"Das ist ja keine Paartherapie"

Die Schauspielerin Katharina Straßer und der Kabarettist Thomas Stipsits sind jetzt nicht mehr nur privat ein Paar. In der neuen ORF-Serie "Gemischtes Doppel" begeben sie sich gemeinsam auf die Suche nach dem Irrsinn des Alltags

von Doppelinterview - "Das ist ja keine Paartherapie" © Bild: Sebastian Reich

Sie haben sich vor vier Jahren in der Blödel-Quizsendung "Was gibt es Neues?" kennengelernt. Was war Ihr erster Eindruck voneinander?
Katharina Straßer: Ich war damals zum ersten Mal in der Sendung und habe mir gedacht: netter Kerl, zu enges Hemd, lustig, eigentlich ganz süß. Bis dahin hatte ich von dieser Kabarettwelt nichts mitgekriegt, ich kannte ihn überhaupt nicht! Das ist schon irre, was für komplett verschiedene Kreise Theater und Kabarett sind. Den Manuel Rubey aber kannte ich, und deshalb war ich dann auch einmal in dem Programm "Triest", das der Thomas mit ihm gespielt hat. Und da dachte ich mir: "Bist du deppert, der ist ja Bombe! Wieso kenne ich den nicht?"

»Ich dachte: Diese Frau ist für mich ein Nummer zu groß«

Thomas Stipsits

Und Sie, Herr Stipsits? War Ihnen Katharina Straßer ein Begriff?
Thomas Stipsits: Ja, freilich. Wobei wir bei "Was gibt es Neues?" damals privat vielleicht einen Satz miteinander gewechselt haben. Aber als sie dann bei uns im Kabarettprogramm war, haben wir nach der Vorstellung geredet, und da habe ich mir schon gedacht: unfassbar attraktive Frau, sehr lustig -aber für mich eine Nummer zu groß. Nicht einmal daran denken!
Straßer: Ach, Baby! Was soll das denn bedeuten?
Stipsits: Na ja, das ist eben so ein Männerding. Es gibt da so Kategorien
Straßer: Ich kenne das bei Männern eher umgekehrt: dass sie glauben, es geht alles.
Stipsits: Ich war eben nie ein großer Aufreißer.
Straßer: Ihm muss man schon sehr konkret sagen, dass man auf ihn steht. Er hat's lang nicht gemerkt.
Stipsits: Wir haben uns dann einmal in der Roten Bar im Volkstheater getroffen. Da habe ich mir aber auch noch nicht so viel dabei gedacht. Ich dachte, wir trinken halt ein Bier miteinander. Aber dann hat sie mich im Taxi geküsst!
Straßer: Ich hab dir ein Abschiedsbussi gegeben. An dem Abend hatte ich mir schon gedacht: Das gibt's nicht! Wahrscheinlich steht er nicht auf mich. Nach dem Bussi hat er's dann kapiert.
Stipsits: Ich war da immer sehr schwach. Einmal, das ist schon lange her, habe ich in einer Bar in Graz eine Dame angesprochen. Ich wollte das ganz cool machen, hab ihr einen Flyer von mir hingelegt und gesagt: "Schau, des bin i!"
Straßer: Au! Und?
Stipsits: Sie hat nur gesagt: "Is ma wurscht" - und ist gegangen. Ganz patschert war das. Da war ich aber auch sehr betrunken.

© Sebastian Reich Als Katharina Straßer ihrem jetzigen Mann erstmals begegnete, wusste sie nicht, wer er ist. "Ich hatte von dieser Kabarettwelt nichts mitgekriegt"

Seit zwei Jahren sind Sie verheiratet und Eltern eines Sohnes. Jetzt kommt Ihr jüngstes "Kind", die satirische Serie "Gemischtes Doppel", ins Fernsehen. Sie schlüpfen darin in Dutzende Rollen. Was unterscheidet Ihre Serie von ähnlichen Formaten wie "Bösterreich" oder "Kalahari Gemsen", die zuletzt im ORF liefen?
Straßer: Es ist keine Sketch- Comedy. Wir tragen weder Perücken noch falsche Zähne.
Stipsits: Unsere Idee war: Je natürlicher das gespielt ist, desto besser.
Straßer: Ich glaube, ich habe überhaupt noch nie so dezent gespielt wie in dieser Serie. Manchmal habe ich mir schon gedacht: Ist das eigentlich noch was? Ich glaube aber, dass dieses Reduzierte dem Ganzen sehr guttut. Weil man dadurch wirklich das Gefühl kriegt, dass das Alltagsmenschen sind.

»Ich habe noch nie so dezent gespielt wie in dieser Serie«

Katharina Straßer

Wie viele der Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten, wie viele sind erfunden?
Straßer: Ich würde sagen, 70 Prozent stimmen. Viele der Geschichten sind uns tatsächlich passiert. Als wir daran gearbeitet haben, war ich schwanger und musste deshalb unzählige Amtsbesuche absolvieren. Da bin ich oft ganz begeistert nach Hause gekommen: "Ich hab wieder eine gute G'schicht'!" Und der Thomas hat sich wieder an den Computer gesetzt.

