Die Casino Affäre einfach erklärt

Warum es um mehr als Postenschacher geht - und was daran so verwerflich ist

Die Casino-Affäre hielt die österreichische Innenpolitik in Atem. Doch zwischen den zahlreichen Chats, Akteuren und Korruptionsvorwürfen geht der Überblick leicht verloren. Hier die Causa rund um die Casinos Austria einfach erklärt zum Nachlesen:

von Casino © Bild: iStockphoto.com/Elmar Gubisch

Was ist der Vorwurf in der Casinos-Affäre?

Im März 2019 wurde ein neuer Vorstand der Casinos Austria bestellt: Erstens Bettina Glatz-Kremsner, enge Vertraute sowie Ex-Stellvertreterin von Sebastian Kurz, die bereits davor im Vorstand saß und durch den gleichzeitigen Abgang des Casinos-Chefs Alexander Labak nun den Vorstandsvorsitz übernahm. Zweiter Vorstand wurde Martin Skopek, der als Kandidat der tschechischen Sazka-Gruppe (mit ca. 38 Prozent der größte Eigentümer der Casinos Austria) aufgestellt wurde.

Als dritter Vorstand wurde der FPÖ-Politiker Peter Sidlo bestellt, der den SPÖ-Kandidaten Dietmar Hoscher ablöste. Sidlo kam als Kandidat des Glücksspielkonzerns Novomatic (mit rund 17 Prozent der drittgrößte Miteigentümer der Casinos nach der Republik Österreich in Form der ÖBAG mit rund 33 Prozent). Für die Bestellung von Sidlo in diesen äußert gut datierten Posten soll die FPÖ Novomatic im Gegenzug Änderungen bei Glücksspiel-Gesetzen versprochen haben. Das wäre nicht nur einfach "Postenschacher", sondern Bestechung.

Anmerkung: Ende 2020 wurde bekannt, dass Novomatic seinen 17-prozentigen Anteil an den Casinos an den größten Aktionär, die tschechische Sazka-Gruppe verkauft. Damit übernimmt Sazka die Mehrheit an den Casinos.

Warum musste die FPÖ der Novomatic überhaupt Gesetzesänderungen versprechen, damit sie Sidlo nominiert?

Weil Sidlo für den Job wohl nicht geeignet war. Peter Sidlo, der davor FPÖ-Bezirksrat sowie Geschäftsführer einer kleinen Finanzgesellschaft mit sieben Mitarbeitern war, wurde von einem Schweizer Personalunternehmen als ungeeignet für den Vorstandsposten eingestuft. Aufgrund mangelnder Erfahrung in großen Unternehmen mit Finanzverantwortung "würde er in den meisten Auswahlverfahren für eine entsprechende CFO-Position keine Berücksichtigung finden", lautete das eindeutige Urteil des Headhunters Egon Zehnder.

»Erzähl ihm halt, wie toll ich bin«

Was wurde noch unternommen, um Sidlo in den Posten zu befördern?

Es wurde massives Lobbying betrieben. Vor allem von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Dieser intervenierte an sämtlichen Stellen, so auch bei Ex-ÖVP-Finanzminister Löger oder Novomatic-Chef Harald Neumann, und fragte bei beiden nach, ob bezüglich Sidlo "alles auf Schiene" sei. Sidlo selbst bat Strache auch um Unterstützung, wie folgender SMS-Verlauf zeigt:

Sidlo: "Könnte sein, dass sich Egon Zehnder (Headhunter) bei dir meldet bzgl Referenz für mich. Dann erzähl ihm halt, wie toll ich bin"
Strache antwortet: "Ok! :-) Was soll ich ihm beruflich erzählen?"
Sidlo: "Ich denke es geht eher in Richtung Managementqualitäten. Teamorientiert, werteorientiert, verbindlich, verlässlich, loyal durch die Politik Menschenkenntnis und Verhandlungsgeschick, kann Teams führen (z.B. Klub im Bezirk). Sonst Finanzfachmann, den die Partei schon öfter für Budget oder Finanzierungsthemen um Rat gefragt hat."
Strache antwortete mit einem Daumen nach oben.

Dazu auch interessant: Strache verteidigt Sidlo-Bestelung

Und welche Gesetzesänderungen wurden in Aussicht gestellt?

