eine solche Höchstpension beziehen, aber fast 160.000 Pensionisten an der Armutsgrenze dahinschrammen. Diese beziehen die sogenannte Ausgleichszulage in Höhe von 966 Euro. Die wird schlagend, wenn die eigentliche Pension weniger als diesen Betrag ausmacht -und der Bund dann die Differenz auf die 966 Euro ausgleicht. Vorausgesetzt, es wird ein Antrag dazu gestellt. Die durchschnittliche Alterspension betrug zuletzt übrigens 1.300 Euro. Das sind knappe 18.200 Euro pro Jahr.

Aber zurück zu Jackpot-Hoscher: Zusätzlich zur an sich schon sehr guten OeNB-Pension hat er noch Anspruch auf eine Pension der Casinos Austria. Und die wird offenbar besonders fett ausfallen. Kenner des Unternehmens gehen davon aus, dass sich diese in Höhe des Ruhestandsbezugs des ehemaligen Casinos-Austria-Generals Karl Stoss bewegen dürfte. Der musste 2017 den Platz für Alexander Labak -den Vertreter von Casinos-Großaktionär Sazka - räumen und kassierte in dem Jahr gar 4.243.894 Euro (inklusive rund 2,083 Millionen Euro Abfindung und Urlaubsersatzleistung). Seine Betriebspension soll 550.000 Euro betragen, ist zu hören. Diese setze sich nach der Formel "62 Prozent des letzten Jahresbruttogehalts plus Durchschnitt seiner Boni der letzten fünf Jahre" zusammen. Laut dieser Regelung hätte Stoss sogar noch mehr bekommen müssen, die Pensionszahlung wurde aber bei der Höhe seines Letztbezugs -also bei 550.000 Euro -gedeckelt.

Anspruch auf eine ähnliche Betriebspension soll auch Hoscher haben. Ob die ebenfalls bei 550.000 Euro gedeckelt ist, ist nicht bekannt. Immerhin soll Hoscher, der als besonders guter Verhandler in eigener Sache galt, laut Insidern stets darauf bedacht gewesen sein, um 20.000 bis 30.000 Euro mehr zu verdienen als die anderen Vorstände. Vom Casions-Sprecher ist dazu freilich nichts zu erfahren: Er verweist lediglich darauf, dass aktuell nicht mehr 62 Prozent, sondern lediglich 54 Prozent des Gehalts zur Formelberechnung herangezogen würden. Und bei Neuverträgen gebe es solche Regelungen auch nicht mehr -ebenso wenig wie alle anderen Mitarbeiter eine generelle Betriebspension über eine Pensionskasse erhielten.

Pensionsparadies Nationalbank

Ähnlich ist die Situation bei der schon erwähnten Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), wo für seit 1998 eingetretene Mitarbeiter in eine Pensionskasse eingezahlt wird, es aber nicht mehr so großzügige Ruhestandsregelungen wie zuvor gibt. Dennoch finden sich in einer Auflistung des Rechnungshofs aus dem Jahr 2018 zu Unternehmen in öffentlichem Mehrheitsbesitz 1.371 OeNB-Mitarbeiter mit Pensionen nach dem Altsystem. Diese erhalten einen Ruhestandsbezug von im Durchschnitt 6.581 Euro monatlich -also fast das Doppelte der ASVG-Höchstpension. Es gibt freilich auch viele Ex-Nationalbanker, die mehr bekommen -zum Teil echte Luxuspensionen. Der in der Grafik auf Seite 21 angeführte Ex-OeNB-Präsident Adolf Wala erhielt nach seinem Ausscheiden 2003 eine Pension in Höhe von 31.915 brutto pro Monat. Da diese valorisiert ist und mit den Jahren ansteigt, dürfte sie mittlerweile beträchtlich höher sein. Kolportiert wird eine Summe von 38.900 Euro monatlich. Auch der ehemalige OeNB-Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek, der in einen Schmiergeldskandal verwickelt war und mit der Nationalbank um seine Ansprüche vor Gericht stritt und dabei Recht bekam, erhält eine Pension in Höhe von 15.700 Euro. Und der am Mittwoch verstorbene Ex-Nationalbank-General Heinz Kienzl erhielt eine Pension von 30.158 Euro pro Monat. Da diese Zahlung ebenfalls evaluiert war und Kienzl 97 Jahre alt wurde, konnte sich der Ex-Banker mehr als drei Jahrzehnte an einer über die Jahre noch deutlich angestiegenen Pension erfreuen.

Aus "Datenschutzgründen" will man diese Zahlen nicht kommentieren. Der kürzlich ausgeschiedene Gouverneur Ewald Nowotny habe jedenfalls keinen derartigen Ruhestandsbezug, heißt es dazu aus der Nationalbank. Für ihn sei, so wie für alle anderen ab 1998 eingetretenen OeNB-Mitarbeiter, während der Zeit ihrer Beschäftigung in eine Pensionskasse eingezahlt worden. Das sei "ein Gehaltsbestandteil"."Die alten Dienstrechte" seien "durch ein marktkonformes Dienstrecht, das sich an den Banken und Versicherungen orientiert, ersetzt" worden. Zusätzlich habe auch der Gesetzgeber mit Jänner 2015 in die OeNB-Pensionen eingegriffen, was "massive Auswirkungen auf die Pensionen wie ein höheres Antrittsalter und eine längere Durchrechnung" habe, so ein Sprecher. Dennoch: Ende 2018 belief sich die Deckungserfordernis für die OeNB-Pensionen auf rund 2,9 Milliarden Euro. 2019 dürfte nochmals ein dreistelliger Millionenbetrag dazugekommen sein.

Dringender Reformbedarf

Kein Wunder, dass die Neos als derzeit angriffigste Oppositionspartei Handlungsbedarf bei Unternehmen im öffentlichen Eigentum sehen: Zwar seien 2015 mit einem Sonderbegrenzungsgesetz eine Obergrenze für neue Luxuspensionen beim Dreieinhalbfachen der Höchstbemessungsgrundlage (18.795 Euro) sowie Solidarbeiträge für Altpensionisten eingeführt worden, doch das reiche nicht. "Solche Pensionen sind absurd und für Normalbürger weder vorstellbar noch nachvollziehbar", sagt Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker mit Verweis auf Unternehmen wie Nationalbank und Casinos Austria. Dass Letztere nicht auf der Rechnungshofliste aufscheinen, liege daran, dass der staatliche Anteil unter 50 Prozent liege. "Die Grauzone bei Luxuspensionen ist noch viel größer", so der Neos-Abgeordnete Loacker, der neue Reformschritte fordert: etwa keine Steigerungen mehr für Beträge über der AS-VG-Höchstbemessung sowie weitere Einschnitte bei Luxuspensionen: "Das ist schon allein deshalb nötig, weil letztlich die Steuerzahler für diese Millionenbeträge aufkommen müssen."

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Pensionsschere

Rund 1,7 Millionen Pensionsbezieher gibt es aktuell in Österreich. Die durchschnittliche Pension beträgt 1.300 Euro. Mindestpension gibt es keine, dafür aber eine Ausgleichszulage, damit Pensionisten mit einer geringen Pension auf zumindest 966 Euro pro Monat kommen. Zuletzt waren das 157.528 Personen. Die ASVG-Höchstpension von 3.402 Euro bekommen lediglich 5.676 Personen. Von den vier Luxuspensionen ist nur die von Bettina Glatz-Kremsner bestätigt. Die von Adolf Wala ist ohne Valorisierung, die von Karl Stoss und Dieter Hoscher beruhen auf Schätzungen von Unternehmenskennern.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 5/2020) erschienen!