Wenn die Seele Schmerzen verursacht

Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen sind organisch gesund. Dennoch leiden sie unter Schmerzen, Schlafstörungen und anderen Beschwerden. Psychologin Sabine Schneider will mit ihrem neuen Buch Betroffenen helfen.

von Gesundheit - Wenn die Seele Schmerzen verursacht © Bild: iStockphoto.com

Die Patientinnen und Patienten leiden an Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Verdauungsproblemen. Sie suchten bereits eine Vielzahl an Ärzten auf, doch trotz genauer Untersuchungen konnten keine organischen Ursachen für die Beschwerden festgestellt werden. "Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn sie sind körperlich gesund", sagt Sabine Schneider. "Aber diese Menschen sind verzweifelt." Ihre Lebensqualität ist durch die Symptome stark eingeschränkt.

Sabine Schneider ist Psychologin und Gesundheitswissenschaftlerin. In den vergangenen Jahren kamen laufend mehr Menschen, die leiden, aber keinen Befund haben, zu ihr in die Praxis. Vor allem seit der Coronapandemie nahm die Zahl der Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen stark zu. "Das war für alle eine Phase, in der man viel mehr Zeit hatte, über sich selbst nachzudenken. Durch die Lockdowns konnte man nicht ins Außen flüchten."

Passend dazu: Wie man den Schmerz besiegen kann

Mit Krieg und Teuerung kam zusätzlicher psychischer Stress dazu. Das manifestiere sich letztlich bei vielen Menschen im Körper etwa in Form von Verspannungen, Verdauungsproblemen oder Schmerzen. "Wenn ich immer nur funktioniere und nie über mich nachdenke, kann es sein, dass mich mein Körper erzieht und mir zeigt, dass ich aufpassen muss", warnt die Psychologin. Jeder Mensch hat seine Schwachstelle und ist somit für ein anderes Symptom anfällig. So bekommen manche bei zu viel Stress Nackenverspannungen, bei anderen wiederum schlägt er sich auf den Magen.

Wer an Schmerzen leidet, muss diese natürlich zunächst immer ärztlich abklären lassen. "Finden Mediziner keine Ursachen, bemühe ich mich im Gespräch, meine Patientinnen und Patienten besser kennenzulernen. In welchen Situationen tritt der Schmerz auf? Was passierte unmittelbar davor?", erklärt Schneider ihre Vorgehensweise. "Es ist dabei wichtig, mehr über die aktuelle Situation in Beruf und Familie zu erfahren." Aber genauso sei es möglich, dass die Ursache der Probleme in der Kindheit liegen: "Wir verdrängen sehr viel, dann können es Situationen sein, die der verdrängten aus der Kindheit ähneln, die den psychischen Stress auslösen." Schneider möchte "die Patienten durch gezielte Fragen an die Hand nehmen und in die Selbstreflexion hinein begleiten". "Ziel ist, herauszufinden, warum ich beispielsweise immer wieder Verdauungsprobleme habe und was durch den Stress passiert, den ich mir selber mache", erklärt sie.

»Es ist eigentlich eine gute Nachricht: Sie sind körperlich gesund. Dennoch sind die Betroffenen verzweifelt«

Das ist auch das Ziel ihres neuen Ratgebers, "Heilende Gedanken". "Das Buch soll eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Ich will mich damit als Psychologin bewusst verzichtbar machen."

Schneider beschreibt darin 180 Krankheitsbilder. Zu jedem ist eine kurze Affirmation in Reimform angegeben. "Bei Schmerzen denkt man nur mehr über diese nach. Es ist aber entscheidend, aus dieser Gedankenspirale herauszukommen. Dabei können Reime sehr gut helfen", erklärt Schneider. Ein Reim ist etwas Kindliches, Unbeschwertes. Er ruft positive Erinnerungen hervor, und man merkt ihn sich leicht.

180 unterschiedliche Krankheitsbilder beschreibt Sabine Schneider in dem Ratgeber "Heilende Gedanken" hinsichtlich ihrer möglichen psychosomatischen Ursachen. Dazu liefert sie gleich Lösungsansätze mit.*

Schneider empfiehlt, sich die Affirmation vorzusagen, sobald man "gedanklich falsch abbiegt und die Symptome wieder da sind". So könne es gelingen, die negativen Gedanken zu unterbrechen. Um den Effekt zu verstärken, rät sie, den Fingernagel des Daumens in den Zeigefinger hineinzudrücken, bis dort ein leichter Schmerz entsteht. Dadurch fällt es in Kombination mit der Affirmation noch leichter, aus der Gedankenspirale auszusteigen. Dass es tatsächlich hilft, weiß Schneider aus eigener Erfahrung: "Ich verwende schon seit einigen Jahren einen Reim, den ich mir immer wieder aufsage, sobald ich gestresst bin. Danach geht es mir besser."

