Ein Journalist ist kein Richter und kein Verteidiger

Die Selbstzerstörung des hervorragenden Schauspielers Florian Teichtmeister gleicht in vieler Hinsicht einer Katastrophe. Berichterstatter sollten lieber Fragen stellen, als sich unbefugt zu Urteilen aufzuschwingen.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Es gibt Situationen in meinem Beruf, da wäre man froh, nicht gefragt und damit auch nicht zum Antworten aufgefordert zu sein. Ich bin weder Jurist noch Psychiater und fühle mich daher zum Urteil über den großartigen Schauspieler und erschreckenden Menschen Florian Teichtmeister nicht berufen. Ich habe ihn nicht zu verteidigen. Kinderpornographie (oder wie immer sie im Gefolge unnötigen semantischen Flügelschlagens jetzt genannt werden soll) zählt zum Verheerendsten. Man muss nicht selbst Vater sein, um auch ihren Konsum zu verabscheuen, weil man weiß, dass bei der Herstellung des teuer gehandelten Produkts Seelen ermordet werden. Ich habe aber auch keine Rübe-ab-Wahrsprüche zu fällen, sondern zu fragen: wie es denn um die Zurechnungsfähigkeit eines Menschen bestellt ist, der 58.000 einschlägige Dateien hortet. Auch, ob es geraten ist, ihm in Nachrichtensendungen kurz vor dem Prozess ferndiagnostisch die Therapierungsfähigkeit und damit jede Hoffnung auf Resozialisierung abzusprechen.

Aber ich kann festhalten, dass das Burgtheater nach meiner Einschätzung richtig gehandelt hat. Vor eineinhalb Jahren ging das Gerücht um, Teichtmeister sei auf Grund ernster Beschuldigungen von der Polizei vernommen worden. Gleichzeitig hörte man aber auch von einer bösartigen Trennung, und dass in solchen Causen alle sich anbietenden Instrumente ausgepackt werden, ist bekannt. Auf Denunziationsbasis Existenzen zu vernichten, noch ehe eine befugte Instanz auch nur zum Zwischenergebnis gelangt ist, hat sich verheerenderweise etabliert. Das in sozialen Medien verbreitete Gerücht genügt, um den kollektiven Blökreflex in Betrieb zu setzen. Erweist sich die Schuldlosigkeit des zu Tode Moralisierten, ist es a) keiner Erwähnung wert und b) ohnedies zu spät.

Von der Causa Teichtmeister jedenfalls war ein Jahr lang nichts zu hören. Bestenfalls ging noch herum, das überworfene Paar habe sich geeinigt. Vielleicht hätte man ihn, rein juristisch, nach Abwägung diverser Interessen dennoch schon früher kündigen können. Aber für mich als Laien ist die Beantwortung der Frage nach Schuld oder Schuldlosigkeit das einzige Interesse. Zumal sich mir nicht erschließt, von wem Schaden abgewendet worden wäre, wenn man Teichtmeister ohne Vorliegen belastender Resultate entlassen hätte. Oder meint jemand, von einer Person unter polizeilicher Beobachtung wäre im Haus Gefahr für wen auch immer ausgegangen? Eines kann man allerdings schon in Frage stellen: Musste Kusej seinen Schauspieler bis zum niederschmetternden Ergebnis denn ständig in die erste Reihe rücken?

Womit ich beim ausschließlich Künstlerischen bin: Aus diesem Aspekt ist Teichtmeisters Selbstverwüstung eine wahre Katastrophe. Ohnedies gibt es kaum noch erstklassige österreichische Schauspieler, und Teichtmeister ist neben Nicholas Ofczarek, Erwin Steinhauer, Paulus Manker, Herbert Föttinger und dem jungen Felix Kammerer einer der Letzten, mit denen man einen Nestroy, Schnitzler oder Horvath überhaupt noch besetzen kann. Klar, dass ihn Kusej bei erster Gelegenheit von der "Josefstadt" abgeworben hat. Und mehr als bloß theoretisch schien die Option, Teichtmeister könne 2026 als Föttingers Nachfolger in eine Reihe publikumsmagnetischer "Josefstadt"-Intendanten wie Otto Schenk und Helmuth Lohner treten.

Auch habe ich mir angesehen, wie der Gesetzgeber Teichtmeisters Delikt bewertet: mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, so wie Urkundenfälschung, Organisation von Schwarzarbeit oder Störung einer Religionsausübung. Das mag zu gering bemessen sein, ist aber juristisches Faktum. Ebenso wie die Prognose, dass Teichtmeister als geständiger Unbescholtener vielleicht mit einer "Bedingten" davonkommt. Unter entsprechend strengen Auflagen könnte damit fast jeder in seinen Beruf zurückkehren. Sogar Priester, die bei Gott Schlimmeres als Teichtmeister begangen haben, versuchen in Klöstern ihren Schöpfer für nachher gnädig zu stimmen. Aber ein Schauspieler, der vor ein Publikum treten, von einer Filmproduktion engagiert werden muss? Dieser Fall ist so finster, wie einer nur sein kann. Und sollten jetzt schwachsinnigerweise auch noch Filme und Theateraufzeichnungen wegen des Verhaltens eines Mitwirkenden eingestampft werden, wäre das Dunkel kaum noch zu durchdringen.

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