Zunächst: Es ist nicht bewiesen, dass Gesetzesänderungen in Aussicht gestellt wurden. Aber es gibt diverse Hinweise. Zum Beispiel ein Treffen zwischen Ex-Finanzminister Hartwig Löger, Novomatic-Eigentümer Johann Graf (oft "Professor Graf" genannt) und Novomatic-Chef Harald Neumann Ende Jänner. Zur Vorbereitung verschickte Thomas Schmid (damals Lögers Kabinettschef) ein abfotografiertes Schreiben aus dem Finanzministerium, worin es um neue Casino-Lizenzen geht und darum, dass man dafür ein neues Gesetz brauche, an den Novomatic-Chef. Nach dem Treffen schrieb Neumann an Schmid: "War ausgezeichnet :)) Schönen Abend!“

Am Tag nach diesem Treffen telefonierte Löger mit Walter Rothensteiner, Aufsichtsratschef der Casinos Austria, der sich im Anschluss notierte:
"Löger hat mit Graf konferiert, der hat irgendeinen Hintergrund Deal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muß. Alternativkandidat von Neumann gibt es nicht mehr, Graf will es nicht."
Rothensteiner schien seinen Notizen nach skeptisch gegenüber der Sache zu sein:
"Habe Löger gesagt, dass ich damit eigentlich meine Funktion überdenken muß. Versteht er, bittet mich, ihn zu verstehen. Er wird mit Pröll reden."
Gemeint ist Rothensteiners Stellvertreter und Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll. Dieser soll daraufhin gemeinsam mit Rothensteiner beschlossen haben, den anderen Aufsichtsratsmitgliedern die Informationen über die mangelnde Eignung Sidlos nicht weiterzugeben - angeblich aus "Datenschutzgründen".

Eine Warnung vor Sidlo sprach der im Abtritt begriffene Casinos-Chef Labak gegenüber Rothensteiner in einem Mail aus:
"Sidlo wurde von der Novo ganz offensichtlich mit dem klaren Ziel nominiert, von der FPÖ im Gegenzug eine politische Unterstützung für die Gewährung zusätzlicher Lizenzen (zB. Online-Gaming) zu sichern."

Trotzdem wurde Sidlo eben in den Vorstand gehievt. (Der größte Aktionär, die Sazka-Gruppe, enthielt sich übrigens nach heftigem Widerstand letztlich der Stimme.) Die eine Seite hielt also ihren Teil der Abmachung ein. Doch was bekam die andere Seite – also Novomatic? Angeblich sollte eine Gesetzesänderung dem Bund das Recht geben, Lizenzen an Glücksspielbetreiber zu vergeben, was bisher Ländern vorbehalten war, weshalb Wien einst das "kleine Glücksspiel" verbieten konnte. Damit hätte etwa das Verbot wieder aufgehoben werden können. Außerdem sollte angeblich der Casinos-Tochter "Win2Day" das Monopol auf Online-Glücksspiel entzogen werden, eine Tatsache, eine Änderung ganz im Sinne Novomatics, dem das Monopol stets ein Dorn im Auge war.

Wurden die Vorhaben auch umgesetzt?

Nein. Sollten diese tatsächlich versprochen worden sein, so kam es nie dazu, da die ÖVP-FPÖ-Regierung aufgrund der Nachwirkungen des Ibiza-Videos vorzeitig aufgelöst wurde.

Warum ist Ex-Finanzminister Hartwig Löger von der ÖVP in die Causa verwickelt?

Die Casinos Austria steht zu einem Drittel im Eigentum der Republik Österreich. Diese Anteile verwaltet die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) – und diese untersteht dem Finanzministerium, das übrigens auch für die Aufsicht übers Glücksspiel zuständig ist, Lizenzen vergibt bzw. entzieht. Somit fielen sämtliche Angelegenheiten in dieser Causa in Lögers Zuständigkeitsbereich. Er war in die Bestellung des Sidlos eingebunden (Straches Nachfrage, ob alles auf Schiene sei bzw. dass Strache sich nach Sidlos Bestellung bei Löger für dessen Unterstützung bedankte, implizieren dies).

»"Lieber Hartwig! Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Lg HC". «

Der Ex-Finanzminister soll aber nicht nur bei Sidlo nachgeholfen haben, sondern auch von dem Deal im Hintergrund zwischen Novomatic und FPÖ gewusst haben - und dennoch auf die Bestellung Sidlos gedrängt haben (siehe auch oben erwähnte Notizen von Rothensteiner bzgl. "Hintergrund Deal mit den Blauen" und Sidlo "ein Muss"), so die Vorwürfe.
Hartwig Löger ist deshalb wegen Amtsmissbrauchs beschuldigt. Er habe sich "von sachfremden Motiven" und "parteitaktischem Kalkül" leiten lassen sowie "gesetzesfremde Erwägungen" angestellt, so die Staatsanwaltschaft. Ein weiteres Detail, dass Löger wohl auch nicht entlastet: Er schickte als Minister einen Gesetzesentwurf in Begutachtung, mit dem das Glückspiel-Gesetz geändert worden wäre, zog diesen Entwurf aber zurück.

Was wusste Sebastian Kurz?