Schlafstörungen

Mögliche psychosomatische Ursache

Hinter Schlafstörungen stehen aus psychosomatischer Sicht eine unbewusste Angst vor Kontrollverlust und mangelndes Vertrauen in sich selbst. Ebenso spielen äußere Stressfaktoren und das Gefühl von Überforderung eine Rolle. Wir können nicht loslassen und bekommen unsere Verpflichtungen nicht aus dem Kopf. Auch ungeklärte Konflikte und innere Aggressionen können uns wachhalten. Wir erleben so eine seelische und körperliche Enge, die unseren natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus stört. In der Nacht sind wir mit uns selbst konfrontiert, denn tagsüber können wir uns mit Arbeit oder Unterhaltung ablenken und so unserem Ich ausweichen. Wenn wir nachts im Bett liegen, findet unsere Seele Raum, sich bemerkbar zu machen.

Lösungsansatz

Schreiben Sie alle Aufgaben, die Sie unsicher machen und überfordern, vor dem Schlafengehen auf ein Blatt Papier und gliedern Sie sie, wenn möglich, in Teilaufgaben. Ordnen Sie ihnen Prioritäten zu und machen Sie einen Zeitplan. Je mehr Struktur Sie in Ihre Aufgaben bringen, umso eher verlieren sie ihren Schrecken und umso leichter können Sie sie auch einmal beiseite legen. Bringen Sie auch schlechte Träume zu Papier. Das dient ihrer Verarbeitung. Alles, was in Ihrem Kopf passiert, hat weniger Macht über Ihre Seele, wenn es erst einmal aufgeschrieben ist. Üben Sie sich in Selbstfürsorge und geben Sie sich damit die Geborgenheit, die Sie für einen tiefen Schlaf brauchen. Gestalten Sie dafür Ihren Schlafraum so, dass sich auch Ihr Kinder-Ich darin wohlfühlt. Legen Sie sich auf den Rücken und legen Sie eine Hand auf Ihr Herz und eine auf Ihren Bauch. Atmen Sie tief ein und aus und spüren Sie Ihren Atem-und Lebensrhythmus. Vertrauen Sie Ihrem Körper. Ihr Atem und Ihr Herz unterstützen Sie dabei, gut und gesund zu schlafen und Energie für den nächsten Tag zu sammeln. Denken Sie daran: Alles ist in Ordnung. Sie sind in Ihrem Bett sicher und gut aufgehoben.

Affirmation

Ich vertraue auf eine schützende Macht und bin wohlig geborgen, Nacht für Nacht.

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Verspannungen

Mögliche psychosomatische Ursache

Aus psychosomatischer Sicht haben wir, wenn wir unter Verspannungen leiden, unser Leistungskorsett so eng geschnürt, dass es unsere Seele einsperrt und uns die Bewegungsfreiheit nimmt. Unser forderndes Über-Ich bestimmt über unser Leben. Uns anzustrengen und pflichtbewusst zu sein ist wichtig, aber nun nimmt beides zu viel Raum in unserem Leben ein. Spaß und Unbeschwertheit sind gewichen.

Lösungsansatz

Nehmen Sie sich Zeit und Raum, sich unbeschwert dem Fluss des Lebens hinzugeben. Lassen Sie Ihr Herz und Ihre Seele von der Freude durchdringen, die das Leben immer dann bietet, wenn wir bereit dafür sind. Machen Sie sich dieses Geschenk von nun an regelmäßig. Lassen Sie Ihr inneres Kind frei und genießen Sie die Leichtigkeit des Seins. Finden Sie durch Selbstbeobachtung und Reflexion heraus, was Ihnen echte Freude bereitet, und entdecken Sie sich auf diese Weise selbst. Achten Sie auf die kleinen Dinge, sie bringen manchmal die tiefste Freude. Beobachten Sie, wie manches, für das Sie früher kämpfen mussten, jetzt ganz von selbst geschieht.

Affirmation

Ich lebe leicht und lasse los, meine Muskeln sind weich wie Moos.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2023 erschienen.

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