Gleich in der ersten Folge gibt es eine Szene, die auf einem Amt spielt. Ist Ihnen die passiert?
Straßer: Ja, das war bei der SVA. Ich habe dort ein Formular gekriegt, das schon für Deutschsprachige schwer auszufüllen ist. Und statt mir zu helfen, hat die Beamtin permanent mit ihrer Kollegin telefoniert und besprochen, was sie heute in der Mittagspause essen werden. Unglaublich! Aber statt mich zu ärgern, habe ich das als Geschenk gesehen.
Stipsits: Wir haben in der Szene noch ein zweites Amtserlebnis verarbeitet: Als wir uns für die Hochzeit angemeldet haben, sind wir zehn Minuten vor zwölf ins Standesamt gekommen, und die Dame am Schalter sagt, ohne zu grüßen: "Jetzt kummen S' daher?" Wunderbar, ein toller Opener für die Szene.

Stimmt der Eindruck, dass im "Gemischten Doppel" der Weg zur Pointe fast wichtiger ist als die Pointe selbst?
Stipsits: Absolut. Oft ist es die Situation selbst, die eine gewisse Komik in sich trägt. Wobei bei vielen Szenen Komik und Tragik sehr eng beieinanderliegen.

Es gibt aber auch Geschichten, die zu absurd sind, um wahr zu sein - oder?
Stipsits: Eine Geschichte jeder Folge ist immer frei erfunden. Zum Beispiel diese Faschingsnazis, die sich als Josef Mengele und Eva Braun verkleiden.

Versuchen wir einmal herauszuarbeiten, worin die Komik des Alltags besteht. Ein Merkmal der Alltagskomik besteht zunächst einmal darin, dass sie unfreiwillig ist: Die, die komisch sind, meinen's ja bitterernst.
Stipsits: Ja, deshalb war es für die Serie auch so wichtig, die Figuren ernst zu nehmen, sie nicht zu verblödeln.

Lustig kann auch sein, wenn anderen Menschen etwas Peinliches passiert.
Stipsits: Ich beobachte im Stau gern andere Autofahrer, die das nicht merken. Das hat manchmal etwas total Entwürdigendes. Was ich da schon alles gesehen habe!
Straßer: Einmal sind wir bei der Romy-Gala neben einem ganz hohen Tier am Tisch gesessen, wirklich ein sehr bekannter Mann -und der hat einfach die ganze Zeit vor sich hin gefurzt, weil er geglaubt hat, wir hören es nicht! Bis seine Frau ihn gestoßen und gesagt hat: "Jetzt hör einmal auf!"

Es gibt aber auch Situationen, die man nicht mehr lustig findet - Stichwort Fremdschämen: Man sieht etwas und hält es nicht aus, obwohl man eigentlich nichts damit zu tun hat.
Straßer: Das geht mir zum Beispiel bei Florian Silbereisen so.

»Es kann auch was Lustiges haben, wenn Pärchen sich streiten«

Thomas Stipsits

Ich habe jetzt eher an streitende Paare oder so gedacht.
Straßer: Furchtbar unangenehm!
Stipsits: Wobei man in der Situation selbst selten etwas sagt. Erst wenn die weg sind, redet man darüber.
Straßer: Oder diese Paare, die sich vor Dritten gegenseitig so Spitzen versetzen - schlimm. Hoffentlich werden wir nie so.
Stipsits: Manchmal kann es aber auch was Lustiges haben, wenn man Pärchen streiten sieht. Man denkt sich: Mein Gott, die Situation kenne ich gut! Oder: Dieses Argument habe ich auch schon oft gehört.