Eine der großen Fragen der ganzen Causa. Was wusste der damalige Bundeskanzler und ÖVP-Chef Kurz? In einer Nachricht erwähnte Novomatic-Chef Harald Neumann etwa ein "Meeting mit Seb", womit laut Einschätzung der Staatsanwaltschaft tatsächlich Kurz gemeint gewesen sein woll. Um welches Treffen mit welchen Personen und um welche Themen es dabei konkret ging, geht aus den veröffentlichten Chats allerdings nicht hervor. Laut ÖVP aber sicher nicht um die Bestellung Sidlos. Überhaupt wies die ÖVP immer wieder Vorwürfe im Zusammenhang mit der Affäre zurück. Kurz drohte sogar mit Klagen, sollten der ÖVP oder ÖVP-Vertretern strafrechtlich relevante Dinge unterstellt werden.

»Kurz will davon nichts wissen und das geht nicht. «

Dennoch war Löger türkiser Finanzminister unter Türkis-Chef Kurz und auch Lögers damaliger Kabinettschef Thomas Schmid (Lögers Kabinettschef und nunmehriger ÖBAG-Vorstand), der durch unzählige Nachrichten im Fokus steht, gilt als enger Kurz-Vertrauter. Auch ein Chat Heinz-Christian Straches mit anderen FPÖ-Funktionären nennt Kurz:
„Bitte alle Vereinbarungen welche mit Löger, Schmidt und co getroffen worden sind sammeln und für mich dokumentieren. Kurz will davon nichts wissen und das geht nicht. Unser Entgegenkommen bei OeNB zu FMA-neu gibt es nur, wenn wir den zweiten Vorstand sofort bekommen (…) Wir stimmen nirgend wo mehr zu, wenn das nicht geklärt wird…..!!!! Das war extra vereinbart, das muss halten.“

Kurz-Vertraute Glatz-Kremsner

Laut anonymer Anzeige soll der angebliche FPÖ-Novomatic-Deal auf einer Londoner Glücksspielmesse fixiert worden sein. Kalendereinträge die dem "Profil" vorliegen zeigen, dass die ÖVP-nahe Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner damals auch vor Ort war. „Bettina Glatz Kremsner ist auf unserer Seite“, schrieb etwa Novomatic-Chef Neumann aus London an Strache. Glatz-Kremsner bestätigte zwar diese Zusammenkunft, bestreitet jedoch, dass dabei über Sidlo gesprochen wurde. "Es ist richtig, dass ich dem für das Thema Glücksspiel zuständigen Staatssekretär (Hubert Fuchs, Anm.) empfohlen habe, eine der größten Glücksspielmessen der Welt zu besuchen“, erklärt Glatz-Kremsner. Über andere Gespräche in der genannten Zusammensetzung wisse sie nichts, schreibt Glatz-Kremsner dem "Profil" - "Schon gar nichts über deren möglichen Inhalte. Offensichtlich war ich nicht bei allen Terminen von Herrn Fuchs dabei. In meiner Anwesenheit wurde über die Personalie Peter Sidlo jedenfalls nicht gesprochen."

Gegen wen ermittelt nun die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft?

Von der Staatsanwaltschaft als beschuldigt geführt werden derzeit:

  • Heinz-Christian Strache (soll beim Verhandeln des Deals involviert gewesen sein und sich mit dem Job Sidlos bestechen haben lassen)
  • Johann Gudenus (soll ebenfalls am Deal beteiligt gewesen sein und kommunizierte mit Sidlo darüber)
  • Hubert Fuchs (Ex-FPÖ-Finanzstaatssekretär. Er soll an einem neuen Online-Gaming-Gesetz gearbeitet haben und den Deal mit Novomatic in London akkordiert haben)
  • Peter Sidlo
  • Johann Graf (Novomatic-Eigentümer, soll mit Fuchs den Deal akkordiert haben)
  • Harald Neumann (Novomatic-Chef, steht im Verdacht, sich durch Sidlos Bestellung Gesetze kaufen haben zu wollen)
  • Hartwig Löger (Verdacht auf Amtsmissbrauch)
  • Thomas Schmid (damaliger Kabinettschef Löger, soll Ministeriumsunterlagen über Glücksspiellizenzen abfotografiert und Neumann geschickt haben)
  • Walter Rothensteiner (Aufsichtsratsvorsitzender der Casinos. Unter seiner Verantwortung wurde Sidlo bestellt. Er verschwieg wegen politischem Druck die Nicht-Eignung Sidlos)
  • Josef Pröll (auch er verschwieg Sidlos Nicht-Eignung)
  • sowie die Novomatic AG.

Alle Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Dazu weiter interessant: Die Akteure in der Casinos-Causa im Überblick

Was passiert seither? Wie geht es weiter?

Anfang 2020 wurde ein Untersuchungsausschuss von der SPÖ und den NEOS einberufen. Der sogenannte Ibiza-Untersuchungsausschuss behandelte im Zuge der Ibiza-Affäre unter anderem auch die Causa "Casinos" und wurde am 22. September 2021 beendet. Die WKStA ermittelt seit dem Frühling 2019 und auch weiterhin in der sogenannten Causa "Casinos".