In der Serie gibt es eine Szene, in der ein Paar bei Nachbarn zum Essen eingeladen ist, aber nicht hingehen mag. Was machen Sie in so einem Fall?
Straßer: Wir gehen natürlich hin.
Stipsits: Und trinken viel Alkohol.
Straßer: Waren wir jemals wo, wo wir nicht sein wollten?
Stipsits: Ich glaube nicht. Die Szene hat aber schon autobiografische Züge - dass man sich etwas einfallen lässt, warum man wo nicht hingeht, kenne ich natürlich. Ich kenne es aber auch umgekehrt: Ich sage zu und weiß in dem Moment schon, dass mir das, was ich da zugesagt habe, irrsinnig auf die Nerven gehen wird.
Straßer: Wir sagen uns oft: Wir müssen lernen, Nein zu sagen!
Stipsits: Und zwar ohne sich irgendeine Begründung aus der Nase zu ziehen, sondern einfach: "Nein, ich hab keine Lust." Warum muss man immer Rechenschaft ablegen, wenn man was nicht machen will? Es gibt noch eine andere Geschichte in der Serie: Ein Paar hat Freunde zum Essen eingeladen - und stellt vorher alle früheren Geschenke der Gäste in der Wohnung auf.
Straßer: Das habe ich jahrelang bei meiner Mutter gemacht. Die hatte den Katalog "Die moderne Hausfrau" abonniert und mir daraus zu jedem Anlass irgendwas Unmögliches bestellt. Eine Statue, wo man Ringe drauftun kann, zum Beispiel. Oder eine Schnecke aus Stein fürs Fensterbrett. Und wenn sie zu Besuch kam, habe ich das Zeug hervorgekramt. Irgendwann habe ich ihr dann gesagt, dass sie das lassen soll.
Stipsits: Der Lukas Resetarits hat mir einmal eine Geschichte erzählt, die er vor Jahren in der Straßenbahn erlebt hat: Ein älteres Ehepaar, der Mann referiert über Jacques Chirac und die französische Außenpolitik. Die Frau hört sich das alles an, und wenn er mit seinem Monolog fertig ist, sagt sie: "Du, das G'selchte müssen wir noch zur Tante Hermi bringen."
Straßer: Schade, dass wir das nicht für die Serie verwendet haben! In diesem Fall besteht die Komik darin, dass zwei Leute sich gedanklich in völlig anderen Welten aufhalten. Das kennen wir auch: Man ist zwar augenscheinlich im selben Raum, eigentlich aber ganz woanders. Der Thomas sitzt am Computer, ich schminke mich, weil ich zu einem Auftritt muss, und texte ihn mit irgendwas zu. Er sagt nur "Ja, eh" und hört aber gar nicht richtig zu.
Stipsits: Das löst sich dann meistens erst Tage später auf - mit den Worten: "Das hast du mir nie gesagt!"

© Sebastian Reich Stipsits und Straßer sind seit zwei Jahren verheiratet: "Es ist wichtig, Streite ein bissl ins Lächerliche zu ziehen, weil das, worüber man streitet, ja meistens auch lächerlich ist"

Sinn für Alltagskomik ist für eine gelungene Beziehung nicht unwichtig, oder?
Beide: Ja!
Stipsits: Es ist wichtig, Streite ein bissl ins Lächerliche zu ziehen, weil das, worüber man streitet, ja meistens auch lächerlich ist. Du hast gesagt, aber ich hab gemeint - solche Dinge.
Straßer: Lustig finde ich auch, wenn einem ein Pärchen etwas erzählt, und die verbessern sich gegenseitig dauernd: "Das war ja gar nicht so!" Oder unser kleiner Bub, der jetzt gerade zu sprechen anfängt, das ist auch wahnsinnig lustig. Der sagt einfach alles, was er sich denkt.
Stipsits: Ja, der Kindermund. Der Manuel Rubey war mit seiner Tochter bei einer Autorin im Waldviertel zu Besuch, und dort war es anscheinend ein bissl unordentlich. Die vierjährige Luise kommt rein und sagt: "Es ist mir unfassbar peinlich, wie es hier aussieht!"

»Jetzt quatscht er mir schon beim Wäschewaschen rein!«

Katharina Straßer

Wir haben ja schon festgestellt, dass es oft komisch ist, wenn Menschen etwas sehr ernsthaft betreiben. Bedeutet das umgekehrt, dass Menschen, die über Selbstironie verfügen, weniger komisch sind?
Straßer: Absolut. Man darf nicht zu reflektiert sein, sonst ist man nicht so lustig.
Stipsits: Bei manchen kommt ein erhärteter Eigengenieverdacht dazu, die gehen einfach davon aus, dass das, was sie machen, das Richtige ist.
Straßer: Von außen gesehen, ist das schon oft sehr lustig. Darf ich die Besteckgeschichte erzählen? Ich habe zu Geschirr und Besteck keinen Zustand. Beim Thomas hingegen ist es so: Es gibt eine Lade, da gehört das Besteck mit den Rillen rein, und eine Lade für das andere. Und wenn ich das falsch einräume, dann räumt er es nachher um.
Stipsits: Der Manuel ist da übrigens genauso!
Straßer: Auch wie man den Geschirrspüler einräumt, ist für dich ein Thema. Er pfuscht mir in alles rein. Ich liebe zum Beispiel Wäschewaschen, das ist eigentlich mein Metier. Aber da quatscht er mir jetzt auch schon rein, das passt mir überhaupt nicht. Also, im Haushalt häkerln wir uns viel - mit Selbstironie. Aber wir kommen vom Thema ab. Das ist ja keine Paartherapie.

Apropos: Haben Sie jemals daran gedacht, gemeinsam ein Beziehungsprogramm zu spielen?
Stipsits: Nein, es gibt eh schon viele, die das machen. Aber wenn wir gemeinsam bei "Was gibt es Neues?" zu Gast sind, müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht gleich auf das Thema draufsetzen. Es wird natürlich gern genommen.

So ein Beziehungsprogramm hat ja auch etwas Deprimierendes. All diese Pärchen im Publikum - und man hat den Eindruck: Je lauter die lachen, desto furchtbarer sind ihre Beziehungen.
Stipsits: Es ist ja auch ein Phänomen, dass man sich was anschaut, was man eh kennt.
Straßer: Ich glaube, man will sehen, dass andere auch so leiden. Das hilft anscheinend.

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